Trias

Der Esino-Kalk - Ein Bericht aus der Lombardei

 

mappa con didascalia inglese

Die Abbildung zeigt die Vorkommen des Esino-Kalks in den lombardischen Voralpen (pink). Außerdem erwähnenswert ist der Ausstrich der Besano-Formation (schwarz). Berge: (1) Pegherolo, (2) Menna, (3) Grigne; (4) Presolana-Massiv

Der Abt Antonio Stoppani (1824-1891) wird von vielen als der Vater der geologischen Forschung in Italien angesehen. Er wurde in Lecco geboren und schon früh zu einem hervorragenden Geologen und Paläontologen, der einen Großteil seiner Studien den Aufschlüssen und der Gegend widmete, in der er geboren wurde und in der er aufwuchs. Gleiches gilt für die Bergwelt um Lecco, das Grigne-Massiv. Aber er machte hier nicht Halt, zusätzlich zu den Aufschlüssen um Esino Lario erkundete und studierte er auch die Gebirgsausläufer in der Lombardei. Er war einer der ersten, der das Wissen um die triassischen Gesteinsfolgen vertiefte, die einen Großteil der lombardischen Vorberge aufbauen. Stoppani konzentrierte sich in seiner Dissertation auf die Fossilien des Esino-Kalks, und zwischen 1858 und 1860 veröffentlichte er darüber eine Monographie mit dem Titel „Les petrifications d’Esino et de Lenna“ („Die Versteinerungen von Esino und Lenna“). In ihr beschrieb er über 200 Arten, die er gefunden und katalogisiert hatte, sowie die Morphologie der Gegend und die Abfolge der triassischen Schichten. Dies war die erste Arbeit, die sich detailliert mit der abwechslungsreichen Lithologie befasste. Das Werk schrieb Stoppani auf Französisch, da er an der Pariser Sorbonne studierte und sich darüber hinaus dadurch ein breiteres Echo auch auf internationaler Ebene erhoffte.

Der Esino-Kalk ist eine prägnante Gesteinsabfolge, die die meisten der Dolomitgipfel der Alpen aufbaut. Seine Mächtigkeit variiert zwischen 100 und 1000 m. Zeitlich reicht er vom oberen Anis bis ins Ladin (229-237 Ma). Großflächige Ausstriche finden sich in der Lombardei, auf dem Grigne-Massiv und in Bergamo (Pegherolo, Menna, Presolana-Massiv). Der Esino-Kalk ist alles, was von einem ehemaligen Riff übrig geblieben ist, das während der Mittleren Trias wuchs. Das damalige Paläoenvironment lässt sich mit einem rezenten Korallenriff vergleichen, mit günstigem Klima und warmem Wasser, was darauf hinweist, dass die Region damals in tropischen Breiten lag.

Die Karbonatplattform war durch geringe Wassertiefe und Korallenriffe gekennzeichnet. Sie entstand in der photischen (lichtdurchfluteten) Zone durch die Aktivität kalkproduzierender Organismen wie Schwämmen und Korallen. Sie erzeugten „biologische Gebäude“ (Bioherme), die wiederum ideale Lebensräume für zahlreiche weitere Organismen boten, wie Muscheln, Crinoiden, Schwämme, Gastropoden und Cephalopoden. Dies wird belegt durch den reichen Fossilgehalt dieser Fazies: Über 250 verschiedene Arten wurden gefunden. Die bioklastischen Sedimente des Esino-Kalks sind, vom lithologischen Standpunkt aus gesehen, nichts anderes als dolomitisierte Kalksteinkliffs, deren hohe Wachstumsrate der Subsidenz (Absenkung) entgegen arbeitete. Aus biologischer Sichtweise dagegen war es ein Lebensraum, der von einer vielfältigen Fauna besiedelt war, die hier ideale Habitate vorfand.

Wenn wir nun den paläogeographischen Aspekt betrachten, erweist sich die Trias der Bergamasker Voralpen als mächtige Abfolge von 3 bis 6 km Mächtigkeit, die hauptsächlich durch eine karbonatische Lithofazies charakterisiert ist, die in warmem Klima in tropischen Breiten zur Ablagerung kam. Gleichwohl war dies in Anbetracht der Dynamik unseres Planeten und seiner raschen Veränderungen kein dauerhafter Zustand. In der Folge setzten Klimawandel und geomorphologische Veränderungen ein, hauptsächlich bedingt durch tektonische Aktivität aufgrund der Entwicklung des Tethys-Ozeans, die auch mit vulkanischen Erscheinungen einherging.

An der Basis der triassischen Abfolge finden wir Schiefer vor, die belegen, dass das Meer bereits am Ende des Perms auf das bisherige Festland übergriff. Die hier vorkommenden Sedimente sind charakteristisch für küstennahe Flachwasserbereiche. Typische Plattformsedimentation stellte sich bereits im Skyth (Untere Trias) ein und setzte sich während des Anis fort, wobei die Ablagerungsräume von Gezeitenströmungen beeinflusst waren oder unter der durchschnittlichen Niedrigwasserlinie lagen (infralitoral). Diese peritidale Plattform, die den Gezeiteneinflüssen unterliegt, führt häufig stromatolithische Kalke.

Im oberen Anis dagegen finden wir ein Milieu vor, das offene Becken – einige hundert Meter tief, belegt durch pelagische Organismen (Prezzo-Kalk) – und Karbonatplattformen aufweist, die diese Becken säumten und in diese vordrangen. Die Plattformen charakterisieren den Esino-Kalk. Sie bilden heute die Gipfel der höheren Berge, beispielsweise den des Pegerholo.

Der Prezzo-Kalk ist geringmächtig (nie mehr als 30 cm) und streicht am Grigne, im Brembana-Tal in Lenna und am Pegerholo aus. Er greift lateral auf den Esino-Kalk über und besteht aus dunkelgrauem mikritischem Kalkstein, der sehr reich an Ammonoideen (Paraceratites) ist. Es handelt sich um ein anoxisches Sediment, wie es typisch ist für Becken mit gering durchlüfteten bodennahen Wasserschichten.

Während das Voralpenland aus Karbonatplattformen und Beckensedimenten besteht, gibt es in seinen südlichen Ausläufern Ausstriche anderer Gesteine, wie bspw. Tuffit, der aktiven Vulkanismus bezeugt.

Die Karbonatplattform des Ladin ist stärker gegliedert und besteht u.a. aus Schwammbiohermen, Korallen und winzigen inkrustierenden Organismen wie Tubiphytes. In dieser Fazies sind spindel- und ellipsenförmige Hohlräume sehr verbreitet, die später mit Calcitzement verfüllt wurden („Pseudo-Onkoide“, „Evinosponge“) aufgrund der Fällung von Calciumkarbonat unter subaerischen Bedingungen, wenn das Riff durch eustatische Meeresspiegelschwankungen zeitweilig oberhalb der Wasseroberfläche gelangte.

 

Desweiteren gibt es Unterschiede in den Plattformmilieus, was durch die Verbreitung von Algen (Dasycladaceae) angezeigt wird, die auf ein konstantes Absinken des Wasserspiegels sowohl auf lokaler als auch globaler Ebene hinweist, bis hin zum völligen Auftauchen der Plattform.

 

Das Top des Esino-Kalks markiert das Ende des Ladins und damit der Mittleren Trias. Als Kuriosität ist darauf hinzuweisen, dass der Esino Kalk an anderer Stelle sein zeitliches Pendant in den bituminösen Schiefern der Besano Formation findet. Diese Fazies kommt in der Provinz Varese, an der Grenze zur Schweiz, vor, und ist berühmt für die marinen Großreptilien, die in ihr gefunden wurden (Ceresiosaurus, Besanosaurus,…). Der Ölschiefer von Besano zeugt von einem anoxischen Meeresgrund, der das Gedeihen von Leben auf und in ihm unmöglich machte. Wie im Prezzo-Kalk auch, wurden hier zahlreiche Exemplare von Paraceratites gefunden; im Fall von Besano besteht der fossile Beleg vor allem aus den vorherrschenden nektonischen Organismen, die sich frei in diesen Gewässern bewegen konnten. Die Fauna des Esino-Kalks dagegen zeigt ein genau gegensätzliches Milieu, das von benthischen Faunen (Bewohnern des Meeresgrunds) gekennzeichnet ist. Alle diese Informationen liefern uns einen paläoökologischen Kontext dafür, wo unterschiedliche marine Habitate während der Triaszeit in der Lombardei auftauchten.

 

Wenn wir den Esino-Kalk detailliert analysieren, können wir sagen, dass es sich um einen lokal dolomitisierten Kalkstein handelt, der massiv und kaum geschichtet ist, und der viele Fossilien enthält. Er ist mitunter verkarstet, hellgrau, beige oder pinkfarben. Die Einheit ist ausgesprochen mächtig, mit einer wechselnden Mächtigkeit zwischen 700 und 1200 m. Mit der maximalen Mächtigkeit am Grigne und im Brembana-Tal, speziell in dem Gebiet von Lenna, in dem Stoppani seine umfassenden Studien anstellte über die „Versteinerungen von Esino und Lenna“ und die fossilhaltigen Ablagerungen von Costa Pagliari, ValSecca und Bordogna, Val Rossa und dem Parina-Tal. Letzteres, das Parina-Tal, hat in seinem unteren Teil eine sehr schmale Talform, wo die Flusserosion den Kalkstein ausgefräst hat, was der Landschaft einen schroffen, wilden Charakter verleiht und es uns ermöglicht, die Aufschlüsse des alten Karbonatkliffs zu studieren.

Zusätzlich zur zuvor erwähnten Lokalität sollen noch einmal die südlichen Ränder des Presolana-Massivs erwähnt sein, die aus massiven und kristallisierten Kalken und dolomitischem Kalkstein der Esino-Formation bestehen. Hierbei handelt es sich jedoch im Gegensatz zu den zuvor besprochenen Aufschlüssen um eine allochthone Lithofazies, die durch die tektonische Dynamik entstand, die die lombardischen Voralpen erfasste.

Die Abfolge des Esino-Kalks besteht aus Plattform-Lithofazies’: Subtidale Lagunen und Wattflächen (rückwärtige/innere Plattform), Riffkante und –abhang. Der Fossilinhalt ist beachtlich; während die innere Plattform von typischen Organismen wie Lamellibranchiaten, Gastropoden und Algen besiedelt war, war die Riffkante von Schwämmen und Korallen bevölkert. Entsprechend ergibt sich - durch die vertikale Abfolge der Fazies - eine Gliederung der Gesteinsabfolge in einen unteren und einen oberen Teil.

Der untere Teil – die Sedimente der rückwärtigen Plattform – ist eine geschichtete Kalkfazies mit grauer oder beiger Färbung, häufig mikritisch und damit typisch für ein lagunäres Milieu. Er ist sehr fossilreich. Hauptsächlich kommen Ansammlungen von Brachiopoden, Lamellibranchiaten, Gastropoden und Ammonoideen vor.

In Taschen, die typisch sind für die Kliffs aus biogenem Kalkstein sind, wurden große Gastropoden gefunden sowie zahlreiche Ammonoideen, die häufig geradezu zwischen ihnen aufgehäuft sind. Unter anderem können Trachynerites, Protrachyceras, Fedaiella und Epigymnites genannt werden.

Der obere Teil des Esino-Kalks besteht aus Gesteinen von hellgrauer und hellbrauner Färbung. Hier treten besonders häufig Hohlräume und Klüfte unterschiedlicher Abmessungen, von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern, auf, die mit Calcitzement verfüllt sind (die bereits erwähnten „Pseudo-Onkoide“). Diese Gesteine belegen das ladinische Alter von Riff und Riffhang, die Gezeitenströmungen unterlagen, mit Konzentrationen von Dasycladaceen und Gastropoden.

Die „Pseudo-Onkoide“ erinnern an Achate, und es ist möglich, dass ihre Bildung denselben Prinzipien folgte, obwohl ein sicherer Nachweis dafür noch aussteht. Während Achate aus der Abscheidung von Silikat hervorgehen, bestehen die „Pseudo-Onkoide“ aus Kalziumkarbonat, oder genauer, aus Calcitzement, der aus der Auflösung von Sediment wie bspw. den Algenbiohermen oder von Kalkschalen bspw. von Lamellibranchiaten stammt. Dieser Zement wird in konzentrischen Lagen abgeschieden, die eine Bänderung erzeugen, was schließlich mit der vollständigen Ausfüllung des Hohlraums endet. Die Bildung der „Pseudo-Onkoide“ erfordert Wässer mit hoher Kalziumkarbonatkonzentration und eine Plattform bzw. einen Teil von ihr, der während rhythmischer Auftauchperioden subaerischen Bedingungen ausgesetzt ist.

 

pix4-bordogna-arcestes e arpadites 

Arcestes und Arpadites aus Bordogna (Brembana-Tal), ausgestellt im Paläontologischen Museum der Universität Zürich (www.pim.uzh.ch)

 

pix5-bordogna-monophyllites e kellnerites

Monophyllites und Kellnerites, ausgestellt im Paläontologischen Museum der Universität Zürich (www.pim.uzh.ch).

 

pix6-bordogna-fedaiella gigantogonia

Stufe mit Fedaiella und Gigantogonia aus Bordogna (Brembana-Tal), ausgestellt im Paläontologischen Museum der Universität Zürich (www.pim.uzh.ch).

 

pix7-bordogna-gigantogonia e coralli

 

Gigantogonia und Korallen aus Bordogna (Brembana-Tal), ausgestellt im Paläontologischen Museum der Universität Zürich (www.pim.uzh.ch).

 

pix8-bordogna-gigantogonia

Gigantogonia mit Farbmustererhaltung aus Bordogna (Brembana-Tal) im Paläontologischen Museum der Universität Zürich (www.pim.uzh.ch).

 

-pix8-bordogna-paraceratites pix9-bordogna-trachynerita worthenia

Paraceratites (links). Trachynerita und Worthenia (rechts). Die Stücke stammen ebenfalls aus Bordogna (Brembana-Tal) und sind im Paläontologischen Museum der Universität Zürich (www.pim.uzh.ch) ausgestellt.

 

Übersetzung ins Deutsche von Rainer Albert.