Großbritannien

Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 2

Teil 2: Die Black Ven Marls



Nachdem im Teil 1 die untersten Schichten des Lias, die westlich und östlich von Lyme Regis anstehen, beschrieben wurden, sollen hier die Sedimente der Black Ven Marls beschrieben werden. Benannt sind sie nach dem Küstenabschnitt Black Ven zwischen Charmouth und Lyme Regis, wobei allerdings die unteren Schichten des Black Ven noch von den Schichten des Blue Lias gebildet werden. Die Schichten fallen flach nach Osten ab, wodurch die Black Ven Marls im Küstenabschnitt östlich von Charmouth, bei Stonebarrow, auf Strandniveau studiert werden können. Allerdings sollte man die Nähe der Steilküste meiden, wie folgende Bilder eindrucksvoll belegen:

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Die Küste um Charmouth ist die am schnellsten erodierende Küste in Europa. Auch die zahlreichen Erdrutsche sind mit Vorsicht zu genießen, da sie oft tückisch weich sind und man darin versinken kann. Ich habe schon mehrere Kinder wieder herausgezogen, die aus eigener Kraft nicht weiter kamen. Die Eltern standen meist hilflos in hochhackigen Sontagsschühchen auf festem Grund und wussten auch nicht weiter…

Die gesamte Folge der Black Ven Marls ist ca. 45 m mächtig. Lithologisch handelt es sich hauptsächlich um Tone und Mergel mit eingeschalteten Kalkbänken und Konkretionslagen.

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Blick von Black Ven Richtung Osten, Im Vordergrund sind sehr gut die frischen Abbrüche zu erkennen. Die gelben Sedimente stammen aus der Kreide, gelegentlich findet man Seeigel am Strand.

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Blick vom Parkplatz Richtung Stonebarrow, im Hintergrund: Golden Cap.

Die beste Zeit zum Sammeln ist von Oktober bis März, wenn durch die Winterstürme und den Regen viel neues Material freigelegt wird.
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Zur Ausrüstung sollte dann mindestens folgendes gehören:

  • Regenjacke und –Hose
  • Gummistiefel
  • Flachmeißel
  • Fäustel
  • Hammer (am Besten etwas schwerer als ein Geohammer)
  • Verpackungsmaterial
  • Rucksack.

Man sollte sich schon im Vorfeld über die Gezeiten informieren und nur bei ablaufendem Wasser loslaufen. Bester Ausgangspunkt ist der Parkplatz am Heritage Coast Center in Charmouth. Hier gibt es ein kleines Museum, indem man sich vorab noch einmal informieren kann und in dem man seltene Funde nach einem erfolgreichem Sammeltag melden sollte. Wenn es sich tatsächlich um einen seltenen Fund handelt, wird er in eine Liste aufgenommen, auf die die entsprechenden Wissenschaftler zugreifen können. Museen haben für eine gewisse Zeit (einige Monate) dann ein Vorkaufsrecht auf das Stück.
Im Folgenden sollen die zu findenden Fossilien vorgestellt werden. Die abgebildeten Stücke wurden, mit wenigen Ausnahmen, über einen Zeitraum von 20 Jahren von K. Genzel und F. Genzel gesammelt und präpariert. An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass das Sammeln nur am Strand erfolgen darf, da es sich beim dem Küstenabschnitt um ein von der UNESCO ausgezeichnetes Weltnaturerbe handelt.
Am häufigsten findet man Belemniten, wenn auch komplette Exemplare selten sind. Aber das eine oder andere Stück wird jeder finden können. Meistens findet man die Gattung Passaloteuthis.

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Passalotheutis sp., größtes Exemplar ca. 10 cm


Bei den Ammoniten kann  man unterschiedliche Erhaltungszustände unterscheiden: Pyritisierte oder Schalenerhaltung mit Calcit auskristallisierten Kammern. Leider lässt sich allerdings die Schale nur selten erhalten, da die Trennfuge zwischen Schale und Steinkern aber nicht zwischen Gestein und Schale vorhanden ist.
Pyritsteinkerne finden sich in der Regel lose am Strand. Man muss nur den Spülsaum absuchen. Um größere Exemplare zu finden muss man aber schon der Erste sein, der nach einer Flut sucht. Die besten Chancen pyritisierte Ammoniten zu finden gibt es bei Stonebarrow, da hier die entsprechenden Schichten unter das Strandniveau abtauchen und so die Ammoniten durch die Brandung heraus gewaschen werden.

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Echioceras raricostatum, ca. 3 cm

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Eoderoceras armatum, ca. 10 cm

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Crucilobiceras densinodulum, ca. 5 cm

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Häufigster pyritisierter Ammonit: Promicroceras sp. , größter Durchmesser ca. 2 cm, Mitte unten unbestimmter Ammonit, verm. Crucilobiceras 

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Zusammenspülung verschiedener Ammoniten

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Oxynoticeras lymense, ca 8 cm

Bei den Eoderoceraten und den Oxynoticeraten lohnt es sich diese aufzusägen und zu polieren. Die Kammern sind meistens mit Calcit auskristallisiert, oft zoniert in unterschiedlichen Farben. Bei den Echioceraten sind die Kammern meist mit Pyrit gefüllt, daher lohnt ein Aufsägen selten.

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Oxynoticeras lymense, ca. 8 cm, median aufgesägt und poliert.

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Eoderoceras sp., median aufgesägt und poliert, ca. 10 cm

Bei den pyritisierten Ammoniten habe ich die Erfahrung gemacht, dass einige Arten häufiger dem Pyritzerfall zum Opfer fallen als andere. So beginnt der Zerfall bei den Echioceraten sehr rasch innerhalb des ersten Jahres bei ca. 90 % der Funde, wohingegen andere Arten stabiler sind. Aber auch bei den anderen Arten sind die Zerfallserscheinungen sichtbar.

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„Aufgeblühter“ Crucilobiceras densinodulum


Möchte man calcitierte Ammoniten finden muss man nach Konkretionen oder Bruchstücken derselben suchen. Die einzelnen Konkretionslagen heißen z.B.

  • Woodstone (weil häufig Holz in ihnen zu finden ist)
  • Flatstone (rel. flach in Bezug auf die horizontale Ausdehnung)
  • Stellari nodules (nach Asteroceras stellare)
  • Epophioceras stone (nach Epophioceras sp.)
  • Xipheroceras stone (nach Xipheroceras sp.)
  • etc.

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Typischer Flatstone, ca 0,7 m

Neben einzelnen Konkretionslagen finden sich einige durchgehende Kalkbänke, die meist aber leider fast fossilleer sind. Lediglich der so genannte Humocki Limestoneenthält gehäuft Ammoniten der Gattung Echioceras sp. Leider lassen sich diese Ammoniten nur sehr schlecht präparieren. Aber von den Gezeiten abgeschliffene Handstücke machen sich auch gut für den Garten.

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Von der Brandung abgeschliffenes Handstück aus dem Humocki Limestone mit mehreren Exemplaren von Paltechioceras sp.

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Nach langwieriger Präparation ist das das Ergebnis: Paltechioceras sp., ca. 10 cm Durchmesser.

In den „Birchi Nodules“ findet man, allerdings nicht besonders häufig, Microderoceras birchi. Die Lage mit diesen Konkretionen läuft etwa am Parkplatz von Charmouth auf Strandniveau aus. Die Konkretionen können beachtliche Größen von bis zu 1 m oder größer erreichen. Man erkennt sie an einer Querstreifung. Der Ammonit ist leicht an seinen 2 Dornenreihen auf jeder Flanke zu erkennen. Die Präparation ist nicht besonders einfach, da die Konkretionen sehr hart sind…

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Microderoceras birchi, ca. 12 cm

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Microderoceras birchi mit mit Calcit auskristallisierten Kammern, ca. 13 cm

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Details zum vorhergehenden Bild

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Auch hier lohnt manchmal das Aufsägen bei Exemplaren, die nicht mehr so ganz perfekt sind.

In den Woodstones und Flatstones finden sich die in Sammlerkreisen begehrten Asteroceraten. Die Schicht mit den Flatstones erkennt man bei Stonebarrow daran, dass in der entsprechenden Lage viele „Löcher“ vorhanden sind. Diese stammen von den Konkretionen die hier mal gesessen haben und dann durch Sammler herausgemeißelt wurden. Man muss dazu sagen, dass diese Art der Fossiliensuche illegal ist, aber einige Unverbesserliche gibt es immer wieder.

In den Woodstones findet man in der Regel Asteroceras confusum, in den Flatstones in der Regel Asteroceras obtusum. Diese Asteroceraten können Größen bis zu 25 cm erreichen. Asteroceras stellare aus den Stellari Nodules wird auch bis zu 60 cm groß.
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Asteroceras confusum, ca. 17 cm

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Asteroceras obtusum, ca 15 cm

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Stufe mit 2 Asteroceras obtusum, größeres Exemplar ca. 10 cm

Wesentlich häufiger als Asteroceraten findet man die kleinwüchsigen Promicroceraten. Diese sind in der Regel bis zu 3 cm groß.
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Promicroceras planicosta, teilweise ist die Perlmuttschale erhalten, ca. 3 cm

Mit sehr viel Glück findet man - vornehmlich in den Woodstones - lagenweise angereichert mehrere Dutzend bis mehrere hundert Exemplare. Bei diesen Anreicherungen, die meist nur 1 cm mächtig sind, handelt es sich um Zusammenspülungen, möglicherweise um Rinnenfüllungen.

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3 Exemplare sog. Prom-beds, Ammoniten ca. 2 cm Durchmesser


Die häufig in den Woodstones zu findenden Holzreste weisen auf eine nicht allzu küstenferne Ablagerung hin. Ein weiteres Indiz für Küstennähe sind die verschiedenen Insektenreste, die sich sowohl in den Woodstones, als auch in den Flatstones finden lassen.

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Einige Insektenreste, je ca. 1 cm



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Libellenflügel, Bildbreite ca 5 cm
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Unbestimmter Käfer, ca 2 cm


Auch ein fast vollständiger Scelidosaurier, ein landlebender Dinosaurier, wurde kürzlich über einen Zeitraum von 3 Jahren hinweg gefunden.

http://www.fossilcollections.co.uk/nkspike/nkspike.html

http://www.jurassiccoastline.com/jurassic_Info5.asp?ID=67&FossilDataID=67
Ein weiterer Ammonit der Flatstones ist der fast glattschalige Bouhamidoceras jacksoni:
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Bouhamidoceras jacksoni, ca 4 cm

Weitere Ammoniten der Black Ven Marls:

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Arnioceras semicostatum, ca 8 cm


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Epophioceras longicella, ca. 5 cm


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Stufe mit Epophioceras longicella und Promicroceras planicosta, Größe der Stufe ca. 15 cm


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Xipheroceras cf. dudressieri und Cymbites sp. ca. 5 cm

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Aptychus aus einem Woodstone, ca 0,5 cm

Neben den Ammoniten findet man hin und wieder Reste von Seelilien, mit etwas Glück auch größere Stücke. Die Schicht, aus der die Stücke stammen, liegt ca. 1,20 m unterhalb der Flatstones. Aber auch hier gilt, dass nur auf der von den Gezeiten beeinflussten Fläche direkt in der Schicht gesucht werden darf. Meistens reicht es aus die Seelilienstücke unter Wasser mit einer Bürste zu reinigen.

Gewöhnlicherweise findet man solche Stücke:

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Seltener sind solche:

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Hier gibt es das linke Exemplar in höherer Auflösung und hier das rechte.


Aber auch Reste von Fischsauriern, Fischen und Krebsen lassen sich in den Black Ven Marls finden:
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Unbestimmte Fischreste ca. 5 cm



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Auch größere Fische gibt es (annähernd) komplett zu finden. Mein Sammlerfreund Brandon, dem ich hier herzlich für die Erlaubnis zur Benutzung des Bildes danke, hat dieses Exemplar gemeinsam mit mir zusammen vor einigen Jahren gefunden. Am Strand waren nur einige schwarze Punkte und Linien zu erkennen, von dem Asteroceras (Durchmesser ca. 10 cm) war noch nichts zu sehen. Die Präparation erfolgte durch Pete Langham. Sammlung und Foto: B. Lennon

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Brandon mit der Fischkonkretion unmittelbar nach dem Fund. Die schwarze Linie auf dem kleiner Stück läßt erahnen, dass etwas in der Konkretion sitzt.


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Reste von Hybodus sp., einem Hai, ca. 2 cm
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Paddelknochen eines Ichthyosauriers, ca 10 cm
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Zahn eines Ichthyosauriers, ca. 1 cm
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Diverse Knochen eines Ichthyosauriers, Breite des Stückes ca. 12 cm
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Ober- und Unterkieferfragment und Wirbel eines Ichthyosauriers, Wirbel ca. 8 cm Durchmesser

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Ichthyosaurierwirbel und –Rippen, zwischen den Rippen sind Reste des Mageninhaltes erkennbar, Präparation mit Essigsäure, Breite ca. 20 cm
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Detail des vorherigen Bildes
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Mehrere Koprolithen, Erzeuger unbekannt
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Plesiosaurierwirbel, ca. 6 cm hoch
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Krebs in einem Woodstone, positiv und negativ, Bildbreite ca. 60 cm, Sammlung: Rose und Bernie Abbot, Lyme Regis. Herzlichen Dank für die Erlaubnis, das Foto zu verwenden.
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Gryphaea sp., Lesefund, Black Ven, vemutlich aus dem Blue Lias, ca 6 cm

 

Links zu Teil 1 und Teil 3 der Serie über Südengland:

Genzel, K. (2006): Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 1, in: Fundorte / Großbrittanien, Steinkern.de

Genzel, K. (2008): Stratigrafie und Fossilien der Jurassic Coast, Südengland - Teil 3, in: Fundorte / Großbrittanien, Steinkern.de

 


Literatur:

M. House, 1989: Geology of the Dorset Coast, The Geologists´association
D. Brunsden, 2003: The Official Guide to the Jurassic Coast, Coastal Publishing, 
      Wareham
J.C.W. Cope et all, 1980: A Correlation of Jurassic Rocks in The British Isles
      Part One: Introduction and Lower Jurassic, Geological Society, London
J.C.W. Cope et all, 1980: A Correlation of Jurassic Rocks in The British Isles
      Part Two: Middel and Upper Jurassic, Geological Society, London


Veröffentlichungen über Dorset in unserer Zeitschrift Der Steinkern:
SIMONSEN, S. (2012): Eine Exkursion in den Unteren Jura von Dorset (S. 18-39), Der Steinkern, Heft 8, S. 18-39.