Paläogen, Neogen und jünger

Ein einmaliger Blick in die Obere Meeresmolasse Niederbayerns

Dieser Bericht soll einige Altfunde aus der Oberen Meeresmolasse Niederbayerns vorstellen. Warum es sich dabei um einen wirklich einmaligen Blick in diese Schichten handelt, kläre ich zum Ende des Artikels.

Im Jahr 2001 erzählte mir ein Bekannter von einem kleinen Aufschluss in einem Wald südlich Vilshofen (Niederbayern), an dem neben anderen Fossilien auch gut erhaltene Pilgermuscheln gefunden werden könnten. Er selbst hatte diese Information auch nur aus zweiter Hand, war noch nicht an der Lokalität, drückte mir aber die Kopie einer Karte in die Hand, auf der besagter Fundpunkt markiert war.

Gerüstet mit diesen Informationen machten wir uns auf den Weg, allein die Karte brachte uns zwar in das Zielgebiet, aber nicht zum Fundpunkt. Geholfen haben uns herzlich bereitwillig Bauern, bei denen wir nachfragten. Jene erklärten uns punktgenau, wo wir suchen sollten, die örtliche Landjugend sammele dort auch bisweilen.

So machten wir uns auf die Socken, die in den feuchten, morastigen Wiesen auch allmählich nass wurden und fanden tatsächlich einen verschwindend kleinen, sandigen Aufschluss etwas oberhalb der Wiesen in einem Wald. Die kleine Grabung war um einen Fuchsbau herum geöffnet worden. Im feinen, hellen und trockenen Sand fand sich allerlei Interessantes, überwiegend Schalen und -fragmente von Pilgermuschel, aber auch beachtliche Begleitfauna.

Die Fossilien des kleinen Aufschlusses sind zur Oberen Meeresmolasse (OMM) zu stellen, Tertiär, unteres Miozän, Ottnangien, also etwa 18 Mio. Jahre alt. Die OMM ist in diesem Bereich des östlichen Bayerns an unterschiedlichen Stellen aufgeschlossen, bekannt sind beispielsweise die Schotter bei Neustift.

Die anhängend vorgestellten Fossilien wurden alle an diesem einen Sammeltag gefunden. Die Bilder möchte ich nicht ausführlicher kommentieren.

Die erste Aufnahme zeigt die einzige Platte, die ich dort gefunden habe, also ein Matrixstück. Ich nenne sie die „Frutti di Mare“-Platte, weil sich auf ihr ein Sammelsurium findet, das vielfältiger nicht sein könnte: Muscheln und deren Bruchstücke, Bryozoen. Die roten Pfeile weisen auf einige für mich interessante Besonderheiten.

Frutti_di_Mare__01a.jpg
Abb. 1: Frutti di Mare: Eine Platte aus der OMM, Länge max. 24 cm, Breite max. 13 cm. Die Platte zeigt bereits ein gutes Spektrum der an dieser Fundstelle erhaltenen Fossilien: Muscheln, Muschelfragmente, Schwämme, Bryozoen.

Frutti_di_Mare_Detail_Pecte__01a.jpg
Abb. 2: Ausschnitt aus Abb. 1. Aequipecten macrotis (Sowerby), max. Länge 2,3 cm.

Frutti_di_Mare_Detail_Haizahn1__01a.jpg
Abb. 3: Ausschnitt aus Abb. 1. Teil eines Balaniden (Seepocke), Länge 1,5 cm.

Frutti_di_Mare_Detail_Schwamm__01a.jpg
Abb. 4: Ausschnitt aus Abb. 1. Celleporide Bryozoe (eventuell Chleistozoe), Länge 1,2 cm.

Nachfolgend möchte ich einige andere Funde vorstellen.

Beginnen will ich mit einer Seepocke, einem primitiven Krebs, dessen „Festung“ uns rezent auch auf Muscheln vom Fischhändler auffallen mag. Die Seepocke (vermutlich Balanus sp.) ist eng verwandt beispielsweise mit Pollicipes, die wir auch aus dem obersten Weißjura kennen.

Balanus_01a.jpg
Abb. 5: Seepocke, eventuell Balanus sp., max. Länge des Stücks 3,8 cm.

Die auffälligsten Fossilien dieser Fundstelle waren die Schalen der Pilger- oder Jakobsmuscheln, Aequipecten macrotis (Sowerby). Zu finden waren ausschließlich die rechten, also gewölbten Klappen.

Pecte_01a_2.jpg
Abb. 6: Aequipecten macrotis (Sowerby), rechte Klappe, max. 4,5 cm. Beachtlich sind die gute Erhaltung und die intensive Färbung.

Freundlich zeigt sich auch die Begleitfauna, hier eine Bryozoe.

Schw_auml_mmchen_01a.jpg
Abb. 7: Celleporide Bryozoe (eventuell Chleistozoe), Durchmesser der „Kugel“ max. 1,7 cm.

Am Fundpunkt konnten auch einige kleinere Austernschalen geborgen werden. Es dürfte sich dabei ausschließlich um Exemplare der Gattung Ostrea handeln.

Auster_mit_Bewuchs_01a.jpg
Abb. 8: Auster, vermutlich Ostrea digitalina (Dubois) mit schönem Farbspiel und Bewuchs (mittig Bryozoen), max. 4,5 cm.

Auster_mit_Bewuchs_und_Bohrloch_01a.jpg
Abb. 9: Auster, vermutlich Ostrea digitalina (Dubois) mit Bewuchs und Bohrloch einer Natica; Außenseite, max. 4,0 cm.

Auster_mit_Bewuchs_und_Bohrloch_02a.jpg
Abb. 10: Wie Abb. 9, aber Schaleninnenseite.

Auster_01a.jpg
Abb. 11: Auster, vermutlich Ostrea digitalina (Dubois), max. 3,7 cm.

Muschel_01a.jpg
Abb. 12: Noch unbestimmte Terebratel (Terebratula sp.) mit Bewuchs und Besatz, max. 5,2 cm.

Muschel_mit_Bewuchs_01a.jpg
Abb. 13: Bryozoenbewuchs auf der Terebratel von Abb. 12.

Muschel_Schutt_Fischzahn_01a.jpg
Abb. 14: Terebratel mit vermutlichem Fischzahn (Rochenkauplatte), max. 4,0 cm.

Fischzahn__01a.jpg
Abb. 15: Rochenkauplatte aus Abb. 14, Länge des Zahns 6 mm.

Soweit zu den Funden, die wir an unserem Sammeltag von diesem winzigen Aufschluss mitnehmen konnten. Wir beabsichtigten zwar, diese Stelle wieder aufzusuchen, doch geriet dies ein wenig in Vergessenheit. Geraume Zeit später erzählte uns ein mit der Örtlichkeit vertrauter Sammler, dass verantwortungslose Raubgräber diese Fundstelle so erbarmungslos ausgebeutet hätten, dass ausgewachsene Buchen umgekippt seien und der in Sichtweite wohnende Bauer nun keinerlei Spaß mehr verstehe.

Ich jedenfalls werde diesen wunderbaren Fundpunkt nicht mehr besuchen (können, dürfen) und zürne ungemein ob des idiotischen Verhaltens dieser charakterlosen Gräber. Deshalb muss es für mich ein leider nur einmaliger Blick auf diesen Aufschluss der niederbayerischen OMM bleiben.

Wie immer: Für Bestimmungshilfen, Nachbestimmungen und Totalkorrekturen bin ich stets dankbar.

Vielen Dank den beiden Herren Wolfgang Danninger (Chlamys) und Simon Schneider für ihre Bestimmungskorrekturen, die ich am 30.08.2007 und am 10.03.2010 eingearbeitet habe.

Funde, Sammlung und Fotos: Michael Rötzer sen.