Devon

Die Ästhetik des Unvollkommenen – disartikulierte Trilobiten

Bekanntermaßen sind Geschmäcker verschieden, dieser Umstand trifft in besonderem auch auf uns Fossiliensammler zu.
Im folgenden möchte ich einen kleinen Exkurs in die Trilobitenwelt starten und zwar - präziser ausgedrückt - ins Mitteldevon.
Würde man eine Umfrage unter Trilobitensammlern starten, in welcher Art und Weise sie ihre fossilen Krabbler gerne in die Sammlung stellen, so wäre das Ergebnis recht eindeutig: sie sollten natürlich komplett sein, aber nicht nur das , auch topfeben ausgestreckt und frei von jeglichen Disartikulationen dürfen sie auch sein. Handelt es sich um beschalte Individuuen, so darf natürlich an keiner Stelle ein Steinkern zum Vorschein kommen.  Eine nur 1 mm messende Verschiebung bedeutet schon die Abkehr von dem Anspruch der Perfektion.
Aber die Realität beweist, dass diese Idealvorstellungen meist nicht umsetzungsfähig sind. Allzu oft sind die Tierchen völlig eingerollt oder eingeklappt, sie können im Hohlkreuz liegen, oder eine Krümmung in der Art eines Katzenbuckels aufweisen. Wer solche Exponate schon mal fotografiert hat, der weiß wie schwer es ist, ein solches Tier fotogen abzulichten. Schaut man sich z.B. die weltweit führende Internetseite über Trilobiten  an  (www.trilobites.info), so wird man in den Galerien nicht rein zufällig nur ausgestreckte Fundstücke sehen.
Noch schlimmer ist es, sind die Tiere gar unvollständig. Bedingt durch den „gliedrigen“ Aufbau des Trilobitenpanzers lösten sich postmortem die einzelnen Bestandteile sehr schnell voneinander, sodass „Defekte“ leicht zu erklären sind. Dumm auch, dass die Tiere wachsen mussten, und wenn es ihnen zu eng im Panzer wurde, sich einfach häuteten und wir dann nur die einzelnen Komponenten aufsammeln dürfen.
Die Praxis zeigt: je größer ein Individuum einer bestimmten Art ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkkeit, dass es ein Problem gibt; nur mal als marokkanisches Bespiel: bei Ceratarges mit  Panzerlänge ca. 3 cm fehlt in 50% eine Freiwange, bei Panzerlängen 6 cm und mehr fehlt die Wange in 90% der Individuuen. Das „Wangenproblem“ tritt im übrigen bei sehr vielen devonischen Trilobitengattungen auf.
Es gibt aber noch eine ganze Reihe anderer Szenarien, mit denen uns die fossilen Trilos ärgern können:
Die Disartikulationen können nämlich nicht nur einzelne Wangen befallen, sondern im Prinzip jede Stelle des Panzers (be)treffen. Klaus Bartl hat dafür in Zusammenhang mit einem russischen Falsifikat in einem Vortrag  den schönen Neologismus „Zergliedertier“ gewählt. Diese Bezeichnung ist auch für die folgenden Abbildungen sehr zu gebrauchen, denn Mutter Natur zeigt uns hier ZERGLIEDERUNGEN an Trilobiten.
Auch wenn die gezeigten Stücke nicht perfekt sind, so mag ich sie trotzdem. Jedes Fossil erzählt nun mal seine eigene Geschichte und die ist bei solchen Zergliederungen vielleicht sogar spannender, als bei einem makellos erhaltenen Stück.

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Abb 1: Zunächst hätten wir da mal Neometacanthus stellifer BURMEISTER; diese Viecher waren zu Lebzeiten vermutlich sehr fragil, denn sie haben häufig ein disartikuliertes Pygidium. Eine gänzliche Zergliederung wie auf der Abbildung ist hingegen selten.

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Abb2: Noch eine Zergliederung, diesmal ein Gerastos cuvieri STEININGER ; auch hier haben sich die einzelnen Komponenten voneinander gelöst.

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Abb 3: Nochmal ein Gerastos cuvieri STEININGER: hier liegt das zugehörige Pygidium in einiger Entfernung vom Thorax entfernt.

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Abb 4: Ein Stachler aus dem Devon; Cyphaspis ceratophthalma GOLDFUSS; hierbei fehlt eine Wange, außerdem hat der Thorax begonnen, sich in seine Einzelteile aufzulösen.

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Abb 5: Nochmal ein Cyphaspis ceratophthalma GOLDFUSS; typische Schwachstelle ist das sechste Thorakalglied.Vermutlich wirkt der ansetzende Rückenstachel wie ein Hebel und sorgt dafür, dass genau hier sehr oft Disartikulationen vorhanden sind.

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Abb 6: Ein Geesops schlotheimi BRONN, bei dem sich im hinteren Bereich des Thorax die einzelnen Segmente voneinander gelöst haben.

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Abb. 7: Ein Cornuproetus rhenanus BASSE, bei dem sich einige Komponenten schon begonnen haben, voneinander zu lösen.


Fundort sämtlicher Stücke; Gees bei Gerolstein, Mitteldevon, Ahrdorf Schichten.

Bericht, Fotos und Sammlung: Andreas Rückert