Baden-Württemberg
Der Kahlenberg in Ringsheim
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- Kategorie: Baden-Württemberg
- Veröffentlicht: Dienstag, 23. Februar 2010 18:36
- Geschrieben von Klaus Bosch
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Der Kahlenberg bei Ringsheim in Breisgau bietet nicht nur Fossilien, er hat auch landschaftlich und naturkundlich einige herausragende Schönheiten. So kann man bei klarem Wetter die gesamte Vogesenkette sehen, angefangen im Süden beim Hartmannsweiler Kopf, und dem Grand Ballon, die Hochkönigsburg im Westen bis zum Straßburger Münster im Norden. Botanisch haben wir hier auch zahlreiche Orchideenarten und als besondere Seltenheit den "Durchwachsenen Bitterling" eine Enzianart. In den letzten Jahren sind auch die Gottesanbeterin und der Bienenfresser heimisch geworden, der hier seine Bruthöhlen hat (zur Freude der Naturschützer, die sich auch hier breit machen).
Nun etwas Geschichte: Nachdem schon Römischer und Mittelalterlicher Bergbau auf Eisenerz betrieben wurde, begann der industrielle Bergbau mit Untertage- und Übertage Abbau im Jahre 1937, zuletzt waren ca. 100 km Stollen aufgefahren; der Tagebau hatte am Kahlenberg eine Abbaufront bis zu 1,7 km. Nach der Stilllegung des Bergwerks 1969, wurde 1973 eine Mülldeponie eingerichtet.
Abb.1: Die Abbaufront des Murchisonae-Erzlagers (Oberes Aalenium) mit ca. 11 m. Mächtigkeit. Die Schautafeln erklären Besuchern, die sich bis hierher frei bewegen können, Geschichte und Fossilien. Zum Schutz vor Steinschlag wurde ein Zaun errichtet.
Abb.2: Rampe zu Stollen I. Da die Sickerwasserleitung teilweise durch die Stollen geführt wurde, wird er immer befahrbar gehalten.
Abb.3: Blick in den Stollen.
Abb.4: Historisches Foto des Stollens, datierend aus dem Jahr 1950.
Abb.5: Historisches Foto von 1960 des Tagebaus.
Beim Abbau des Erzlagers, das nicht fossilführend ist (deshalb sind in den Stollen auch keine Fossilien zu finden), wurde der so genannte Erzkopf abgetragen und in den Abraum gegeben. In dieser Omissionschicht, die sehr fossilreich war, wurden an der Basis hauptsächlich Staufenia staufensis, darüber mehrere Ludwigienarten gefunden. Leider sammelte damals kaum jemand Fossilien, so dass nur wenige Fossiliensammlungen mit diesen Ammonitenarten existieren. Unter der Dorfjugend ging das Gerücht um, dass in den mit Kalzitkristallen ausgekleideten Ammoniten-Kammern Gold zu finden sei. Deshalb wurden die zahlreichen und gut erhaltenen Ludwigien aufgeklopft, in der Hoffnung einen Goldfund zu machen. Die flachen Staufenien wurden gar nicht als Ammoniten erkannt und zum Diskus-Werfen benutzt!
Abb.6 zeigt eine Ludwigia bradfordensis, die von mir vor 50 Jahren aufgeklopft und vor 20 Jahren wieder aus der Schachtel im Keller hervorgezogen und zusammengeklebt wurde. Im Fundzustand belassen. DM 18 cm.
Abb.7: Innenwindung einer Ludwigia, 3 cm.
Abb.8: Graphoceras (Ludwigella) nitens? 3,5 cm.
Abb.9: Staufenia staufensis, 9 cm. Diese Ammoniten sind meisten sehr vererzt und deshalb optisch nicht mit den Wutachern zu vergleichen.
Vor ca. 10 Jahren wurde bei der Erweiterung der Deponie, das Untere- sowie das Obere Erzband abgetragen, dieses bot hervorragende Sammelmöglichkeiten an der Aalenium-Bajocium Grenze. Diese verläuft ziemlich genau auf der Oberfläche des Unteren Erzbandes. Vor allem Graphoceraten und Eudmetoceraten, sowie erste Hyperlioceraten und Euhoploceraten. Die Graphoceraten sind wie die Staufenien des Erzlagers meistens vererzt. Die etwas höher liegenden Eudmetoceraten liegen in weicherem Gestein und sind deshalb besser zu präparieren. Über dem Unteren Erzband folgt eine Knollenlage mit bestens erhaltenen Ammoniten, in den blaugrauen Mergeln waren die Ammoniten zwar massenhaft zu finden, der Erhaltungszustand ließ jedoch zu wünschen übrig. In diesen Mergeln lagen auch Belemniten in riesiger Zahl, man nahm nur noch die Besten mit, so ein Exemplar mit vier Apsendesia-Bryozoen an der Spitze. Aus der Knollenlage stammt auch der Aptychus.
Abb.10 zeigt das ca. 50 cm. mächtige Untere Erzband.
Abb.11: Blick auf die noch freiliegende Fläche des Unteren Erzbandes. hier verläuft die Aalenium-Bajocium-Grenze. Wo kann man das sonst noch sehen?
Abb.12: Eudmetoceras amplectens aus dem Unteren Erzband, 18 cm.
Abb.13: Eudmetoceras amplectens aus der Knollenlage, 6 cm.
Abb.14: Graphoceras aus dem Unteren Erzband.
Abb.15: Euhoploceras.
Abb.16: Detail mit Apsendesien-Aufwuchs.
Das Dritte Erzband (Dogger Gamma, Laeviuscula Zone) führt eine reiche Kleinfauna an Schnecken, Muscheln, Schwämmen und Bryozoen. Ammoniten sind sehr selten, Belemniten etwas häufiger, diese bleiben aber ebenfalls klein. Echinodermen sind mit Seelilienstielgliedern, Seesternrandplatten und Deckplatten sowie regulären und irregulären Seeigeln vertreten, meistens Stacheln und Warzenplatten. Komplette Coronen sind äußerst selten und gehören vermutlich zu Stomechinus.
Von den Krebsen kommen Körperchen von Glyphea, sowie Gliederbruchstücke vor. Brachiopoden sind stark zerfallsgefährdet und nur schwierig zu bergen, Terebrateln sind selten, Rhynchonellen etwas häufiger. Eine Isocrania liegt ebenfalls vor.
Abb.17: Blick auf das Dritte Erzband, das kurz unter der Hangkante verläuft
Abb.18: Detailaufnahme. Hier läuft das 30-40 cm. starke Erzband ca. 80 cm über dem Boden, es folgen Mergelschichten. Unter Hangkante die ca. 60 cm. starken Wedelsandsteine, die äußerst fossilarm sind.
Schnecken aus dem Dritten Erzband. Die Schalen der Schnecken sind hauchdünn und nicht mit dem Steinkern verbunden, so dass sie in der Witterung schnell zerfallen:
Abb.19: Pleurotomaria rotundata, 3,5 cm; nicht häufig.
Abb.20: Pleurotomaria armata? 2,5 cm.
Abb.21: Pyrgotrochus elongata, 3 cm. hoch, relativ häufig
Abb.22: Leptomaria? 2,5 cm; sehr selten.
Abb.23: Eucyclus, 2 cm, die häufigste Schnecke.
Jetzt einige Schwämme des Dritten Erzbands, nirgends am Kahlenberg kommen sie so häufig vor wie hier:
Abb.24: Lymnorea mammilaris? auf Isognomon sp. aufgewachsen. Länge zusammen 23 cm. Höhe 11 cm.
Abb.25: Schwämmchen 1,5 cm auf Lopha marshii, 8,5 cm.
Abb.26: Peronidella ?; 2 cm.
Abb.27: Ohrenförmiger Schwamm, Außenseite, 2 cm.
Die Blaukalke des Kahlenbergs sind bei den Sammlern wegen der hervorragend erhaltenen Austern bekannt. Diese sind in den Dogger Gamma zu stellen.
Abb.28 zeigt den so genannten "Monte Franko", ein stehen gebliebener Vermessungspunkt. Er wurde von den Sammlern nach dem damaligen Deponieleiter benannt, der hier oben nicht nur Vermessungen vornahm, sondern auch nach unbefugten Personen Ausschau hielt.
Abb.29: Links im Bild die massigen Blaukalkschichten des "Monte Franko", rechts Blick ins Rheintal, im Hintergrund die Vogesen, die Achterbahnen des Europaparks Rust in 5 km Entfernung kann man noch erahnen.
Abb.30: Lopha marshii, 6 cm hoch.
Abb.31: Drei aufeinander gewachsene Exemplare 11 cm hoch.
Abb.32: Liostrea eduliformis, 10 cm.
Abb.33: Ctenostreon pectiniformis 11 cm breit.
Abb.34: Chlamys textoria 9 cm breit.
Als letztes stelle ich das Obere Erzband vor. Eigentlich ist der Name Oberes Erzband irreführend. Früheren Bearbeitern war das Dritte Erzband noch nicht bekannt, deshalb die Unterteilung in Unteres Erzband (Concavum-Zone), Oberes Erzband (Discites/Ovale Zone) und Drittes Erzband (Laeviuscula Zone).
Das Obere Erzband war jahrzehntelang großflächig aufgeschlossen, da es als Fahrstrasse und Abstellfläche für die Baumaschinen der Deponie diente. Vor ca. 10 Jahren wurde es wegen der Erweiterung der Deponiefläche abgeräumt, damit ging eine der reichhaltigsten Fossilienfundstellen des Kahlenbergs verloren.
Das Obere Erzband veränderte seine Farbe von rötlich-braun im Süden innerhalb weniger Meter ins grau-blaue im Norden, diese Farbe übertrug sich auch auf die Fossilien. Der Kenner kann sie trotzdem richtig zuordnen.
Im obersten Teil ist die Grenze Discites/Ovale Zone.
Berühmt war das Obere Erzband vor allem wegen der riesenwüchsigen Sonninien, die auf der Fläche auflagen. Aber es waren auch großwüchsige Muscheln und Schnecken zu finden. An sonstiger Beifauna tritt nur hier der kleinwüchsige Seeigel Menopygus nodoti auf. Kleinwüchsige Rhynchonellen und Terebratulaten sind selten. Ebenso sind Schwämme, Korallen und Bryozoen noch nicht häufig. Die ersten zwei Bilder zeigen das Erzband in heutigem Zustand.
Abb.35: Das Obere Erzband, Hangseite.
Abb.36: Detailansicht.
Abb.37: Die großwüchsige Muschel Plagiostoma mit 19 cm.
Abb.38: Pleurotomaria rotundata?, 8 cm.
Abb.39: Cenoceras, 9 cm, aus dem nördlichen Teil des Oberen Erzbandes, vergesellschaftet mit kleinem Euhoploceras.
Abb.40: Pelekodites mit Ohr, 2,3 cm.
Abb.41: Docidoceras 5 cm. Von Ringsheim sind nur 2 Exemplare bekannt.
Im gesamten Oberen Erzband sind Hyperlioceraten zu finden, ebenso kleinwüchsige Euhoploceraten, die Riesen-Sonninien liegen in der obersten Schicht. Es wurden Sonninien nachweislich bis zu 65 cm Durchmesser gefunden, sagenhafte 80 cm habe bisher ich noch nicht zu Gesicht bekommen.
Anbei eine kleine Auswahl an Hyperlioceraten und Sonninien des Oberen Erzbandes.
Abb.42: Hyperlioceras dem untersten Teil des Oberen Erzband, 11 cm.
Abb.43: Hyperlioceras, Mitte des Oberen Erzbandes, nördlicher Teil, 19 cm.
Abb.44: Hyperlioceras, südl. Teil des Oberes Erzband, 22 cm.
Abb.45: Euhoploceras marginatum, 4,5 cm.
Abb.46: Euhoploceras acanthodes, 3,5 cm, Innenwindung
Abb.47: Der Traum jedes Kahlenbergsammlers: eine Sonninia mit 43 cm.
Abb.48: Großwüchsige Sonninia mit 36 cm.
Abb.49: Stark berippte Sonninia mit 16 cm.
Abb.50: Sonninia mit Dornen. Die Wohnkammer ist verschoben, 25 cm.
Wer interessiert ist, kann auch mal auf die Homepage des ZAK-Kahlenberg gehen, zu der ich auch etwas beigetragen habe. Nicht nur die Bergbau- und Fossilienseiten, sondern auch die Seiten über die Natur werden manche Leser interessieren. Zudem ist der ZAK die modernste Müllbehandlungsanlage in Europa:
http://zak-ringsheim.de/
Dann im linken Menü auf "Buch Blickpunkt Kahlenberg" gehen.
Gruß,
Klaus Bosch
PS. Im Forum gibt es noch einige Beiträge speziell zu Korallen-, Epöken- und Bryozoen-Funde vom Kahlenberg. Schauen Sie ruhig rein wenn Sie Interesse haben:
http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=7736
http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=7821
http://www.steinkern.de/forum/viewtopic.php?t=7835
Alle Fotos: Klaus Bosch
Bearbeitung für Homepage: Roger Furze