Oberer Jura

Fisch frisst Krebs: Ein Anaethalion, der es in sich hat

Schon in den 1990er-Jahren hatten Jens Lehmann und ich in der Zeitschrift FOSSILIEN über ein Stück berichtet, bei dem sich in der Leibeshöhle eines Knochenfischs der Art Anaethalion angustus ein Krebs befindet, der offensichtlich gefressen wurde (RESCH & LEHMANN 1994). Zum damaligen Zeitpunkt ein einmaliges Stück. Seitdem sind einige vergleichbare Stücke bekannt geworden. Eines dieser nach wie vor außergewöhnlichen Fossilien soll hier vorgestellt werden.

 

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Abb. 1: Gesamtansicht des zirka 11 cm langen Fisches aus Wegscheid auf Matrix.

 

Das Fossil

Es handelt sich um eine Platte aus Wegscheid, die vermutlich aus den unteren Lagen stammt. Das Fossil war ursprünglich teilweise verspalten und der Krebs zu dem Zeitpunkt noch nicht zu sehen. Im Rahmen der Präparation wurde das Stück wieder zusammengeklebt und durchpräpariert. Dabei fiel mir eine seltsame Beule in der Magengegend auf. Als man mich nach gelungener Präparation zu dem Thema zu Rate zog, war die „Diagnose“ leicht zu stellen. Zwischen Genital- und Afterflosse ist sehr schön der Schwanzfächer eines Krebses zu erkennen. Eine genauere Untersuchung ergab, dass das letzte Abdominalsegment des Krebses etwas verlängert ist, was den Schluss zulässt, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Antrimpos handelt.

 

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Abb. 2: Anaethalion mit gefressenem Krebs im Bauch, Privatsammlung, Eichstätter Bruchrevier.

 

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Abb. 3: Hinter der Genitalflosse des Anaethalion zeigt sich bei genauem Hinsehen der Schwanzfächer eines Krebses. Ansicht vergrößern.

 

Zahlenspiele

Der Fisch ist ca. 11 cm lang, der Schwanzfächer des Krebses im Bauch des Fisches ca. 1 cm. Rechnet man anhand des Vergleichs mit vollständigen Krebsen die zu erwartende Gesamtkörperlänge hoch, kommt man auf ca. 9,3 cm.

 

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Abb. 4: Dieses Foto verdeutlicht die Dimensionen des Fisches und des Schwanzfächers des Krebses im Magen des Fisches.

 

Der Räuber hat also in diesem Falle eine Beute geschluckt, die nah an die eigenen Abmessungen heranreicht, was in dieser Form eher ungewöhnlich ist. Zwar kennt man rezente Fische wie den Schlinger, die Beute verschlucken können, welche größer ist als sie selbst, doch haben diese eine ganz andere Anatomie als Anaethalion, der kein überdimensionial großes Maul hat und dessen Bauchregion auch nicht so dehnfähig aussieht, als dass man ein ähnliches Aufnahmevermögen vermuten würde.

Bei dem Exemplar aus der Sammlung F. Starke (Abb. 5), das bereits 1994 publiziert wurde, erscheinen die Proportionen zwischen Räuber und Beute „stimmig“, was man auch bezüglich des Exemplars sagen kann, welches in der Archaeopteryx-Ausstellung in Houston zu sehen war.

 

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Abb. 5: 14 cm langer Anaethalion angustus mit Krebs im Magen, Abbildungsoriginal zu RESCH & LEHMANN (1994). Foto und Sammlung: Falk Starke

 

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Abb. 6: Ausschnittsvergrößerung von Abb. 5 mit Blick auf den Mageninhalt. Ansicht vergrößern. Foto: Falk Starke

 

Schlussfolgerungen

Es gibt einige „Aspirationsfunde“ aus den Plattenkalken. In Ettling sind sie sogar sehr häufig. Schöne Exemplare sind z. B. im Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen (Caturus frisst Tharsis) und auch im Aquazoo in Bochum (dito), wo Teile der Sammlung Leich gezeigt werden, zu sehen. In der Stiftssammlung des Bischöflichen Priesterseminars Eichstätt gibt es einen Asthenocormus mit ca. 170 cm Länge, in dessen Magenregion sich Sprotten befinden. LEICH 2013 kommt zu dem Schluss, dass es sich bei dieser Gattung um einen Planktonfresser handeln könnte. Im Institut für Geowissenschaften in Göttingen wird ein Schnabelfisch der Gattung Aspidorhynchus aufbewahrt, dem ein „Furo“ aus dem Maul ragt. RESCH 2009 beschreibt einen Caturus mit einem großen Fisch im Bauch, bei dem es sich um einen Tharsis oder Thrissops handeln müsste.

Schaut man sich die Aspirationsfunde der zentralen Plattenkalke an, so fällt auf, dass manches „Pärchen nicht so ganz passt“ - damit ist gemeint, dass Räuber und Beute nicht so ganz zueinander passen.

Bertrachtet man Anaethalion genauer, fallen ebenfalls einige Merkmale auf:

  • kompakter Körper,

  • verhältnismäßig großer Kopf,

  • kräftige Schwanzflosse, vermutlich schneller Schwimmer,

  • kleine, dafür aber viele Zähne.

 

Anaethalion scheint eine Fischgattung zu sein, bei der die Chance auf Funde mit gut determinierbarem Mageninhalt relativ hoch ist. Jedenfalls sind nach eigenen Beobachtungen derartige Entdeckungen deutlich häufiger als beispielsweise bei der Gattung Caturus.

In der ersten Beschreibung aus den 1990er-Jahren in der Zeitschrift FOSSILIEN kamen die Autoren zu dem Schluss, dass der Fisch an seiner Beute erstickt sei.

Mir sind mittlerweile sechs Exemplare von Anaethalion bekannt, die „´was drin haben“. Lediglich in einem Fall handelt es sich bei der Beute um einen Knochenfisch. Alle anderen Fische haben einen Krebs im Magen.

Da drängt sich einem förmlich die Frage auf, ob Krebse vielleicht das reguläre Beuteschema dieser Fischgattung sind und Fische vielleicht der Ausreißer?

Die gefressenen Krebse lassen sich kaum noch auf Gattungsebene bestimmen, wohl aber lässt sich erkennen, um welche Familie es sich handelt. Es sind sowohl Vertreter der bodenbewohnenden Reptantia als auch der Schwimmkrebse darunter. Damit ist klar, dass der Räuber in der gesamten Wassersäule aktiv gewesen sein muss, um sich mit Krebsen als Nahrung zu versorgen.

Es kann aber auch sein, dass man die Krebse deshalb so „häufig“ in Anaethalion findet, weil nichts anderes zum Fressen zur Verfügung stand. Doch warum findet man Krebse nicht in ähnlicher Häufigkeit im Magen anderer Fischgattungen?

Es wird weiterer Funde und weiterer Untersuchungen bedürfen, um die aufgeworfenen Fragestellungen konkret beantworten zu können.

 

Literatur

LEICH, H. (2013): Riesenfisch aus den Solnhofener Plattenkalken, in: FOSSILIEN 1/2013, S. 35-38.

RESCH, U. & LEHMANN, J. (1994): An seiner Beute erstickt, in: FOSSILIEN 1/1994, S. 19.-20.

RESCH, U. (2009): Caturus mit Fisch im Bauch, in: FOSSILIEN 5/2009, S. 264-265.