Sonderausstellung "In einem Meer vor unserer Zeit" im Naturkundemuseum Erfurt

Am 25. August 2011 wurde im Naturkundemuseum Erfurt feierlich die Sonderausstellung "In einem Meer vor unserer Zeit" eröffnet. Diese Ausstellung ist eine Gemeinschaftsarbeit des Naturkundemuseums Erfurt und des Trias Verein Thüringen e.V. und hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebewesen des "Ökosystems Muschelkalk" und die Zusammenhänge in diesem Lebensraum im Licht aktueller Erkenntnisse der letzten Jahre und neuer spektakulärer Funde darzustellen.

 

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Die Ausstellung ist vom 26. August bis 27. November 2011 im Naturkundemuseum Erfurt zu sehen.


Danach reist sie ins Ottoneum Kassel (dort zu besichtigen ab Dezember 2011) und später in das Vonderau-Museum Fulda (März/April 2012).

Ein Klick auf das Bild links öffnet das offizielle Plakat zur Ausstellung vom Trias Verein (PDF).  Weitere Informationen sind auf der Website des Naturkundemuseums Erfurt und den Seiten des Trias-Verein Thüringen e.V. zu finden.

Die Lage des Museums in Erfurt könnt Ihr hier erkunden. Zum Parken am besten das Parkhaus am Domplatz nutzen, von dort aus sind es zu Fuß keine 5 Minuten.


Nun jedoch einige Impressionen von der Eröffnung und der eigentlichen Ausstellung. Ich bitte die manchmal nicht ganz optimale Qualität der Fotos zu entschuldigen - das Gedränge bei der Eröffnung machte es (mit einfacher Kompaktkamera) etwas schwer, in Ruhe gute Fotos aufzunehmen.

Die Eröffnung

Diese fand am Abend des 25. August 2011 in der ersten Etage des Naturkundemuseums statt und fiel damit auf einen der heißesten Tage dieses Sommers. Im Museum herrschte eine Temperatur von gefühlten 30°C, dementsprechend kurz versuchten alle Redner ihre Ausführungen zu halten - diesen Eindruck hatte ich zumindest.

Da kaum ein Museum sich nur aus Eintrittsgeldern finanzieren kann, kamen hier Förderer und Sponsoren aus Landes- und Lokalpolitik zu Wort, die die Ausstellung erst ermöglicht haben. So redeten neben Matthias Hartmann, dem Direktor des Naturkundemuseums, der Schirmherr der Ausstellung Jürgen Reinholz (Thüringer Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz), Thomas Jahn (Kulturdirektion der Landeshauptstadt Erfurt) und Dieter Bauhaus, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Mittelthüringen. Gedankt wurde neben den Sponsoren auch Herrn Siegfried Rein, Mitbegründer des Trias Vereins und anerkannter Spezialist für die Ceratiten-Biozonen im Oberen Muschelkalk, auf dessen Arbeiten die Verbindung zwischen dem Museum und dem Trias Verein zurückgeht, und dem letztlich die Idee zu dieser Ausstellung zuzuschreiben ist.

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Zum Abschluss sprach Stefan Weiland (Bild links), der Vorsitzende des Trias Verein Thüringen e.V., der die Ausstellung eröffnete - allgemeines Aufatmen, da nun kalte Getränke serviert wurden und man endlich, diese in der Hand, die zwei Ausstellungsräume besichtigen konnte.


Die Ausstellung

Die Sonderausstellung "In einem Meer vor unserer Zeit" belegt zwei Räume in der ersten Etage, in welchen üblicherweise die Wechselausstellungen des Museums gezeigt werden (zur aktuell gezeigten Sonderausstellung informiert diese Seite auf der Website des Museums). Die Exponate umfassen einige übliche Fossilien aus dem Muschelkalk, wie Ceratiten und Nautiliden, zumeist aber absolute Ausnahmefunde, die man nicht oft zu sehen bekommt. Meines Wissens stammen die meisten (oder sogar alle) gezeigten Fossilien aus den Privatsammlungen der Mitglieder des Trias Vereins. Die Macher der Ausstellung, allen voran Sebastian Brandt, haben mit der Aufbereitung der Funde, der Dokumentation und den sehr schönen Dioramen Großes geleistet. Nebenbei sei erwähnt, dass einige der Macher der Ausstellung und Eigentümer der Exponate Mitglieder bei Steinkern.de sind.

Die Exponate

Trotz der Fülle und dem Gedränge vor den Vitrinen zur Eröffnung hat die Ausstellung bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Eigentlich kam ich aus dem Staunen kaum heraus, werden doch hier Fossilien präsentiert, die der Traum eines jeden Muschelkalksammlers sind. Ein wunderbarer Aha-Effekt überkommt den Betrachter, wenn er genau die Fossilien in natura zu Gesicht bekommt, die er schon von Bildern kannte, beispielsweise aus dem Steinkern-Forum oder von der Website des Trias Verein.

Betritt man den ersten Ausstellungsraum, so konzentrieren sich die Vitrinen und Infotafeln auf der linken Seite des Raumes auf die Ceratiten. Hier werden verschiedene Funde gezeigt, die deren Variabilität demonstrieren. Eine weitere Vitrine zeigt pathologische Ceratiten sowie seltene fastigate Stücke. Am Ende der Wand erläutert eine große Übersichtstafel die Chronoformen der Ceratiten sowie die Unterschiede zwischen E- und P-Formen - sehr interessant und aufschlussreich für ernsthafte Muschelkalksammler, von denen sich die meisten mit der Bestimmung der Chronoformen schwer tun (so geht es mir auch, weswegen mich diese Informationen besonders interessierten).

Eines meiner absolutes Highlights der Ausstellung ist die Vitrine in der Mitte des Raumes. Diese beherbergt Fossilien von Fischen und anderen Vertebraten, also Fossilien, die man nicht alle Tage im Muschelkalk findet.

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Neben einem nahezu vollständigen Skelett einer kleinen Nothosaurus-Art (Bild links) werden hier die bekannten großen Nothosaurus-Skelettfragmente aus dem Naturkundemuseum Schleusingen (Fund Stefan Weiland, Bild oben rechts) gezeigt, sowie seltene Skelett-Teile und Zähne von Placodus.


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Übertrumpft wird die Faszination dieser Ausnahmefunde noch von den in der rechten Seite der Vitrine gezeigten Fisch-Fossilien. Fische aus dem Muschelkalk, die aufgrund von schneller Kalkausfällung durch das verwesende Protein in Konkretionen konserviert worden sind, sind dreidimensional mit einzigartigem Detailreichtum erhalten. So sehen wir hier zwei neue Funde von Colobodus maximus, die derzeit zur kompletten Überarbeitung unseres Bildes der Morphologie und der Taxonomie dieser Art ausgewertet werden. Eines davon stammt aus der Sammlung Frank Kilisch (Eschwege) und wurde als Fossil des Monats Dezember 2009 auf der Website des Trias Verein ausgiebig beschrieben (Bild rechts). Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich dieser Colobodus anschaut...


Ein anderes unglaubliches Stück ist der vollständig erhaltene, 38.5 cm lange Colobodus von Sebastian Brandt, der Steinkern-Mitgliedern sicher noch als Fossil des Jahres 2010 in Erinnerung geblieben ist (Bilder unten).

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Beim Betrachten dieser Fische bekommt man eine vage Vorstellung, welche Mühe deren Präparation bereitet haben muss und welche Kunstfertigkeit sie erfordert - Hochachtung vor Meister-Präparator Sebastian Brandt, der diese Stücke in mehreren Hundert Arbeitsstunden präpariert hat.

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Gegenüber dieser Vitrine findet man ein großes Diorama, welches eine typische Szene aus dem Muschelkalkmeer zeigt, mit Nothosaurus, Schmelzschupper-Fischen, Ceratiten und Nautiliden, allesamt in etwa in Lebensgröße (Bild rechts). Auch dieses herrliche Anschauungsmodell stammt aus der Hand von Sebastian.


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Weiter dem Weg um die Vitrinen folgend sieht man nun typische Muschelkalkfunde wie Nautiliden, Muscheln und Brachiopoden, des weiteren Echinodermen wie Seelilien verschiedener Arten, Seesterne und Schlangensterne, sowie die im Muschelkalk extrem seltenen Seeigel:


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Auf der Rückseite der Verterbraten-Vitrine hängt eine ca. 2 Meter hohe Platte mit mehreren wunderbar erhaltenen Seelilien samt langen Stielen (Bild links) - die sollte man in Ruhe in allen Details betrachten. Dabei wird dem Trias-Freund einfach nur warm um's Herz...


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Die letzte Vitrine des ersten Raumes zeigt ebenfalls eine nicht alltägliche Gruppe von Tieren aus dem Muschelkalk-Meer: hier sind Krebse wie Pemphix, Lissocardia oder Aspidogaster zu sehen, die ebenfalls in filigraner Kleinarbeit aus den ihre Gestalt konservierenden Kronkretionen herauspräpariert wurden (Bild links). Ein gutes Bino, eine ruhige Hand und viel Geduld sind dafür wohl zwingend erforderlich. Krebse sind keinesfalls selten, aber aufgrund ihrer Konservierung in Konkretionen und dem mit ihrer fachmännischen Freilegung verbundenen präparativen Aufwand nur in wenigen Sammlungen vertreten.


Nun verlässt man den ersten Raum und biegt nach links ab, etwas weiter hinten findet man den zweiten Ausstellungsraum. Er liegt etwas tiefer, so dass beim Eintreten der Blick zuerst ein etwa in Augenhöhe hängendes Modell eines Pflasterzahnsauriers Placodus gigas trifft, der lebensgroß über Muschelkalkgeröll zu schwimmen scheint. Linker Hand kann man etwas über die Präparation von Fossilien lernen: hier steht eine beleuchtete Lupe auf einem Tisch mit Fossilien, Druckluftschläuche kommen aus der Wand und enden in Druckluftsticheln. Ein Wandbild neben dem Tisch erklärt prinzipielle Techniken der Präparation (anhand von Ceratiten, Seesternen und Fischen). Ich nehme an, dass die Stichel zur normalen Ausstellungszeit vom Besucher auch einmal selbst ausprobiert werden können, zur Eröffnung waren sie wohl nicht angeschlossen (oder ich habe den Hahn für die Druckluft nicht gefunden).

Daneben wird gezeigt, wie ein Diorama entsteht - am Beispiel der Gußform für einen der Fische. Auch kann man hier über die neuen Erkenntnisse zum Körperbau von Colobodus erfahren, die sich aus den aktuellen Funden ergeben haben.

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Weitere Vitrinen mit Fossilien zeigen Kleinfauna wie Schnecken und lehren über Ersatzschalen- versus Steinkernerhaltung bei Gastropoden (Bild rechts).


Des weiteren werden seltene Ammoniten und Seelilien aus dem Unteren Muschelkalk gezeigt (Beneckeia buchi, Kronen von Holocrinus wagneri (Bild unten links) sowie Einwanderer wie Serpianites antecedens (Bild unten rechts) oder Balatonites), ebenfalls Arten, die man entweder überhaupt selten oder zumindest in dieser Erhaltung nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Auch hier erkannte ich einige Fossilien von der Website des Trias Vereins wieder.

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Eine wunderschöne große Stufe an der rechten Seite des Raumes zeigt nur Seltenheiten aus dem Reich der Stachelhäuter - Teile der Seelilie Holocrinus wagneri, Seesterne und Seeigel:


Mein Fazit

Die Ausstellung hat mir ausgesprochen gut gefallen. Man findet hier eine Zusammenstellung von Muschelkalk-Fossilien aus Thüringen, die ihresgleichen sucht. Insgesamt würde ich ihr das Prädikat "klein aber fein" verleihen - nicht überladen, so dass man in Ruhe alle Stücke betrachten und genießen kann, ohne Bedenken, etwas zu verpassen, weil die Zeit nicht mehr reicht oder weil man nicht mehr aufnahmefähig ist, aber doch umfangreich genug, einen ordentlichen Querschnitt durch die Fauna des Muschelkalkmeeres zu zeigen. Für alle Thüringer Fossilienfreunde ein absolutes "must see", und für auswärtige Sammler wirklich ein Grund, in Erfurt einen Zwischenstopp einzulegen.

Ein ganz klein wenig Kritik möchte ich trotzdem anbringen. Ich hätte mir etwas mehr Informationen bei der Beschriftung der Fossilien gewüscht - man findet dort nur den Artnamen, weder Geographie noch Stratigraphie der Fundorte werden erwähnt. Ich gehe davon aus, dass nicht alle Eigentümer der Stücke deren Fundorte offenlegen wollten und man sich hier auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hat - konsequentes Weglassen, um einheitlich zu bleiben.

Gleiches gilt für die erste Ceratiten-Vitrine: hier hätte ich mir eine Beschriftung der Chronoformen gewünscht, wahrscheinlich deshalb, weil mich dieses Thema aktuell sehr beschäftigt. Wen dies interessiert, der findet natürlich auf der entsprechenden großen Schautafel genügend Informationen.

Ich möchte meine konstruktive Kritik nicht missverstanden wissen: dies ist zusammengenommen sehr wenig Schatten, der einer großen Menge Licht gegenübersteht! Man sollte natürlich auch nicht vergessen, dass es sich hier um eine Show für die Allgemeinheit und nicht nur für Muschelkalk-Sammler handelt.

Übrigens hat das Museum auch in seiner Dauerausstellung einen Satz herrlicher Fossilien aus Thüringen ausgestellt - auch diese (befindlich im Erdgeschoss) lohnt es sich anzusehen. Die berühmte "Ceratitenwand" ist hier zu sehen (erstes Bild unten), und ich habe über einen riesigen Arietites staunen dürfen, der in dem bisschen Jura gefunden wurde, was Thüringen zu bieten hat (Seeberg bei Gotha, zweites Bild unten).

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Man erkennt schnell, dass Thüringen nicht nur Schichten und Fossilien der Trias beheimatet, sondern viel mehr, vom Ordovizium bis zum Quartär.

 

Thomas Billert für Steinkern.de