Kreide

Coeloptychium – späte Präparation liefert schöne Details

Im März 2006 besuchte ich zum ersten Mal die weitläufige Grube der HeidelbergCementAG in Misburg Nord. Verabredet hatte ich mich dort mit Nico Küter und Stefan Linke, die die Lokalität bereits kannten und entsprechend brauchten wir nicht lange, um fundträchtige Bereiche zu entdecken. Überhaupt, eigentlich findet man in Misburg Nord überall schöne Fossilien, größere tendenziell dort wo frisch abgebaut wurde. Die Suche nach kleineren Fossilien (z.B. Salenien) kann dagegen auf alten Abbauflächen mit kleinteilig zerfallenem Gestein Erfolg versprechen.

Leider herrschte bei unserem Besuch noch strenger Frost, was nicht nur die Suche etwas ungemütlich machte, sondern auch die Schalen vieler der umherliegenden Seeigel zum Abplatzen gebracht hatte. Dennoch gelangen jedem von uns gute Funde. Von Haifischzähnen, über Ammoniten bis hin zu Sonnenschwämmen war eine große Bandbreite vertreten.

 

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Abb. 1 a und b: Frostige Angelegenheit: Suche in der Grube Teutonia Nord in Misburg im März 2006. Links oben ist ein Micraster eingeblendet, der den Frost ohne Schäden überstanden hat.

 

Ein besonders großes und schönes Exemplar eines Sonnenschwamms konnte damals Stefan Linke bergen (Abb. 2).

 

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Abb. 2 a und b: Stefan Linke mit der "Himmelsscheibe von Misburg Nord", oben rechts aus der Nähe eingeblendet.

 

Auch ich hatte das Glück einen Sonnenschwamm zu finden, den ich im Zustand von Abb. 3 und 4 in einer meine Jahresarbeit über das Thema Fossilien begleitenden Ausstellung in meiner ehemaligen Schule in Bielefeld-Schildesche präsentierte. Erst nach fast sieben Jahren wurde die Ausstellung nun abgebaut und wird bald durch eine neue Fossilien-Ausstellung aus meiner Sammlung ersetzt. Da sich in den letzten sieben Jahren durch einen Zuwachs an Gerätschaften einiges an meinen Präparationsmöglichkeiten geändert hat, hatten einige damals als "fertig präparierte Stücke" geltende Exponate für mich nun eher wieder den Status von "Rohmaterial" erlangt. So beispielsweise auch der bei mir etwas in Vergessenheit geratene Sonnenschwamm Coeloptychium Goldfuss 1826 aus Misburg Nord, den ich hier vorstellen möchte.

 

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Abb. 3.: Oberseite des Sonnenschwamms (maximaler Durchmesser: 95 mm) im Zustand, wie sich das Fossil fast sieben Jahre in einer Schulausstellung befand. Damals war der Schwamm nur gewaschen und mit weichen Bürsten präpariert worden.

 

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Abb. 4: Die zunächst noch vollkommen unbearbeitete Unterseite des Schwammes. Im Zentrum ließ sich bereits eine Erhebung erahnen, wo die einzelnen Lamellen dem (nicht mehr vorhandenen) Stiel zustrebten. Eine Sandstrahlpräparation des Stücks erschien mir am aussichtsreichsten, um die noch im Gestein befindlichen Strukturen relativ schonend freilegen zu können.

 

Schwämme im Campanium von Hannover

Schwämme gehören im Campanium Hannovers zu den häufigen Funden (besonders in Misburg!), sie sind ungemein artenreich vertreten und ihr Äußeres unterliegt einer immensen Variationsbreite. Manche Sammler interessieren sich kaum für Schwämme und bergen fast nur Seeigel, dabei ist die Schwammfauna weitaus artenreicher und auch unter ästethischen Aspekten keineswegs uninteressant - eine ordentliche Präparation ist dafür allerdings in den meisten Fällen Voraussetzung, damit sich die wahre Schönheit zeigt.

Coeloptychium, der wohl beliebteste Schwamm (nach Spongebob versteht sich!), ist in Misburg stellenweise alles andere als eine Rarität. In den letzten Jahren verging für mich keine Exkursion nach Misburg ohne wenigstens ein Belegexemplar von Coeloptychium zu finden. In manchen Bereichen treten die Schwämme gehäuft auf. Mit einer Exkursionsgruppe von vier Personen kann man es schnell mal auf eine zweistellige Anzahl Sonnenschwämme an einem Tag bringen, wenn man ein gutes Abbaufeld erwischt hat, dieses fleißig absammelt und einige Blöcke aufspaltet. Meist ist aber einiges an Ausschuss dabei. Sonnenschwämme mit Stiel sind sehr selten, solche mit Stiel und Wurzel echte Glücksfälle. Selbst gefunden habe ich bisher noch keinen vollständigen Sonnenschwamm. Wie dieser Bericht zeigen soll, kann selbst ein isolierter Schirm entzücken.

 

Ein Website-Tipp für Sammler fossiler Schwämme

Sehr zu empfehlen für Sammler der Hannoverschen Kreide und Schwamm- sowie Kreide-Sammler im Allgemeinen ist übrigens die Homepage von Ralf Krupp, die es dem Besucher ermöglicht z. B. in alphabetischer Ordnung die unterschiedlichsten Spezies von Schwämmen zu betrachten und mit möglichen eigenen Funden zu vergleichen: http://www.cretaceous.de/

 

Präparation des Coeloptychium

Die Präparation des Coeloptychium-Schirms führte ich mit Druckluftstichel und Sandstrahlgerät aus. Mit dem Flachmeißeleinsatz des Druckluftstichels HW-70 wurde zunächst das anhaftende Gestein reduziert. Je weniger Arbeit man mit dem Strahlen haben möchte und je mehr man abträgt, desto höher ist auch das Risiko mit dem Stichel etwas zu beschädigen, was mir bei einer Lamelle auch prompt passierte. Alle anderen Löcher sind nicht präparationsbedingt sondern schon vorher bestehende Fehlstellen.

Danach wurde mit dem Sandstrahlgerät von Eckhard Petersen mittels Eisenpulver Lamelle für Lamelle freigestrahlt. Der Strahldruck wurde mit 2 bis 2,5 bar relativ gering bemessen. Die Lamellenzwischenräume wurden nur soweit ausgehöhlt, wie keine Gefahr für die Stabilität des Schwammes bestand. Zum Strahlen der empfindlichen Oberseite des Schirms wurde der Strahldruck noch einmal heruntergefahren. Auch hier kamen die Detailstrukturen durch das Strahlen besser heraus. Es galt zu vermeiden, im Bereich von Fehlstellen des Schwamms zu tiefe Senken hineinzustrahlen. Je weniger Druck und je flacher der Winkel beim Strahlen, desto eher lässt sich eine unschöne Perforation des Fossils vermeiden.

 

Das Ergebnis gefällt mir recht gut, so dass ich es Ihnen - mit einem Zwischenschritt in Abb.  5 - nicht vorenthalten will:

 

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Abb. 5: Schwammunterseite während der Präparation, erste Lamellen sind bereits freigestrahlt und verraten schon jetzt, dass sich das Prozedere der vollständigen Freilegung lohnen wird.

 

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Abb. 6: Kaum eine Stunde später ist die Unterseite vollständig freigelegt und niemand muss sich bei diesem Anblick mehr fragen, warum die Coeloptychien eigentlich als "Sonnenschwämme" bezeichnet werden.

 

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Abb. 7: In der Schrägsicht zeigt sich, wie alle Lamellen im Zentrum dem Stiel zustreben, der bei diesem Exemplar leider fehlt.

 

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Abb. 8: Dieser Detailausschnitt zeigt die detailliert erhaltene Schwammoberfläche.

 

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Abb. 9: Auch die Schirmoberseite hat durch das Sandstrahlen gewonnen. Sie ist gegen das Strahlen jedoch sehr empfindlich, mehr noch als die Unterseite. Beim Strahlen muss man besondere Vorsicht walten lassen. Am linken Rand auf 9 Uhr befindet sich ein Serpulide (Detail siehe Abb. 12).

 

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Abb. 10: Schrägsicht auf den Schirmrand, der keine Unterbrechungen aufweist, wie sie bei anderen Coeloptychium-Formen zu beobachten sind. Zentral im Bild sieht man einen kleinen Aufwuchs (Detail siehe Abb. 13).

 

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Abb. 11: Blick auf das Zentrum des Schirms.

 

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Abb. 12: Am Rand des Schirms haben sich Röhrenwürmer angesiedelt.

 

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Abb. 13: Und nicht nur diese, sondern auch eine juvenile Muschel der Gattung Spondylus nutzte den Schwamm als Substrat.

 

 

Zur Betrachtung des nachfolgenden 3D-Fotos muss eine Rot-Cyan-Brille (z. B. die Beilage des "Heft 10 -  Ammoniten in 3D") verwendet werden.

 

 

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Abb. 14: 3D-Aufnahme der Unterseite des Schirms.

 

Zur Gattung Coeloptychium

Speziell über Coeloptychium berichtet Ralf Krupp auf der folgenden Seite seiner Homepage:

http://www.cretaceous.de/Coeloptychium.html (Stand: 13. 3. 2013)

Er setzt sich dort auch mit einer Arbeit von Mehl and Niebuhr (1995) auseinander, in der es heißt, dass alle Formen von Coeloptychium zu einer einzigen Art gehören - eine bislang noch umstrittene These.

Ich verzichte hier auf eine genauere Zuordnung, da die Gestalt meines 95 mm großen und nur etwa 11 mm hohen Schwammes mit seinem steil abfallenden äußeren Schirmrand und seinem recht deutlich eingesenkten Schirm-Zentrum sich auch nicht unbedingt hundertprozentig mit der gegebenen Beschreibung für die häufigste "Art" Coeloptychium agaricoides deckt. Im Steinkern.de Forum kann gerne dazu diskutiert werden. Für Bestimmungshinweise ist der Autor dankbar.

 

Sönke Simonsen, Charmouth, den 23. 3. 2013

 

Mehr über die Hannoversche Kreide lesen Sie in Heft 8 unserer Zeitschrift sowie auf der Steinkern.de Homepage unter dem Titel Impressionen einer Exkursion ins Campan von Misburg