Mittlerer Jura

Mikroconche Paragarantianen aus der Parkinsoni-Zone, Acris-Subzone des Ober-Bajociums von Winnberg/Sengenthal (Oberpfalz)

Wer hat Ähnliches in seiner Sammlung?
In Fortsetzung der bisherigen Berichte (Präparation und Ergänzung eines Nautilus aus Winnberg/SengenthalPseudogarantianen und Garantianen aus dem Steinbruch Winnberg/Sengenthal und Muscheln aus dem Garantianenoolith (Bajocium, Mitteljura) von Sengenthal) über unsere dreitägige Grabung mit zwölf Personen am Winnberg bei Sengenthal im Sommer 2014 werden im Folgenden zwei gut erhaltene mikroconche Exemplare der Gattung Paragarantiana vorgestellt. Diese entstammen nicht dem grau-braun gefärbten Garantianen-Oolith, in dem schon unzählige mikroconche Garantianen gefunden wurden, sondern dem darüber liegenden, karminroten Parkinsonien-Oolith. Nach Einschätzung meines Freundes Dr. Martin Görlich, Altdorf, der die weltweit größte Sengenthal-Sammlung und entsprechend hohe Expertise für die dort gefundene Ammonitenfauna besitzt, kommen sie als mikroconche Partner der makroconchen P. coronata (WETZEL, 1911) oder P. alticosta (WETZEL, 1911), in Betracht, wobei der letztgenannten Art die starke Bedornung in den Innenwindungen fehlt. Nach Meinung einiger Experten, der wir uns hier anschließen, ist die Art P. coronata allerdings der Variationsbreite von P. alticosta zuzuordnen (Mitteilung V. Dietze).
Eine wissenschaftliche Bearbeitung und Artbeschreibung der hier vorgestellten Mikroconche ist in Vorbereitung. Es ist gut möglich, dass sich noch weitere Exemplare in anderen Sammlungen finden, daher bitten wir bei „Verdachtsfällen“ dringend um Mitteilungen und um Zusendung von Fotos an den Autor!
Traditionell werden die jeweiligen Mikro- und Makrokonche vieler Ammoniten bislang häufig als eigene Spezies oder gar Gattung geführt. Da Mikro- und Makroconche einer Spezies zwischenzeitlich als dimorphe Sexualpartner interpretiert werden, gehören sie zwingend derselben biologischen Art an. Daher wird im Folgenden, wie in neuerer Zeit für dimorphe Ammonitenpaare üblich, jeweils der gleiche Name mit dem Zusatz [M] oder [m], verwendet. Im Gegensatz dazu wurden solche Dimorphen-Paare früher häufig unterschiedlichen Spezies oder sogar Gattungen zugeordnet. Diese traditionelle, morphologische Sichtweise rückwirkend zu revidieren, würde allerdings die bisherigen Konventionen sprengen, die Zahl bekannter „Arten“ nahezu halbieren und die rasche Verständigung zwischen Sammlern darüber, welchen Ammoniten man gerade in Händen hält, deutlich erschweren. Daher behalten solche klassischen, "doppelten Artnamen" zumindest vorerst weiter Gültigkeit.

 

Stratigrafie
Beide Exemplare entstammen wahrscheinlich der Acris-Subzone der Parkinsoni-Zone (Oberbajocium), welche im Steinbruch Winnberg/Sengenthal nicht überall gut überliefert ist, sondern teilweise nur zentimeter-dünn ausgebildet ist und die nur lokal in dickeren „Linsen“, lithologisch als „Zwischenschicht" erscheinend, zwischen dem grauen Garantianen-Oolith (Schicht 6) und der dunkelroten Schicht 7 nach CALLOMON et al. (1), vorliegt. Ähnlich ist auch die nächstjüngere Subzone (Truellei-Subzone) am Winnberg nur stellenweise und linsenförmig überliefert. Die Acris-Subzone gehört dem basalen Parkinsonien-Oolith an und muss somit der Schicht 7 zugerechnet werden. Das Gestein ist im unverwitterten Zustand blass-hellgrau-rosafarben mit zahlreichen ockergelben bis bräunlichen Ooiden und nimmt bei Verwitterung einen ockergelben Farbton an. Die Schicht ist fest mit Schicht 6 verzahnt, wobei der Grenzbereich teilweise durch eine wellig verlaufende, ockergelbe, 2-3 mm dicke Schicht (im Querschnitt: „Band“) markiert wird. DIETZE et al. (2002) führten detaillierte stratigrafische Untersuchungen im – gleichfalls noch zur Sengenthal-Formation zu stellenden – Parkinsonien-Oolith des schwäbischen Ipf-Gebiets durch und benannten die untere Subzone der Parkinsoni-Zone nach Parkinsonia acris. Eine feinstratigraphische Gliederung für die Lokalität Winnberg/Sengenthal, wie sie für das Ipf-Gebiet bei Bopfingen durchgeführt wurde, steht noch aus bzw. wird aufgrund stärkerer Kondensation am Winnberg teilweise nicht möglich sein.

 

Beschreibung und Fotos des ersten Exemplars
Das erste Exemplar wurde von mir anpräpariert und von Martin meisterhaft fertig präpariert (Abb. 1). Der gut erhaltene Mikroconch hat einen Durchmesser von 29 mm und eine maximale Dicke von 13 mm. Der Windungsquerschnitt ist breit-trapezoid, die Innenwindungen sind deutlich coronat ausgebildet, der Nabel ist entsprechend tief eingesenkt. Die Rippen sind kräftig und mäßig weitständig angeordnet, sie sind fast rein dichotom mit Spaltpunkt etwa in Flankenmitte und nur sehr vereinzeltem Auftreten von Schaltrippen. Beim vorliegenden Exemplar sind die Rippen etwa geradlinig leicht nach vorn gerichtet, was ein „ruhigeres“ Bild ergibt als beim zweiten Exemplar. Auf dem Venter stehen sich die Rippen sehr stumpfwinklig gegenüber und bilden ein kleines Dörnchen aus. Sie nähern sich so stark an, dass nur eine äußerst schmale freie Rinne auf dem Venter verbleibt. Im Bereich der Innenwindungen sind die Rippen auf der gerundeten Nabelkante auffallend prominent, sie bilden auf dem Innenbug jeweils einen Knoten bzw. einen kleinen Dorn aus. Hier trägt etwa jede zweite bis dritte Rippe einen weiteren, kräftigen Dorn am Rippenspaltpunkt, so dass ein Bild doppelt bedornter Rippen entsteht. Dies ist bei diesem Exemplar erhaltungsbedingt nur undeutlich zu erkennen, da sich die Schale teilweise vom Steinkern gelöst hat.

 

01 Paragarantiana alticosta m

Abb. 1 a und b: Paragarantiana alticosta (m), 29 x 13 mm.

 

Beschreibung und Fotos des zweiten Exemplars (Abb. 2)
Das Stück hat einen Durchmesser von 30 mm und eine maximale Dicke von 13,5 mm. Die Apophyse ist auf der einen Seite gut, auf der anderen nur rudimentär erhalten. Die beim ersten Exemplar ge-schilderten Merkmale finden sich auch bei diesem Fund, lediglich der Verlauf der Rippen ist unterschiedlich: Sie schwingen erst etwas stärker nach vorn und sind dann ab ihrem Spaltpunkt in deutlichem Knick mehr nach rückwärts gerichtet. Der Ammonit weist auf der etwas schlechter erhaltenen, rückwärtigen Seite zwei pathologische Befunde auf: Hier findet sich, etwa zwischen 12 Uhr und 3 Uhr, ein pathologisches leichtes Einwärtspendeln der Wohnkammer, was sich in der Ansicht von vorn in einer leicht reduzierten Windungshöhe zeigt. Ferner findet sich, exakt ein Umgangsviertel vor der Mündung, eine Rippenanomalie mit zwei etwas weitständigeren Rippen mit verstärktem / unregelmäßigem Knick vor dem Venter.

 

02 Paragarantiana alticosta m

Abb. 2 a-c: Paragarantiana alticosta (m), 29x13 mm. Abbildung vergrößern.

 

02 Paragarantiana alticosta m 2

Abb. 2 d: Ventrale Ansicht mit Fokus auf den Mündungsbereich des 29 x 13 mm großen Ammoniten der Art P. alticosta (m).

 

Fotos des vermutlichen makroconchen Partners Paragarantiana alticosta (WETZEL, 1911) (Abb. 3)
Zum Vergleich zeige ich in Abb. 3 den vemutlichen makroconchen Partner der oben beschriebenen Mikroconche, P. alticosta (WETZEL, 1911). Das Stück stammt vom selben Fundort und aus derselben Fundschicht. Das Stück aus der Sammlung von Dr. Martin Görlich weist einen Durchmesser von 50 mm und eine maximale Dicke von 20 mm auf. Die für die beiden Mikroconche oben geschilderten Merkmale treffen weitgehend auch für diesen Makroconch zu, wobei das Berippungsbild etwa in der Mitte zwischen den beiden Mikroconchen liegt.

 

3 Paragarantianaalticosta M

Abb. 3 a-c: Paragarantiana alticosta (M), 50 mm. Abbildung vergrößern.

 

Diskussion
Für die systematische und stratigrafische Einordnung der beiden Mikroconche ist vor allem die Arbeit (3) interessant. Die von uns gefundenen Mikroconche ähneln morphologisch dem in dieser abgebildeten Mikroconch von P. sullyensis. Die in Sengenthal zweifelsfrei schichtgleich überlieferten Makroconche der Arten P. coronata und P. alticosta ähneln jedoch nicht dem in (3) abgebildeten Makroconch von P. sullyensis. Letzterer ist flacher, in den Innenwindungen weniger coronat und weniger bedornt. Bei vielen Ammonitengattungen verhalten sich die Mikroconche konservativer als die Makroconche und sind sich deshalb ähnlicher und dementsprechend schwierig zu unterscheiden.
Wir weisen deshalb die beiden hier beschriebenen Mikroconche vom Winnberg vorläufig der Art P. alticosta zu und betrachten P. coronata als Variante von P. alticosta.
In der soeben erschienenen Teilrevision des Treatise weist HOWARTH (4) die Gattungen Garantiana, Hlawiceras, Subgarantiana, Odontolkites, Pseudogarantiana und Paragarantiana vereinfachend wieder der Gattung Garantiana zu.
Stratigrafisch stammen der Holotypus und die meisten Exemplare von Paragarantiana sullyensis [M & m] aus der Normandie (vgl. Arbeit (3)) aus dem jüngsten Bereich der Garantiana- und dem ältesten Bereich der Parkinsoni-Zone, weshalb diese Autoren die Art auch als die älteste Art der Gattung Paragarantiana betrachten. Bei den Funden aus Sengenthal dürfte es sich um geringfügig jüngere Vertreter der Gattung Paragarantiana handeln.

 

Dank
Für die Begutachtung, systematische und stratigrafische Einordnung der beiden Mikroconche danke ich dem Experten für Sengenthal-Fossilien Dr. Martin Görlich sehr herzlich. Ebenso herzlich danke ich Volker Dietze, der mit seiner Expertise für Mitteljura-Ammoniten entscheidende Verbesserungen am Text angebracht hat. Eine wissenschaftliche Beschreibung ist in Vorbereitung.

 

Abschließend eine große Bitte:
Wir bitten alle Leser, die vergleichbare Stücke mit Apophyse (mikroconche Garantianen aus der basalen Parkinsoni-Zone) mit Apophyse, auch von anderen Lokalitäten, besitzen, um Zusendung von Fotos an:


Dr. Danylo Kubryk (Kirchheim b. München), im April 2017, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Dafür herzlichen Dank!

 

Literatur


1. CALLOMON, J. H., DIETL, G ., GÁLACZ, A., GRADL H., NIEDERHÖFER, J. & ZEISS, A. (1987):  Zur Stratigraphie des Mittel- und unteren Oberjuras in Sengenthal bei Neumarkt/Opf. (Fränkische Alb). – Stuttgarter Beitr. Naturk., Serie B, Nr. 132, S. 1– 53.

2. DIETZE, V., SCHWEIGERT, G., CALLOMON, J. H. & GAUTHIER, H. (2002): Garantiana- und frühe Parkinsoni-Zone (Ober-Bajocium, Mittlerer Jura) am Ipf (östliche Schwäbische Alb, SW-Deutschland) mit Bemerkungen zur Phylogenie der Ammonitengattung Garantiana Mascke, 1907. – Stuttgarter Beitr. Naturk. Ser. B Nr. 315, S. 1–89.

3. FERNÁNDEZ-LOPEZ, S. & PAVIA, G. (2016): Paragarantiana and other new latest Bajocian garantianin lineage (Ammonoidea, Middle Jurassic): A case of proterogenesis and neoteny. – N. Jb. Geol. Paläont. Abh. 282/3 (2016): S. 225-249.

4. HOWARTH, M. K. (2017): Part L, Revised, Volume 3B, Chapter 6: Systematic Description of the Stephanoceratoidea and Spiroceratodea. – Treatise Online, 84, S. 1–101.

 

 


 

 

heft38 der steinkern xxxx

Der Steinkern - Heft 39: Sengenthal Spezial

Der Steinbruch am Winnberg bei Sengenthal (Oberpfalz, Bayern) zählt zu den weltweit bedeutendsten Fundorten für marine Jura-Fossilien. Die vorzügliche Schalenerhaltung der Ammoniten, Schnecken und Muscheln aus dem Bajocium und Bathonium (Mittlerer Jura) des Winnbergs macht den besonderen Reiz der Lokalität aus. Die Schichtenfolge des Steinbruchs, der sich nach Einstellung des Gesteinsabbaus für die Zementproduktion zu einem Naturparadies entwickelte, reicht vom Aalenium bis hinauf ins Oxfordium (Oberer Jura). Im Jahr 2014 erhielt ein zwölfköpfiges Steinkern-Team die Erlaubnis zur Durchführung einer mehrtägigen Grabung in den fossilreichen Schichten des Parkinsonienooliths und des Garantianenooliths, die im Heft dargestellt wird. Darüber hinaus erfahren Sie viel Wissenswertes über Abbauhistorie, Stratigrafie und Fossilführung des Steinbruchs. Beschreibungen der ergrabenen Schichten sowie 34 Tafeln mit Fotos der Funde vermitteln einen Eindruck von Faunenzusammensetzung, Fossilerhaltung und Fundhäufigkeit. Das Heft eignet sich auch zur Orientierung beim Bestimmen eigener Funde aus dem Bajocium Sengenthals.

 

Erscheinungsjahr 2019, ISSN 1867-8858, 100 Seiten, Format DIN A5, Farbdruck

 

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