Devon

Über Eohalysiocrinus – eine exotische Crinoidengattung aus dem Mittel-Devon der Eifel (Rheinisches Schiefergebirge)

 

Abbildung 1: Kelch von Eohalysiocrinus sp., Bohnert-Member, Freilingen-Formation (oberes Eifelium, Mittel-Devon), FO  "Auf den Eichen" (NO von Nollenbach, Hillesheimer Mulde)


Die Calceocrinidae sind die langlebigste Familie der Crinoiden. Ihr Vorkommen erstreckt sich vom mittleren Ordovizium bis ins frühe Perm. Die einzigartige Morphologie und ihre hochgradige Spezialisierung ermöglichte ihnen eine erfolgreiche Existenz über eine Zeitspanne von fast 230 Millionen Jahren.
In diesem Artikel möchte ich einige Vertreter dieser interessanten Familie aus dem Mittel-Devon der Eifel vorstellen.


Einführung

Den ersten Nachweis eines Calceocrinidae erbrachte, wenn auch unbewusst, Ludwig Schultze (1866) in seiner Monographie der Echinodermen des Eifeler-Kalkes:
Auf Tafel 3, Figur 4 e-f bildet er ein Crinoidenfragment ab, welches er irrtümlich als „(...)Säulenglieder von Symbathocrinus tabulatus MÜLLER vom Mühlenberg (...)“ bezeichnet.
Erst im Jahre 1953 erschien eine Arbeit von Herta Sieverts, in der sie sich auf eine handschriftliche Notiz Otto Jaekels auf einer Kopie der Monographie von Schultze bezog und die Fragmente anhand Schultzes Originalmaterials als Crinoidenkelche deutete. Dies war der erste sichere Beleg für Calceocriniten aus dem Mittel-Devon der Eifel.

1983 wurden von Rüdiger Prick einige Kelche von Dolerocrinus
(= Eohalysiocrinus sensu Prokop) aus dem Mittel-Devon der Hillesheimer Mulde beschrieben.

Leider wurden die Calceocriniten der Eifel seitdem nicht mehr wissenschaftlich bearbeitet;
es ist daher nicht auszuschließen, dass es sich bei den in der Eifel gefundenen Kelchen um mehrere Taxa handelt.
2008 wurden von Joachim Hauser drei neue Arten beschrieben: E. hieroglyphicus, E. hoelleri und E. eifeliensis. Da eine wissenschaftliche Evaluierung dieser im Eigenverlag publizierten Taxa bislang nicht erfolgte, habe ich es bei der Bestimmung der hier vorgestellten Stücke vorerst bei Eohalysiocrinus sp. belassen.

 

Systematik                                    

Klasse Crinoidea MILLER, 1821
Ordnung Disparida MOORE & LAUDON, 1943
Überfamilie Calceocrinacea MEEK & WORTHEN, 1869
Familie Calceocrinidae MEEK & WORTHEN, 1869
Gattung Eohalysiocrinus PROKOP, 1970

Abbildung 2: Kelchschema, stark vereinfacht nach PRICK 1983

 

Der Kelchaufbau

Kelche von Eohalysiocrinus gehören im Mittel-Devon der Eifel  zu den weniger häufigen Funden. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass sie recht klein sind (die meisten Kelche sind deutlich kleiner als 10 mm); zum anderen werden die Kelche vermutlich oft nicht als solche erkannt, da sie erheblich vom vertrauten Bauplan der Crinoiden abweichen. Die Symmetrie der Kelche ist bilateral und unterscheidet sich so deutlich von der sonst üblichen, fünfstrahligen Radiärsymmetrie.

Die Kelche bestehen aus zwei Teilen, die fast immer isoliert gefunden werden:
Die Basis bildet ein Zweieck und setzt sich aus drei Basalplatten zusammen. Deutlich zu erkennen sind der runde Stielansatz und drei, durch dünne Stege voneinander getrennte „Grübchen“ auf der dem Stielansatz gegenüberliegenden Seite (siehe Abb.3)

 

Abbildung 3: Basaliazweieck; A= Dorsalansicht, B= Frontansicht mit Grübchen, C= Ventralansicht; Bohnert-Member, Freilingen-Formation (oberes Eifelium, Mittel-Devon), FO  „Auf den Eichen“ (NO von Nollenbach, Hillesheimer Mulde)


Der zweite Teil des Kelches besteht aus zwei großen Radialplatten sowie einer Infer- und einer Superradialplatte, welche durch die sich berührenden Kanten der großen Radialia voneinander getrennt sind. Auch hier finden sich die Grübchen.
Auffallend ist, dass der Kelch nur drei Armansatzstellen aufweist (a–c). Im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte haben die Calceocriniten die Anzahl ihrer Arme von fünf auf vier reduziert, ab dem Ober-Silur wurde auch der vierte Arm rückgebildet.

 

Abbildung 4: A= Dorsalansicht, B= Ventralansicht mit Blick auf die Armansätze a-c, C= Frontalansicht mit "Grübchen"; Bohnert-Member, Freilingen-Formation (oberes Eifelium, Mittel-Devon), FO „Rommersheimer Trasse“ (NO von Rommersheim, Prümer Mulde)


Beide Kelchstücke waren zu Lebzeiten durch ein flexibles Ligament (-Band) verbunden. Die auf der Frontseite der Kelche sichtbaren Grübchen sind als Ansatzstellen der Muskeln zu deuten, die ein Ein- bzw. Aufklappen der Krone ermöglichten.
Zusammengesetzt ist die (Funktion-) Morphologie daher wie auf dem nachfolgenden Bild gezeigt (Abb.5) zu interpretieren.

 

 

Abbildung 5: Ein aus zwei isolierten Fragmenten zusammengesetzter Kelch; A= Lateralansicht, B= Ventralansicht auf die Armansätze a-c, C= Dorsalansicht mit Blick auf die Grübchen,  Bohnert-Member, Freilingen-Formation (oberes Eifelium, Mittel-Devon), FO  "Auf den Eichen" (NO von Nollenbach, Hillesheimer Mulde).

 

Bislang wurde noch keine vollständige Krone von Eohalysiocrinus aus dem Mittel-Devon der Eifel beschrieben. Zu Vergleichszwecken habe ich deshalb eine Zeichnung einer verwandten Art angefügt; Halysiocrinus nodosus (Hall, 1861) aus dem Mississippium, Unter-Karbon (vergl. Abb.6). Der Aufbau dieser Krone unterscheidet sich nicht wesentlich von den älteren Formen.

 

Abbildung 6: Skizze einer Krone von Halysiocrinus nodosus (HALL, 1861) aus dem Mississippium, Unter-Karbon; Arme A und B, Arm C ist durch A verdeckt. Zeichnung N. Jung 2013

 

Die Krone hat eine bilaterale Symmetrie und - wie bereits erwähnt - eine auf drei reduzierte Anzahl der Arme. Der erste (A) und dritte Arm (C) sind mit kräftigen, aufwärts gerichteten Nebenästen versehen. Der zweite Arm (B) ist in seiner Funktion ebenfalls zurückentwickelt. Er legt sich bei zusammengeklappter Kronenhaltung über die anderen Arme und deckt sie so schützend ab.
Auf der dem Stiel zugewandten Seite befindet sich ein Analtubus, dieser ist jedoch durch die Arme verdeckt.

 

Lebensweise von Eohalysiocrinus

Über die Lebensweise der Calceocriniten wurde in den vergangenen Jahrzehnten konträr diskutiert. Eugene Ringueberg interpretierte sie 1889 als senkrecht in der Wassersäule stehend, wie man es von den übrigen Crinoiden kannte. In dieser ogenannten „Drooper“ ( = herabhängenden) Variante hing die Krone in Richtung Bodensubstrat herunter.
Ein weiteres Modell ist die „Kite“ (= Drachen) Variante. Hier steht der Stiel nicht aufrecht, sondern in einem undefinierten Winkel zum Boden. Die geöffnete Krone hängt schräg zur Strömung, ähnlich einem Winddrachen.

 

 

Abbildung 7: Modelle zur Lebensweise von Eohalysiocrinus, der Pfeil zeigt die Strömungsrichtung: links "Drooper-Variante " (RINGUEBERG 1889) mit herabhängender Krone; mitte "Kite-Variante“ (BREIMER & WEBSTER 1975) mit schräg aufgerichtetem Stiel, rechts "Runner-Variante" (JAEKEL 1918), Skizzen nach BOYARKO 2007.


Die größte Zustimmung erhält das Modell, welches 1918 von Otto Jaekel vorgeschlagen wurde: Er deutete den Crinoiden nicht aufrecht stehend, sondern als flach auf dem Substrat aufliegend. Die Krone konnte zum Nahrungserwerb hochgeklappt werden - in der geschlossenen Position waren die Weichteile durch die aufliegenden Arme geschützt;
diese Variante wird in der Literatur als „Runner“-Typ bezeichnet.

 

Fundmöglichkeiten in der Eifel

Kelche von Eohalysiocrinus sind, wie bereits erwähnt, nicht besonders häufig zu finden.
Im Anstehenden sind sie nur schwer zu entdecken, die besten Fundaussichten hat man beim Auslesen von geschlämmtem Material.
Die Stücke aus meiner Sammlung stammen allesamt aus der Blankenheimer, Hillesheimer und Prümer Mulde. Weitere Funde sind aus der Gerolsteiner-Mulde bekannt.

Stratigraphisch konnte ich sie vom Nims-Member der Junkerberg-Formation (Eifelium) bis zum Lahr-Member der Ahbach-Formation (Grenzbereich Eifelium/Givetium) belegen.   Sicher nachgewiesen sind sie in der Eifel bis in das Ober-Devon (Frasnium) hinein. Am häufigsten findet man sie im Bohnert-Member der Freilingen-Formation (oberes Eifelium)  der Hillesheimer Mulde.

Abbildung 8: Skizze einer Krone von Synchirocrinus anglicus Jaekel, nach einer Zeichnung von Otto Jaekel 1918

 

 

Dank

Ein herzliches Dankeschön an Sönke Simonsen, Udo Resch und Michael Vosatka für das Korrekturlesen dieses Artikels. Ebenso bedanken möchte ich mich bei Eberhard Janke für die Bereitstellung von Literatur.

 

Literatur

AUSICH, WILLIAM 1986. Palaeontology 29 (1): 85-99; Paleoecology and history of the Calceocrinidae (Palaeozoic Crinoidea)


BOYARKO, DEVIN C. 2007. The Ohio State University. Department of Geological Sciences; Thesis for the degree of Bachelor of Science; 42 Pages: Paleoecology of the Calceocrinidae with a Description of New Material from the Brassfield Formation (early Silurian)


BROWER, JAMES C. 1966 Journal of Paleontology Vol. 40, No. 3; pp. 613-634; Functional morphology of Calceocrinidae with description of some new species


BROWER, JAMES C. 1966 Journal of Paleontology Vol. 62, No. 6; pp. 917-934; Ontogeny and Phylogeny in Primitive Calceocrinid Crinoids


BROWER, JAMES C. 1990 Journal of Paleontology Vol. 64, No. 2; pp. 300-318; Ontogeny and Phylogeny of the Dorsal Cup in Calceocrinid Crinoids


HAUSER, JOACHIM 1997. Eigenverlag, Bonn: Crinoiden aus dem Mittel-Devon der Eifeler-Kalkmulden


HAUSER, JOACHIM 2008. Online-Publikation : Eohalysiocrinus (Crinoidea, Cladida) aus dem Mitteldevon der Eifelkalkmulden (Rheinisches Schiefergebirge)


JAEKEL, OTTO 1918. Paläontologische Zeitschrift 3 (1): 1-128; Stuttgart; Phylogenie und System der Pelmatozoen


PRICK, RÜDIGER 1983a. Senckenbergiana lethaea 64 (2/4): 227-235, 6Abb. ; Frankfurt a. M.; Inadunate Crinoiden aus dem Mittel-Devon der Eifel


PROKOP, RUDOLF J. 1970. Sbornik geologickych ved Paleontologie Vol. 12: pp. 79-134 ; Family Calceocrinidae Meek & Worthen. 1869 (Crinoidea) in the Silurian and Devonian of Bohemia


RINGUEBERG, EUGENE N.S. 1889. Annals of the New York Academy of Sciences, vol. 4, issue 1, pp. 388-408 : XVII.-The Calceocrinidae: A Revision of the Family, with Descriptions of some new Species


SCHULTZE, LUDWIG. J.T. 1866 Monographie der Echionodermen des Eifler Kalkes, Carl Gerold´s Sohn, Wien, 118p; ebenfalls publiziert in SCHULTZE, LUDWIG J.T. 1867. Monographie der Echionodermen des Eifler Kalkes, Denkschrift der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 26: 113-230


SIEVERTS, HERTHA 1953. Notizblatt des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung zu Wiesbaden 81: 75-87: Über einige inadunate Crinoiden aus dem rheinischen Devon

 

 

 

 Abbildung 9: Eohalysiocrinus sp., Größe des Kelches ca 5 mm; Nims-Member, Junkerberg-Formation (Eifelium, Mittel-Devon); FO  Prümer Mulde.

 

Abbildung 10: Eohalysiocrinus sp., Größe des Kelches ca 5 mm; Lahr-Member, Ahbach-Formation (Grenze Eifelium/Givetium, Mittel-Devon); FO NO Blankenheim (Blankenheimer Mulde)

 

Abbildung 11: Basalia-Zweiecke von Eohalysiocrinus sp. Reihe oben und mitte: Bohnert-Member, Freilingen-Formation (oberes Eifelium, Mittel-Devon); FO "Auf den Eichen" (NO von Nollenbach, Hillesheimer Mulde)  - Reihe unten: Nims-Member, Junkerberg-Formation (Eifelium, Mittel-Devon); FO  „Rommersheimer-Trasse“ (NO von Rommersheim, Prümer Mulde)

 

Abbildung 12: Reihe oben: Eohalysiocrinus sp., Größe des Kelches ca 6 mm, Bohnert-Member, Freilingen-Formation (oberes Eifelium, Mittel-Devon); FO  "Auf den Eichen" (NO von  Nollenbach, Hillesheimer Mulde)
Reihe unten: Eohalysiocrinus sp., Größe des Kelches ca 5 mm, Nims-Member, Junkerberg-Formation (Eifelium, Mittel-Devon); FO  „Rommersheimer Trasse“ (NO von Rommersheim, Prümer Mulde)