Unterer Jura

Belemniten aus dem Toarcium einer Bauschuttdeponie bei Berg/Altdorf

1. Einleitende Bemerkungen

Ich möchte hier einige Belemniten aus Tonmergelplatten vorstellen, die mir vor langer Zeit von Matthias Weißmüller, dem ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen möchte, in diversen Paketen mit dem Hinweis: „Alles von einer Bauschutthalde“, zugesandt worden waren. Der Hinweis „Bauschutthalde“ wäre für eine erste stratigraphische Einordnung der Sedimente zugegebenermaßen etwas ungenau; jedoch kam ein Zusatz: „Kommt aus dem Aushub eines Hausneubaus in Berg. Vermutlich Posidonienschiefer!“ Und in der Tat, an einer der Plattenrückseiten sind Abdrücke von Bositra buchi - dem Charakterfossil des Posidonienschiefers - zu erkennen (Bild 1).

 

Bositra-buchi

Bild 1: Bositra buchi.

Ein Jahr später, anlässlich einer wissenschaftlichen Grabung in Berg, wurde die Bauschutthalde nochmals aufgesucht und weitere Gesteinsplatten geborgen und in diesen fand sich auch ein winziger Ammonit, die Innenwindungen eines Catacoeloceras sp. (Bild 2). Es besteht eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei den, chaotisch auf mehreren Quadratmetern verteilt gelegenen Platten und damit eben auch bei den enthaltenen Belemniten um Funde aus der crassum-Subzone des obersten Lias Epsilon handelt.

 

Catacoeloceras

Bild 2: Catacoeloceras sp., 1 cm.

 

Nach dem Abtragen der fossilleeren Sedimentschichten wurden Belemnitenrostren in einer Vielzahl und von guter Qualität mittels sticheln und strahlen freigelegt und bestimmt.
Für die fotografische Darstellung einen großen Dank an Jens Tietz.

Eigentlich sollte dieser Bericht schon Mitte 2012 erscheinen; doch ständige Zweifel an der Artbestimmung und ein Spaziergang mit „Schorschi“ (Bild 3) Anfang des Jahres 2012 machten dieses Unterfangen zunichte. Hatte der freundliche Labrador sich doch entschieden spontan einen anderen Weg einzuschlagen als der Mann am anderen Ende der Leine. Ergebnis bei 32 kg und "Vierradantrieb": Kreuzbandanriss und ein zerfetzter Innenmeniskus. Die Heilung dauerte und der Unfall wirkt auch noch heute nach - und dann waren da noch diese ständigen ‚rostralen’ Zweifel!

 

Schorschi

Bild 3


Doch nun zu den Belemniten.

 

2. Belemniten in Totengemeinschaften

Neben Einzelrostren, auf die später noch eingegangen wird, möchte ich mich zunächst Handstücken mit mehreren Belemniten oder gar umfangreichen Totengemeinschaften widmen. Die Lage der Rostren im Sediment entsprach nicht der bekannten, chaotisch ungeordnet -schichtbildenden Ansammlung von Belemnitenrostren in der Grenzschicht Lias Epsilon/Zeta von Mistelgau. Die Rostren lagerten vielmehr in Schichten übereinander und locker gestreut nebeneinander. Es dürfte sich insofern nicht um eine Zusammenschwemmung handeln, sondern um eine Totengemeinschaft in situ. Die Bestimmung dieser Rostren gestaltete sich zum Teil schwierig, da viele Belemniten, sehen wir mal von der stratigraphischen Problematik ab, nur nach ihren Furchen, Mulden und dem Querschnitt einzuordnen sind. Diese Merkmale sind aber bei im Sediment verbleibenden Rostren verständlicherweise nicht immer exakt feststellbar.

Bei Bild 4a+b verharrt der Blick auf vielen schlanken Belemnitenrostren, die ich, nach Schriftwechsel mit Robert Weis (Muséum national d’histoire naturelle, Luxemburg; ein Teil des Zweifels wurde hier beseitigt), mit Youngibelus cf. ohmdenensis SCHLEGELMILCH,1998 umschreiben möchte. Die bis zu 120 mm langen, stabkegelförmigen sehr robusten Rostren haben oft einen abgebrochenen, in wenigen Fällen auch zerdrückten Apex sowie eine lange Bauchfurche. Sie sind hinten nahezu kreisrund, im Bereich der Alveole jedoch elliptisch. Lateralfurchen oder -mulden sind nicht vorhanden, jedoch eine sehr lange schmale Ventralfurche. Von einer dünnen, aber stabilen prismatischen Schicht umgeben ist der innere Aufbau amorph epirostral. Sie ähneln damit Youngibelus tubularis YOUNG & BIRD,1822, dessen Auftreten in der Literatur jedoch auf die Zone des Harpoceras falcifer (tc1b) beschränkt angegeben wird, und stellen damit möglicherweise einen Übergang zu ohmdenensis dar oder eine Varietät.

 

totengemeinschaft1

Bild 4 a

 

Totengemeinschaft-belemniten

Bild 4 b

 

Flankiert werden diese Rostren durch zahlreiche, mittelgroße, gedrungene allmählich spitz zulaufende Rostren gänzlich ohne oder mit kurzen Spitzenfurchen - es könnte sich um Acrocoelites (Acr.) ilminstrensis PHILLIPS, 1867 handeln- sowie von diversen, zwischen 70 und 100 mm langen Dactyloteuthis wrighti OPPEL, 1856. Letztere sind in den Sedimenten sehr häufig vertreten, wie die kleineren Handstücke in Bild 5 zeigen.

 

Dactyloteuthis-wrighti

Bild 5: Handstücke mit Dactyloteuthis wrighti OPPEL, 1856

 


Ein ‚rhenana’-haftes, gedrungenes Rostrum mit kurzen Spitzenmulden zeigt Bild 6. Bei Schwegler (Abb. 76) wird ein derartiges Rostrum zu Belemnites meta BLAINVILLE, 1827 gestellt. In der Tat entspricht es jedoch eher Belemnites meta WERNER,1912. Schlegelmilch schließlich setzt meta WERNER gleich mit Dactyloteuthis levidensis SIMPSON,1855 (s. auch Doyle; Part 1, S.45f).

 

Dactyloteuthis-levidensis

Bild 6


Zudem finden sich auf den Platten diverse mittelgroße, schlanke Rostren mit tiefer Ventralfurche, die verblüffend Acrocoelites (Acr.) subtenuis SIMPSON,1855 ähneln (Doyle, Part 1, Plate 6 und 7; bei Schlegelmilch wird subtenuis nicht aufgeführt; näheres weiter unten).

 

Bild 7 zeigt in der unteren Mitte einen Acrocoelites (Acr.) oxyconus HEHL in ZIETEN mit epirostralem Apex, der von diversen milleri umrahmt wird. (Es könnte sich deshalb auch um einen riegrafi handeln.)
Von den Belemniten her sind die vorliegenden Sedimentplatten damit der bifrons-Zone (tc1c) zuzuordnen.

 

Acrocoelites-oxyconus

Bild 7



Im Bild 8 wird ein 140 mm langes Rostrum mit zerdrücktem Epirostrum (rechts) wiedergegeben, das im Alveolarbereich ein gut ausgebildetes Orthorostrum (links bis Bildmitte) aufweist. Dieser Erhaltungszustand mit einer erkennbaren Trennung von Ortho- und Epirostrum ist bei den im englischen Lias Epsilon gefundenen, von Doyle zu Youngibelus tubularis (siehe Doyle, Part 2, Plate 18) gestellten Rostren typisch. Riegraf (Posidonienschiefer, S. 158) stellt diese Rostren dagegen zu Youngibelus gigas QUENSTEDT, 1848 (seit 1998 ohmdenensis nach Schlegelmilch). Da das Handstück auf seiner Rückseite auch das Fragment eines Acrocoelites (Acr.) glaber Simpson, 1855 mit kurzem Epirostrum zeigt, wird hier Riegrafs Zuordnung gefolgt.

 

Youngibelus-ohmdenensis-Epi-und-Orthorostrum

Bild 8

 

Zum Abschluss dieses Abschnittes noch ein weiteres Foto: Bild 9 zeigt ein wunderbares Rostrum von Salpingoteuthis bauhini SCHLEGELMILCH, 1998 mit einem begleitenden Acr. (Acr.) oxyconus HEHL in ZIETEN, 1831. Aus Platzmangel nicht vorgestellt wird ein Handstück mit einem Acr. (Acr.) subtricissus Kolb, 1942 sowie dem Fragment eines Dactyloteuthis semistriata MÜNSTER, 1830. Mir ist auch hier wohl bewusst, das subtricissus von Schlegelmilch - entgegen Doyle - nicht im Oberen Epsilon, sondern erst im Oberen Zeta gesehen wird. Eines der weiteren Rätsel der Berg’schen Lias Belemniten.

 

Salpingoteuthis-bauhini

Bild 9

 

3. Einzelrostren

Während der Präparation der großen Sedimentplatten wurden bisweilen einzelne Rostren freigelegt, die nicht in der Matrix verbleiben konnten und deshalb vom anhaftenden Gestein gänzlich befreit wurden.
Diese Rostren werden in Bild 10 bis 14 gezeigt. Für den an Belemniten nicht oder nur am Rande interessierten Fossiliensammler ist der Unterschied zwischen den Rostren oft ein Mysterium – ich muss zugeben, für den interessierten Sammler oft auch. Ich werde versuchen Unterschiede aufzuzeigen.

Bild 10 zeigt ein Problematikum. Stark zurückgebildete Dorsolateralfurchen werden durch eine kurze 20 mm lange Ventralfurche ergänzt, die aber 5 mm vor dem Apex ausstreicht. Schwegler erwähnt (Revision S. 184) Rostren von Belemnites juvenis Werner, 1912, die vielfach als Jugendformen von ilminstrensis angesehen werden. Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch um ein adultes Exemplar und ich bezeichne es als Acrocoelites (Odontobelus) pyramidalis MÜNSTER in ZIETEN, 1831.

 

Acrocoelites-Odontobelus-pyramidalis

Bild 10

 

In Bild 11 sind zwei schlanke, mittelgroße Rostren mit zwei wohl ausgebildeten Lateral- und einer langen Ventralfurche zu sehen (unten ventral, oben lateral). Obwohl wir auch hier, wie oben schon betont, das stratigraphische Problem der zeitlichen Zuordnung haben, möchte ich diese Rostren zu Acrocoelites (Acr.) subtenuis SIMPSON, 1855 stellen.

 

Acrocoelites-subtenuis

Bild 11

 

Abschließend zwei Rostren von Acr. (Odontobelus) brevisulcatus QUENSTEDT, 1848. Bild 12a zeigt ein komplettes Rostrum, während 12b nur ein Orthorostrum abbildet . Man beachte die freiliegende Rostralspitze links unten. Die Rostren entsprechen Acr. (Toarcibelus) inaequistriatus SIMPSON,1855 wie bei Doyle auf Seite 41, Plate 13 beschrieben. Hiernach handelt es sich um eine Frühform von brevisulcatus.

 

Bild 14a-Acrocoelites-Odontobelus-brevisulcatus

Bild 12 a

 

Bild 14b-Acr-Odotobelus-brevisulcatus-Orthorostrum

Bild 12 b

 

Die Gattung Dactyloteuthis wird neben der sehr häufig gefundenen und oben schon dargestellten Art Dactyloteuthis wrighti (siehe Bilder 5 + 7) auch von Rostren der Art Dactyloteuthis incurvata ZIETEN, 1831 repräsentiert, die hier in Bild 13 dargestellt werden.

 

26-27

Bild 13

 

Literatur:

Doyle, P. 1990-92: The British Toarcian (Lower Jurassic) Belemnites, Part 1 und 2, London.


Kolb, H. 1942: Die Belemniten des jüngeren Lias ζ in Nord-Bayern, Z. deutsch. Geol. Ges. 94, S. 145-168.


Riegraf, W., Werner, G., Lörcher, F. 1984: Der Posidonienschiefer, Stuttgart.


Schlegelmilch, R. 1998: Die Belemniten des süddeutschen Jura, Stuttgart.


Schwegler, E. 1961 – 1971: Revision der Belemniten des Schwäbischen Jura, Palaeontographica Abt. A, Stuttgart.


Werner, E. 1912: Über die Belemniten des schwäbischen Lias, Stuttgart.