Alt-Paläozoikum

Rekonstruktion des Trilobiten Olenoides serratus ROMINGER

Rekonstruktion des Trilobiten Olenoides serratus ROMINGER

 

von Leif Beckmann

Olenoides ist ein kleiner Trilobit des mittleren Kambrium und damit ca. 505 Millionen Jahre alt. Er gehört zur Ordnung der Corynexochida und zur Familie der Dorypygidae.  Bekannt wurde diese Art durch außergewöhnlich gut erhaltene Fossilien aus dem Burgess Shale in den Kanadischen Rockie Mountains von British Columbia, bei denen sogar Antennen, Kiemen und Beine erhalten sind. Sie sind zwar auch nur wie eine Art Schatten im schwarzen Schiefergestein überliefert, aber dennoch zeichnen sie ein sehr gutes Bild dieser leider nur selten erhaltenen Weichteile.

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Abb 1: (Hier musste der Teppich mal als Kambrischer Meeresboden herhalten.)

Olenoides war eigentlich nicht meine erste Wahl für ein Modell, da ich nur wenige Fotos von versteinerten Exemplaren auftreiben konnte und es viel interessantere und besser erhaltene Arten aus Russland, den USA und Marokko gibt, bei denen sich auch mehr Fotos als Vorlage finden lassen. Leider ist bei diesen Arten absolut nichts über die Anzahl und das Aussehen der Beine bzw. der ganzen Ventralseite bekannt. Trotzdem fand ich Olenoides serratus interessant, da diese Art mit dem großen Kopfschild, mit den zwei langen Wangenstacheln an der Seite sowie dem einfach stachelig-segmentierten Körper für mich dem „klassischen“ Aussehen eines Trilobiten entspricht, das von Kindheit an meine Vorstellung dieser Tiere geprägt hat.

Wie schon bei meinem Ammonitenmodell habe ich mir wieder einen Experten als Berater gesucht und in Dr. Sam Gon III vom The Nature Conservancy of Hawaii gefunden. Sam ist ein wirklicher Trilobitenexperte dessen großartige Homepage die meisten Trilobiteninteressierten sicher schon kennen http://www.trilobites.info. Er hat mich sehr geduldig mit jedem Detail des Modells beraten.

Mit Sams Unterstützung ist schließlich innerhalb eines Jahres dieses Modell entstanden. Die einzelnen Teile wurden aus Modelliermasse geformt, mit Silikon abgeformt und aus Polyurethanharz gegossen. Es war mir sehr wichtig, dass dieses Modell sehr originalgetreu wird und möglichst keine Details fehlen, wenn man schon mal so viel Arbeit und Zeit investiert... Beim Maßstab musste ich aber etwas schummeln, Olenoides wurde nur etwa 10 cm lang, das Modell misst (ohne Antennen) etwa 26 cm. Länge (mit Antennen): 57 cm, Breite: 19 cm, Höhe: ca. 12 cm.

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Abb. 2: So könnte er ausgesehen haben als er über den Meeresboden lief.

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Abb. 3: Hier fehlen dem Modell noch die Beine, Kiemen und Antennen. Es zeigt aber den
üblichen Erhaltungszustand eines Trilobiten, bei dem nur der dorsale Panzer versteinert ist.


Das Hypostom

Das Hypostom befand sich auf der Unterseite am vorderen Rand des Cephalon (Kopfschild) über der Mundöffnung. Seine Funktion steht im Zusammenhang mit der Ernährung der Trilobiten, es gibt sehr verschiedene Hypostom-Sorten die sich in Form, Größe und der Position am Cephalon unterscheiden. Einige Hypostome waren spitz geformt und man kann sich gut vorstellen wie ein Trilobit seine gefangene Beute, einen Wurm zum Beispiel oder einen anderen kleineren Trilobiten, gegen die Stacheln quetschte um seine Schale zu knacken. Ob das Hypostom noch eine andere Funktion besaß ist nicht so ganz klar, denn es gab sie auch in abgerundeten Formen und verschieden Größen, die zum Töten von Beute eher ungeeignet erscheinen.

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Abb. 4: Hier erkennt man das Hypostom, welches über der Mundöffnung sitzt und die Basis der Antennen überdeckt.


Die Kiemen

Dieser Trilobit hatte insgesamt 32 Beine an deren Basis sich jeweils eine mit einem Gelenk verbundene Kieme befand. Das Tier verfügte also über 32 recht große Kiemen. Man vermutet, dass der Weichkörper der Körperunterseite wie die Kiemen stark durchblutet war und wie eine zusätzliche riesige Kieme funktionierte, ein deutlicher Hinweis auf einen sauerstoffarmen Lebensraum.

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Abb. 5: Ansicht von unten: gut zu sehen sind die roten Kiemen, die gut geschützt zwischen dem Panzer und den stacheligen Beinen sitzen.

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Abb. 6: Beine mit Kiemen.


Die Beine

Sehr auffällig sind die ausgeprägten Stacheln auf der Unterseite der Beine, sie dienten wohl dazu Beute festzuhalten und zu töten. Die Stacheln der Gnathobasen (gnathos = Kiefer), also das erste große Beinsegment, konnten die Nahrung zerreißen und zerkleinern indem die beiden gegenüberliegenden Gnathobasen gegeneinander bewegt wurden. Die Nahrungspartikel konnten so über die Gnathobasen nach vorne bis zur Mundöffnung weitergereicht werden. Zumindest ist das eine der gängigen Annahmen als Erklärung dafür, wozu Olenoides derart viele Stacheln an den Beinen hatte. Sicher dienten die Gnathobasen auch als Schutz gegen andere Raubtiere um die ungepanzerte Körperunterseite zu schützen.


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Abb. 7: Das in Segmente unterteilte Bein mit den Stacheln auf der Unterseite und links das erste große Beinsegment (Gnathobase).


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Abb. 8: Noch ein paar Beine in verschiedenen Größen.

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Abb. 9: In dieser Ansicht sind die vielen stacheligen Beine am Modell gut zu erkennen.

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Abb. 10: Die Beine mit Stacheln im Detail. Selbst feine Büschel von Borsten auf der Außenseite der Beine sind im kanadischen Burgess Shale erhalten geblieben, sie sind hier am Modell nur angedeutet und etwas schwer an ihrer ockerbraunen Farbe zu erkennen.


Die Augen

Olenoides verfügte, wie die meisten Trilobiten, über holochroale Augen. Sie bestanden aus winzigen, glasklaren Kalzitkristallen, die dicht zusammen gepackt standen. Diese Kristallaugen sind einzigartig, kein anderes Lebewesen verfügt über einen solchen Sehapparat. Wie die Facettenaugen der Insekten lieferte jede Linse ein kleines Einzelbild, welches vom Gehirn zu einem großen Gesamtbild zusammengesetzt wurde. Viele Insekten haben metallisch schimmernde Augen, das könnte auch bei Olenoides der Fall gewesen sein, darum habe ich die ursprünglich schwarzen Augen noch mal etwas verändert.

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Abb. 11: Leider waren diese Facetten viel zu klein um sie für das Modell modellieren zu können


Die Antennen

Olenoides ist, soweit mir bekannt ist, der einzige Trilobit, von dem man weiß, dass er vier Antennen hatte. Ein Paar vorne am Cephalon und ein Paar hinten am Pygidium. Vermutlich waren die Antennen sehr empfindliche Sinnesorgane, dieser kleine Trilobit wollte wohl jede Bewegung im Wasser um sich herum wahrnehmen - könnte das ein Anzeichen für viele Fressfeinde sein?

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Abb. 12: Foto der hinteren Antennen.


Die Farbe

Sein Lebensraum war der schlammige Boden des warmen und flachen kambrischen Meeres.
Farbpigmente haben sich dort leider nicht erhalten, also ist die Färbung im Endeffekt auch nur "geraten", aber das Farbmuster könnte auf dem Schlammboden den Tarneffekt erfüllen. Es wäre aber genau so gut denkbar, dass Olenoides z.B. einfarbig braun war oder das es verschiedenfarbige Varianten gab, je nach Region in der sie lebten. Vielleicht war er aber auch knallbunt wie viele Tiere der heutigen tropischen Meere, wer weiß?


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Zwei Farbvarianten am Modell.

Die Bemalung ist mir nicht allzu toll gelungen, und ein paar Dinge sind nicht so ganz zu meiner Zufriedenheit, aber das war halt mein erster Trilobit. Ich hoffe, es ist trotzdem ein brauchbares Modell geworden, das ein wenig das Aussehen dieser faszinierenden Tiere wiedergibt.

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Dieser Bericht soll nur einen kleinen Einblick zu diesem speziellen Trilobiten geben, wer mehr und umfangreichere Informationen sucht, dem kann ich nur die Homepage von Sam Gon und die von trilobita.de empfehlen.

Mein Besonderer Dank für seine Hilfe gilt Sam Gon III - thanks a lot, Sam!


Danke für euer Interesse und viele Grüße an alle Steinkernfreunde

Leif


Literatur und Links:

Trilobites von Riccardo Levi-Setti (Englisch) The University of Chicago Press.
ISBN: 0-226-47451-8
Trilobiten von Richard Fortey (Deutsch) dtv Verlag, 2004. ISBN: 3-423-34111-4

http://www.trilobites.info/
http://www.trilobita.de/index.html