Unterer Jura

Vom Fund einer Balanocrinus-Krone am Thorncombe Beacon


Abstract

In April 2011 I went on a trip to Dorset. I visited most of the well known Lower Jurassic cliffs, including the Thorncombe Beacon near Eype. There my parents, who accompanied me, discovered a large block containing some sea lily stems . Nothing incredibly exciting, but it was definitely worth taking a photo of it. In the course of the day we found some well-preserved ammonites – so it was a good hunting trip. In the evening we took a look at our photos of the day on the laptop and I discovered a little part of a crinoid crown on the photograph. So we had to go back to Thorncombe Beacon in order to recover the crinoid. I relocated the crinoid block and employing hammer and chisel it was easy to extract the crinoid. Using the sandblast in rotation with the pneumatic stylus, I prepared the crinoid crown. It´s length is about 45 mm and it is identified as a Balanocrinus cf. gracilis. With the help of Amaltheus parts in the same block the find can be stratigraphically classified as belonging to the zone of Amaltheus margaritatus (Upper Pliensbachian).


Die Fundstelle

Der Thorncombe Beacon ist eines der Kliffs im Unteren Jura der südenglischen "Jurassic Coast". Er ist weniger bekannt als die Fundstellen bei Charmouth und Lyme Regis, bietet aber ebenso gute Fundmöglichkeiten. Die Schichten an der südenglischen Küste verjüngen sich von West nach Ost. Der Thorncombe Beacon liegt einige Kilometer östlich der maßgeblichen anderen Unterjura-Fundstellen und erschließt entsprechend ein jüngeres Schichtspektrum. Der größte Teil des Kliffs wird aus einer Wechselfolge von tonigen und sandigen Schichten des Oberen Pliensbachiums (Margaritatus-Zone) gebildet. Am Fuß finden wir den tonig ausgebildeten  "Eype Clay", der Geoden mit überwiegend kleinen Amaltheen enthält. In den darüber liegenden Thorncombe Sands gibt es eine Lage mit Schlangensternen (ich fand zwei Belegexemplare!) und den sog. "Margaritatus Stone", der vor allem wunderschöne kalzitische Amaltheen enthält. Die nach oben anschließenden Thorncombe Sands enthalten kaum sammelwürdige Fossilien. Die Schichtfolge von der Apyrenum-Subzone des Oberen Pliensbachiums bis zur Striatulum Subzone des Toarciums ist auf rund einen Meter kondensiert und enthält eine dementsprechende Vielzahl verschiedener Fossilien, deren Erhaltung jedoch durchwachsen ist. Weiter oben folgen Ablagerungen des zur Levesquei Subzone gehörigen Down Cliff Clay und der Bridport Sands, die den Übergang vom Unteren zum Mittleren Jura beinhalten.

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Abb. 1: Der Thorncombe Beacon – man kennt diese Fundstelle auch unter dem Namen "Eype" oder "Eypes Mouth" (von dort erfolgt der Zugang zum Kliff). Foto: Hermann Simonsen

Der Thorncombe Beacon wird von Touristen kaum besucht. Hierher verirren sich fast nur eingefleischte Fossiliensammler und die einheimischen Profi-Sammler. Der Strandstreifen ist mit Geröllen übersät, so dass die Fortbewegung relativ beschwerlich ist. Auch sind die Möglichkeiten zum Auflesen von Fossilien eher gering. Man ist meist darauf angewiesen interessante Gesteinsbänke im Versturzmaterial vor dem Kliff aufzuspüren und diese sodann aufzuklopfen. Je schwerer das Werkzeug, desto besser...

Bei unserem Besuch Mitte April 2011 konnten wir einige Fossilien aus dem "Junction Bed", so wird die oben genannte kondensierte Schichtfolge genannt, bergen. Auch fand ich einige kleinere Blöcke mit Amaltheen. Einer von diesen hatte es in sich und gab nach ausgiebiger Bearbeitung mit dem Fäustel gleich mehrere gute Exemplare von Amaltheus margaritatus frei. Die Suche war zwar insgesamt recht mühsam, da es beim ersten Besuch ohne Einweisung durch einen Spezialisten noch etwas schwer fällt, die richtigen Gesteine zu erkennen, aber es hatte sich mit diesem einen fundhöffigen Block bereits für uns gelohnt. Ab und zu fanden wir am sog. "Hope Corner" – so werden einige bei Ebbe freiwerdende größere Gerölle am Thorncombe Beacon, in nicht allzu weiter Entfernung vom Strandzugang bei Eype, genannt – Knollen mit abgerollten Crinoidenstielgliedern.
Meine Mutter entdeckte etwas weiter in Richtung Seatown einen großen Gesteinsklotz, der eine knapp einen Dezimeter dicke Schicht mit Crinoiden und Muscheln beinhaltete. Da ich mich gerade mit anderen Gesteinsbrocken beschäftigte, warf ich nur einen kurzen Blick auf diese Schicht mit vielen freigewaschenen Details von Seelilien und einem mehrere Zentimeter langen Stielglied. Meinem Vater riet ich dazu, einige Fotos von den Seelilienstücken zu machen und setzte meine Arbeiten fort. Die Seelilienstiele beließen wir im Gelände.


Entdeckung auf dem Laptop
Um die Speicherkarten unserer Digitalkameras nicht zu überfrachten, haben wir die Fotos in der Ferienwohnung jeden Abend auf den Laptop umgelagert. Bei der Nachbetrachtung des Tages würdigten wir auch noch einmal die schönen, von Gezeiten, Wind und Wetter aus dem Stein herausmodellierten Seelilienstielglieder.
Aber was sah ich...? Unzweideutig – es befand sich ein Kelchansatz im Stein!


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Abb. 2: Seelilienstielglieder – und über dem (nachträglich von mir eingefügten) roten Punkt! befindet sich der Kelchansatz. Foto: Hermann Simonsen

Die "Randnotiz" von den Seelilienstielgliedern wurde auf einmal zum "main event of the evening". Zum Glück befand sich der große Block in markanter Umgebung – ich wusste noch exakt wo er lag. Doch war ich mir nicht sicher, ob mein bescheidenes Meißelsortiment eine Bergung aus dem kubikmetergroßen Block möglich machen würde. Da Seelilienkronen im Unteren Jura im Allgemeinen große Seltenheiten darstellen, stand dennoch sofort fest: wir mussten noch mal hin und versuchen den Kelch herauszumeißeln. Unser Vorteil war, dass wir bis zur Abreise noch drei Tage Zeit hatten – der zweite Besuch am Thorncombe Beacon war daher noch gut im Reiseprogramm unterzubringen.


Bergung im Gelände
Nach einem halbtägigen Besuch der klassischen Fundstelle Burton Bradstock (Unterer und Mittlerer Jura) fuhren wir am Nachmittag nach Seatown, um uns von Westen aus dem Thorncombe Beacon anzunähern. Der Weg um das Down Cliff und den Doghouse Hill herum, erwies sich dabei als äußerst beschwerlich. Mein Vater kehrte auf halbem Wege um und setzte den Wagen nach Eype um. So blieb mehr Zeit für die Bergungsaktion und doch hatten wir noch einmal weitere uns noch unbekannte Kliffs zumindest "en passant" besichtigt. Ich fand den Seelilienblock wieder und die Bergung konnte beginnen.


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Abb. 3: Der Kelch war am übernächsten Tag noch da! Jetzt musste er nur noch aus dem Block geborgen werden.

Mit Schutzbrille, Fäustel und Meißel ausgestattet, legte ich den Brocken um den unerwartet kleinen Kelchansatz herum (bei Fossilfotos im Gelände sollte man immer einen Größenvergleich daneben legen!) großzügig frei. Da ober- und unterhalb der Crinoidenschicht eine deutliche Trennfuge bestand, war die Bergung unproblematischer als erwartet.


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Abb. 4: Der Kelch wird mit etwas Matrix mittels Meißeln von der Umgebung isoliert.


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Abb. 5: Ein paar Schläge noch und einmal hebeln...

Der Kelchansatz konnte in einem Handstück zusammen mit dem langen Stielglied wunschgemäß und ohne Komplikationen geborgen werden.

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Abb. 6: ... und der Seelilienkelch kommt in einem handlichen Gesteinsbrocken samt Stielgliedern frei.

Es stellte sich heraus, dass die Rückseite des losgelösten Blocks voller Muscheln steckte. Vereinzelt waren auch Amaltheen beim Freimeißeln aufgetaucht, womit die stratigrafische Einordnung dieser Schicht in die Zone des Amaltheus margaritatus gesichert ist.


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Abb. 7: Das Timing hat gestimmt - zur Belohnung gab es noch einen herrlichen Sonnenuntergang am Thorncombe Beacon zu sehen. Im Hintergrund zeichnet sich das Golden Cap gegen den Abendhimmel ab.


Präparation
Kaum zurück aus England, war der Seelilienkelch eines der ersten Objekte, welches ich aus den Fundkisten herauskramte. Ammoniten habe ich schon einige gefunden und präpariert, aber Seelilienkronen? Die Neugier war demgemäß recht groß und ich begann sogleich mit der Freilegung. Mit dem Strahlgerät ließ sich lediglich die äußere Verwitterungskruste von wenigen Millimetern Dicke einfach herunterpusten. Danach musste der Druckluftstichel für den weiteren Gesteinsabtrag herhalten. Leider gab es keine Trennfuge zum Fossil. Ich tastete mich in winzigen Abschnitten mit dem Stichel vor, strahlte dann wieder etwas frei, bis sich zeigte, in welche Richtung der Kelch sich fortsetzte. Insgesamt stellte sich eine völlig andere Lage im Gestein heraus, als ich sie ursprünglich angenommen hatte. Objekte, die ich anfangs für Arme gehalten hatte, entpuppten sich als nicht zum Kelch gehörige Cirren – der Kelch setzte sich dagegen tief in den Stein hinein fort. Gut dass ich den Stein in relativ großzügiger Abmessung geborgen hatte! Auch war mir im Vorhinein nicht klar, welche Form der Kelch haben würde und ob die Arme erhalten wären bzw. ob diese geschlossen oder geöffnet vorliegen würden. Aufgrund der Härte des Gesteins dauerte die Freilegung mit dem Wechseln von Stichel auf Strahlgerät einige Stunden. Bei einer Länge von 45 mm endete die Krone schließlich – ein vollständiger "Baby-Maiskolben". Die Oberflächenerhaltung ist angesichts der nicht gerade schonenden Freilegung zwar nicht perfekt, aber immerhin noch als respektabel zu bezeichnen. Alles in allem ist es für mich ein tolles Fundstück!


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Abb. 8: Gesamtansicht des Brockens mit der herausmodellierten Seelilienkrone.


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Abb. 9: Detailfoto mit umgebenden Stielgliedern.


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Abb. 10: Blick auf den – zum Teil bereits im Gelände freiliegenden - Kelchansatz der Balanocrinus.


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Abb. 11: Gesamtansicht der herausgearbeiteten Krone von Balanocrinus cf. gracilis (Charlesworth), Länge: 45 mm.


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Abb. 12: Rückwärtige Ansicht des Gesteinsstücks mit der Seelilienkrone: Es sind zahlreiche Muscheln und einzelne Seelilienstiele im Gestein eingelagert.


Bestimmung
Ich vermutete anhand des langen auf der Gesteinsmatrix befindlichen Stielglieds, von dem ich annehme, dass es ehemals zur Krone gehörte, eine Stellung zu Balanocrinus gracilis (Charlesworth), die auch aus der Margaritatus-Zone von Eype bekannt ist (Fossils from the Lower Lias of the Dorset Coast, S. 305, Taf. 56, Abb. 15 und 16).
Andreas Schmidt, Karsten Genzel und Brandon Lennon bestätigten die Stellung der Krone zur Gattung Balanocrinus. Ich bezeichne die Krone daher bis auf Weiteres als Balanocrinus cf. gracilis (Charlesworth). Sollte es einen Kenner der Seelilien des Unteren Jura geben, der mir weitere Hinweise hinsichtlich der Bestimmung und des Seltenheitswerts dieses Fundes geben kann, würde mich das sehr freuen.
In der Sammlung von Andreas Schmidt (Stade) gibt es eine Stufe mit mehreren geöffneten Kronen der Seelilie Balanocrinus vom Thorncombe Beacon. Interessanterweise ist dieses Fundstück aus der Sammlung von Andreas das bei weitem Bemerkenswerteste was die Internetsuche zum Thema Balanocrinus-Kelche preisgibt. Dies deutet darauf hin, dass Kronen von Balanocrinus in Eype in einer speziellen Schicht häufiger vorkommen dürften. Zufällig haben wir bei unserem ersten Besuch einen Block mit der Schicht entdeckt. An anderen Fundorten scheint Balanocrinus kaum oder gar nicht durch Funde von Kronen belegt zu sein – zumindest erbrachte die Internetsuche, die inzwischen schon einen gewissen Aussagewert hat, keine Ergebnisse. Falls jemand eigene Funde von Eype oder anderen Fundorten besitzt, wäre es schön über das Steinkern.de Forum davon zu erfahren. Über Fotos würde ich mich freuen.


Danksagung
Mein Dank gilt Karsten Genzel, Brandon Lennon und Andreas Schmidt für die Bestätigung der Zuordnung der Seelilienkrone als Balanocrinus sowie Roger Furze für das Korrektur lesen der englischsprachigen Kurzfassung meines Artikels. Insbesondere danke ich meinen Eltern, ohne die ich die Krone nicht entdeckt hätte. Es ist das erste Fossil was ich zunächst am Computer und erst dann im Gelände gefunden habe. Willkommen im digitalen Zeitalter!

Hinweis in eigener Sache
Inzwischen habe ich einen vollständigen Bericht über meine Dorset-Exkursion in unserer Zeitschrift publiziert. Das Literaturzitat lautet:

SIMONSEN, S. (2012): Eine Exkursion in den Unteren Jura von Dorset (S. 18-39), Der Steinkern, Heft 8, S. 18-39.


Weitere nützliche Literatur zum Thema "Fossilien sammeln in Dorset":

Dietze, V. & Chandler, R.B. (1996): Dorset für Fossiliensammler, in: FOSSILIEN 4/96, S. 233-246.

Lord, A. R. & Davis, P. G. (Hrsg.) (2010): Fossils from the Lower Lias of the Dorset Coast, The Palaeontological Association, London 2011.


Fotos (soweit nicht anders angegeben) und Bericht: Sönke Simonsen