Unterer Jura

Ein Microderoceras birchi vom Black Ven in Dorset

English Abstract

During my second journey to the Jurassic Coast in Dorset, which is counted amongst the world’s most famous fossil hunting sites, I visited the Black Ven cliff between Charmouth and Lyme Regis a few times. One of my aims at this locality was to find a well preserved specimen of the liassic ammonite Microderoceras birchi, which is mainly characterized by two lines of spines. It wasn´t easy in 2012 because I visited the site at a very dry period after a comparatively warm winter, so there weren´t as many new cliff falls as I had expected after the winter. Using a club hammer (gloves and a safety goggle) I split a lot of nodules belonging to the Sinemurian "Birchi Tabular" and "Birchi Nodular" which are situated at the boundary of the Shales-with-Beef and the Black Ven marls. After splitting more than a dozen of the nodules I found only some large pieces of wood, and fragments as well as a few small specimens of Microderoceras, but then I discovered a nodule which had been polished by the sea over some month or years. It contained a cross section of an ammonite. I split the nodule as carefully as possible by using a rock hammer at the seashore. The ammonite seemed to be nearly complete, so I took it with me. Some month later I started to prepare the ammonite by using a pneumatic stylus and an air abrasive with iron powder. In this report I show photos of the strata where the ammonite comes from and a short documentation of the preparation progress. The last photo of the ammonite is shown three-dimensionally - you can view it wearing anaglyph glasses.

 

Kurzfassung

Im März 2012 besuchte ich zum zweiten Mal die Kliffs des Unteren Jura an der südenglischen "Jurassic Coast", darunter auch Black Ven. Über meine erste England-Exkursion hatte ich ausführlich in Der Steinkern (Heft 8, S. 18-39) berichtet. Beim zweiten Besuch des Black Ven spaltete ich abermals viele der oft brotlaibförmigen Konkretionen aus dem Sinemurium der Birchi Subzone auf. Relativ erfolglos - der beste Fund glückte mir anschließend als Lesefund. Das Microderoceras birchi steckte in einer halben Konkretion und war bereits von der Brandung angeschliffen, so dass man ihn bereits vor dem Aufschlagen erahnen konnte. Vorsichtiges Aufschlagen der Konkretion mit dem Geologenhammer zeigte, dass es sich um einen gut erhaltenen Ammoniten handelte. Dieser wurde später mit Druckluftstichel und Sandstrahlgerät präpariert, wobei noch einige kleinere Ammoniten im Gestein entdeckt wurden. Der Bericht zeigt den Fundort sowie die Fundschichten und dokumentiert den Präparationsverlauf. Abschließend wird ein 3D-Foto des Ammoniten gezeigt.

 

Die Fundstelle

Der durch seinen weiten Nabel und zwei Dornenreihen gekennzeichnete Ammonit Microderoceras birchi ist im Übergangsbereich von den Shales-with Beef zu den Black Ven Marls zu finden. Dieser Bereich ist am Black Ven geradezu ideal aufgeschlossen. Eine oder mehrere Geodenlagen ("Birchi Nodular") und eine darauf folgende Bank mit einzenmentierten Geoden ("Birchi Tabular") lassen sich am Black Ven verfolgen. Von Charmouth im Osten bis nach Lyme Regis im Westen steigt diese Schicht im Profil weithin gut sichtbar auf. Bei Charmouth beginnen die Schichten knapp oberhalb des Strandniveaus. Besonders auf der Charmouth zugewandten Ostseite des Black Ven finden sich die Hartsteinbänke und Konkretionen aus diesem Schichtspektrum dementsprechend zahlreich im Versturzmaterial am Fuße des Kliffs. Offenbar werden nur ausgewählte Konkretionen von den einheimischen "Professionals" aufgeschlagen, so dass der "Sammel-Tourist" normalerweise genügend noch nicht aufgeklopftes Material vorfindet. Dies mag seinen Grund darin finden, dass das Aufspalten der in der Hartsteinbank eingebetteten Konkretionen des Birchi Tabulars recht kräftezehrend und der zu erwartende Ertrag eher gering ist. Die Fundfrequenz dürfte in den wohlgeformten rundlichen Knollen wesentlich besser sein. Diese finden sich am Strand daher kaum, während man sie im Kliff unterhalb des Birchi Tabulars in nicht geringer Menge, leider aber unerreichbarer Höhe prangen sieht. Ohnehin darf im Kliff bereits seit Jahren nicht mehr gegraben werden, da es als Teil des UNESCO Welterbes besonderen Schutz genießt. Doch auch das herabfallende Material ermöglicht manchmal reiche Funde. Während der Exkursion eines Sammlerkollegen aus Bielefeld ereignete sich Ende März (also kurz nach meinem Besuch) ein Hangsturz in diesen Schichten, aus dem mehr als ein halbes Dutzend sehr guter Microderoceraten geborgen werden konnte - ein absoluter Glücksfall genau zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein! Meine eigene Ausbeute war bescheidener, aber dennoch mehr als zufriedenstellend.

 

 

 

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Abb. 1: Blick in Richtung Osten auf den Black Ven. Die markante Bank- bzw. Knollenlage im Top der untersten Steilstufe führt Microderoceras birchi, den Subzonen-Leitammoniten des oberen Teils der Caenisites turneri-Zone.

 

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Abb. 2: Vom Meer angeschliffene, etwa 40 cm große, unvollständige Konkretion, wie man sie unterhalb des Black Ven häufig findet. Im seitlichen Querbruch zeigt sich rechts unten ein Holzstück. Insgesamt fand ich wesentlich mehr Hölzer als Microderoceraten. Darunter regelrechte Holzscheite von Sammlungsqualität, auf deren Mitnahme ich allein wegen unserer begrenzten Zuladungsmöglichkeiten verzichtete.

 

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Abb. 3: Viele Microderoceraten aus dem Birchi Tabular sind bruchstückhaft erhalten, durch Kalzitadern unterbrochen, partiell oder ganz mit Sinterkrusten überzogen, innen hohl usw. Dieses zirka 10 cm große Exemplar mag Pate stehen für die typische Erhaltung. Einerseits enttäuschend, speziell dann wenn man ein "perfektes Exemplar" erwartet, aber fast spannender zu betrachten als ein solches, oder?

 

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Abb. 4: Aufgeschlagene Konkretion mit von Kalzit ausgefüllten Schwundrissen und fossilem Holz.

 

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Abb. 5: Profilansicht von Black Ven nahe dem Strandzugang von Charmouth. Unterhalb des auffälligen und fast durchgängig bankartig erscheinenden Birchi Tabular befinden sich die großen Birchi Knollen. Man kann sie sich in ihren Ausmaßen, den in ihnen gebotenen Erhaltungsmöglichkeiten für Fossilien und in der Gesteinsbeschaffenheit ähnlich vorstellen wie die bekannten Laibsteine aus dem Raum Altdorf/Neumarkt. Die Birchi Knollen sind jedoch etwas weicher, wie sich deutlich bei der Präparation zeigte. Das in diesem Bericht vorgestellte Microderoceras ließ sich - für mich überraschend - strahlen, was bei Altdorfer Laibsteinen nicht möglich ist. Übrigens sind in den fein geschichteten Birchi-Konkretionen manchmal Insekten enthalten. Es handelt sich um in Landnähe gebildete Ablagerungen. Leider lassen die Konkretionen sich nicht besonders gut lagenweise aufspalten, so dass saubere und gut auf Insektengehalt überprüfbare Trennflächen, die für die Suche nach Insekten ideal wären, eine Ausnahme darstellen. Ich fand 2011 trotz der Widrigkeiten des Spaltverhaltens immerhin einen Käferflügel (Holcoptera giebeli).

Bei meinen Touren zum Black Ven stand jedoch (ehrlich gesagt) die Suche nach dem Ammoniten Microderoceras birchi im Vordergrund. Dieser charakteristische und attraktive Ammonit kommt nur an ganz wenigen zugänglichen Fundstellen vor, noch dazu in solch guter Erhaltung wie an der Jurassic Coast. Bei meinen England-Exkursionen 2011 und 2012 konnte ich jeweils ein gutes Exemplar bergen. Dafür mussten beide Male mehr als ein Dutzend Birchi-Tabulare mit eingelagerten Knollen und Reste von Birchi-Nodularen zerklopft werden.

 

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Abb. 6: Aus dem Rest eines Birchi-Nodulars ragte ein angeschliffener Ammonitenrücken heraus. Zunächst war nicht klar, ob es sich nur um ein Fragment (wie bei manchem angeschliffenen Ammoniten zuvor) oder um einen annähernd vollständigen Ammoniten handelte, so dass die schwere Konkretion vor Ort weiter zerkleinert wurde. Es zeigte sich - unter Schalenverlusten - ein fast vollständiger Ammonit. Da ich eine Strahlpräparation und damit einen Schalentransfer für unmöglich hielt, nahm ich leider den Abdruck (rechts im Bild) nicht mit, zumal der freigeplatzte pyritisierte Bereich im Gelände sehr attraktiv erschien.

 

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Abb. 7: Das Microderoceras birchi vor Beginn der Präparation. Mittig läuft ein schmaler, jedoch zu keiner Zeit ganz aufgebrochener ("zweigeteilt - niemals"), Riss durch die Matrix. Dieser wurde vor den ersten Präparationsarbeiten großzügig mit dünnflüssigem Sekundenkleber getränkt, damit der Ammonit unter den für die Präparation erforderlichen mechanischen Einwirkungen nicht zerbersten konnte.

 

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Abb. 8: Zunächst galt es den Gesteinsüberschuss oberhalb des Ammoniten grob abzutragen. Im Querbruch hatten sich bereits einige juvenile Ammoniten vor der Wohnkammer des großen Ammoniten gezeigt, von denen beim Präparieren weitere zum Vorschein kamen, die zum Teil erhalten werden konnten.

Aus Verzweiflung über die mangelnde Trennung von Fossil und Gestein beim Sticheln legte ich den Ammoniten kurzerhand in die Sandstrahlbox. Es zeigte sich, dass ein Abtrag dünner an der Schale haftender Gesteinspartien mit großzügig bemessenem Strahldruck (ab 5 bar aufwärts, sonst zeigt sich kaum ein Effekt) durchaus möglich ist. Dies war eine wichtige Erkenntnis für den weiteren Verlauf der Präparation. Jetzt galt das Motto: "Soviel sticheln wie (ohne Beschädigungen des Fossils) möglich und so wenig strahlen wie nötig (um nicht unendlich lange für die Freilegung zu brauchen)". Ursprünglich hatte ich auf eine Stichelpräparation des Steinkerns unter Verlust der Schale spekuliert, dass es nun sogar ohne großartigen weiteren Schalenverlust gehen sollte, kam mir entgegen.

 

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Abb. 9: Um die schon sichtbaren "Inseln" herum, wird der Ammonit immer weiter freipräpariert. Versucht man es mit Grobabtrag in noch nicht sichtbaren Bereichen, verschätzt man sich schnell in der Höhe des Fossils. Insbesondere die exponierten Dornen laufen dann Gefahr versehentlich abrasiert zu werden.

 

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Abb. 10: Diese Detailansicht zeigt den Ammoniten nach einer Strahleinheit. Es wurde gestrahlt, soweit es mit vertretbarem Aufwand ging. In diesem Stadium musste der Gesteinsüberstand zunächst wieder mit dem feinsten Spitzmeißeleinsatz des Druckluftstichels reduziert werden ohne das Fossil dabei zu beschädigen, aber doch soweit, dass bei der nächsten Strahleinheit die Fossiloberfläche schnell erreicht wird. Es geht langsam voran, aber jede freigelegte Rippe und jeder erkennbar gewordene Dorn zählen.

 

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Abb. 11: Dieses Bild zeigt die Mühsal der Präparation, lässt aber in den freiliegenden Bereichen bereits erkennen, dass sich der Aufwand lohnen wird. Die weißlichen Stellen am Rande der Wohnkammer sind übrigens beim Präparieren mit dem Stichel gefundene Kleinstammoniten, die zum Teil weichen mussten, weil sie sonst die Freilegung der Kontur der Außenwindung des 14 cm großen Ammoniten vereitelt hätten. Zusätzlich entscheidet der üblicherweise mit dem Entdeckungsmoment verbundene "Sticheltreffer" und dessen Ausprägung darüber, welcher Ammonit auf dem Gestein bleiben darf und welcher nicht mehr zu retten ist. Jeder der schon einmal einen "Ammonitenfriedhof" präpariert hat, weiß diese Art des selektiven Präparierens nachzuempfinden.

Beim weiteren Strahlen mit Eisenpulver zeigte sich, dass der große Ammonit bis ins Zentrum recht ordentlich erhalten ist. Die Matrix wurde geglättet, die kleinen Ammoniten freigelegt und auf dem Gestein belassen, erhält der Microderoceras doch erst durch diese Kleinfauna einen individuellen Stempel gegenüber den zahlreich in den Fossilshops angebotenen Exemplaren.

Nun störte mich nur noch der schmale Riss, der sich schon auf Abb. 7 in der Matrix gezeigt hatte. Die kleinräumigen Fehlstellen entlang des Risses wurden daher mit Gips aufgefüllt, vor dem Kolorieren fotografisch dokumentiert (Abb. 12 und 13) und anschließend mit einem nach Augenmaß farblich an die jeweiligen Partien des Ammoniten angeglichenen Gemisch von Wasserfarben farblich angeglichen.

 

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Abb. 12: Die Risse wurden mit Gips aufgefüllt. Um die Gipsmasse in die Fuge zu drücken, wurden kleine Spatel benutzt. Da dabei immer ein Überstand anfällt, wurde dieser mit einem angefeuchteten Stück Haushaltspapier abgetupft. Die Gesamtfläche der Ergänzung umfasst weniger als ein Hundertsel der Fossiloberfläche, leistet zum Gesamteindruck aber einen dennoch nicht zu vernachlässigenden Beitrag.

 

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Abb. 13: Aufgefüllte Stellen entlang des Risses im Detail.

 

Nach dem Kolorieren des aufgefüllten Risses wurde der Ammonit mit in Aceton gelöstem Mowilith (ein Mischverhältnis von etwa 20:1 ist vollkommen ausreichend) eingepinselt, was ihm einen unaufdringlichen matten Glanz verleiht.

 

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Abb. 14: Das Ergebnis vieler Präparationsstunden:

Microderoceras birchi (Sowerby, 1820), 14 cm Durchmesser, Birchi-Subzone, Turneri-Zone des Sinemuriums am Black Ven.

 

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Abb. 15: Auch die seitliche Ansicht zeigt, weshalb Microderoceras zu den besonders gesuchten Lias-Ammoniten zählt.

 

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Zusätzlich für alle 3D-Liebhaber noch eine Ansicht des Endergebnisses der Präparation in 3D. Bitte eine 3D-Brille aufsetzen; z. B. die unserem Sonderheft "Ammoniten in 3D" beiliegende Faltbrille.

 

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Abb. 16: Der Ammonit mit den vier juvenilen Microderoceras sp. als Farbanaglyph. Das Herauskramen einer 3D-Brille lohnt sich!

 

Erkenntnise für das nächste Microderoceras

Insgesamt steht ein aus meiner Sicht erfreuliches Präparationsergebnis zu Buche und ein schöner Leitammonit kann in die Sammlung eingereiht werden. Für den nächsten Ammoniten der Gattung Microderoceras nehme ich folgende Verbesserungsmöglichkeiten und Erkenntnisse mit:

1) Im Gelände verloren gegangene Schalenabplatzungen soweit wie möglich mitnehmen, ein erfolgreiches Transferieren dürfte machbar sein.

2) Man kann Ammoniten aus den Birchi-Knollen mit Eisenpulver strahlen. 

3) Zwischenzeitliches Wässern des Gesteins über einige Stunden hinweg sorgt dafür, dass dieses sich unmittelbar nach dem Einweichen etwas leichter strahlen lässt. Man kommt danach wirklich spürbar besser mit dem Strahlen voran!

 

Aktuelle Steinkern-Literatur zum Thema Südengland:

SIMONSEN, S. (2012): Eine Exkursion in den Unteren Jura von Dorset, in: Der Steinkern - Heft 8, S. 18-39.

 

Berichte über Dorset auf Steinkern.de:

Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 1

Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 2

Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 3

Sönke Simonsen, Bielefeld im August 2012