Frankreich

Steinkern.de Archivschatz des 3. Quartals 2023: Évrecy 2008

 
Évrecy 2008 oder:Sammlertraum mit Verfallsdatum
7. Juli 2008
                                        
Zwischen Pfingsten und Frohnleichnam verdichteten sich die Gerüchte, dass sich in der Normandie was tut. Das ist an sich nicht ungewöhnlich. Immer wieder werden bei lokalen Baumaßnahmen interessante fossilführende Schichten angeschnitten.In der Gegend um das Flüsschen Orne sind es südlich von Caen vor allem die Schichten des Bajoc, die auf Grund ihrer reichhaltigen Fossilführung die Sammler anlocken und durch ihre teilweise perfekte Schalenerhaltung auch anspruchsvollere Klientel erfreuen kann. Kann deshalb, weil auf vielen der Baustellen, die diese Schichten anschneiden, durch deren Oberflächennähe die Erosion die Fossilien oft schon stark angegriffen bis zerstört hat.
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Im aktuellen Fall war das glücklicherweise anders.
 
Anlass war der "Unterbau", sprich Kanalisation für einen Supermarkt (glaube ich).
 
Dabei wurden zum Teil enorme Brocken, die stramm Richtung Kubikmeter gingen, auf eine dafür eingerichtete Halde direkt vor Ort befördert.

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Diese Brocken führten Fossilien von der Stephanoceratenschicht bis zum Parkinsonienoolith. Die dazwischenliegende Garantianenschicht war teilweise extrem hart. Es stellte sich heraus, dass, von Ausnahmen abgesehen, die Fossilien der unteren Stephanoceratenschicht am besten erhalten, bzw. präparierbar sind. Weitgehendes Freisticheln und anschließendes, schonendes Sandstrahlen mittels Eisenpulver brachte gute Ergebnisse. Das gilt (eingeschränkt) natürlich auch für die anderen Schichten. Den Fossilien im harten Gestein ist hauptsächlich durch Druckluftstichel beizukommen., während die oberste, leicht angewitterte Parkinsonienschicht auch zum Strahlen geeignet ist.
Davon weiter unten mehr.
Schließlich geht es in erster Linie nicht um Fossilien, sondern um die Menschen, die diese suchen. Und die dafür Einiges in Kauf nehmen. Ist doch die knapp bemessene Zeit wertvoll und will optimal ausgenutzt werden. Also nutzt man zur Anfahrt die Nacht, wobei man sich idealer Weise beim Fahren ablöst. Trotzdem. Das hinterlässt Spuren. Aber: warum viel schreiben! Bilder sagen mehr...

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Bei Ralf ist das Foto natürlich gestellt, ähm ... wir haben ihn zum Foto auf
gestellt...

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 Ich hab zumindest versucht, zu schlafen
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Uli und der Autor:  im Café , VOR! dem Kaffee

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  Uli und der Autor: NACH! dem Kaffee vor Ort.

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 Nach einem langen "Arbeitstag"...

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 ... ist der "Haldenkönig" immer noch quietschvergnügt! Kein Wunder,
bei den Funden...

Zeit, uns wieder den "Fossis" zu widmen! Die begegnen uns auf der
Halde erst mal, wie im Folgenden an ein paar Beispielen gezeigt:

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 Bathrotomaria sp. ca 4cm

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 Pleurotomaria sp. ca. 5cm

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Ralf neben einer 28 cm grossen Parkinsonia. Im Vordergrund ein dazuge
höriger Brocken mit einer ca. 17 cm großen Parkinsonia. Dazu gehörte
noch eine ca. 9cm grosse Pleurotomaria und ein kleiner Pyrgotrochus
(ca. 2cm)

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Typische Fundkiste mit anpräparierten Fossilien

Fossiltechnisch lieferte die Stephanoceratenschicht (natürlich) in erster
Linie Stephanoceraten bis ca. 30cm, i.d.R. aber zwischen 5-12cm. Dabei
waren komplette Exemplare weitgehend auf Normannites, den Microconch
zum Stephanoceras, beschränkt und auch selten anzutreffen. Leider
waren die meisten Stücke unvollständig erhalten. Häufig und dazu meist
komplett waren Chondroceraten bis ca. 4,5cm anzutreffen. Andere
Ammonitenarten waren entsprechend seltener. Gefreut habe ich mich über
den Einzelfund eines ca. 3,5 cm grossen, leider nur teilerhaltenen
Phylloceras.

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 Normannites sp. ca. 4,5cm. Eines der wenigen gut erhaltenen Stücke.

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 Chondroceras sp. ca. 4cm mit Trigonia sp. Stephanoceras sp. und kleiner
 Brachiopode
 Fund , Präparation u. Sammlung: Ralf Botzenhardt
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Chondroceras sp. ca. 4cm

Als Liebhaber fossiler Gastropoden gab es hier "Vollbedienung". Besonders
die Familie der Pleurotomariidae war mit zahlreichen Arten, die teilweise
Grössen bis ca. 20cm erreichen konnten (gesehen, nicht gefunden...),
vertreten. In dieser Schicht waren auch Amberleya (Eucyclus) in einer
Qualität zu finden, die wirklich keine Wünsche offen ließ.

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 Amberleya (Eucyclus) sp. ca. 3cm und Stephanoceras sp. ca. 1,5cm
 Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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 Amberleya (Eucyclus) sp. ca. 2,5cm und Spinigera sp. ca 3cm
 Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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 Pleurotomaria cf. proteus var. paucistriata DESL. ca. 8cm
 Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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 Pleurotomaria ? cf. transilis D'ORBIGNY ca. 5cm
 Fund, Präp. u Sammlung: Ralf Botzenhardt 

In der Garantianenschicht traf man (natürlich) verschiedene Vertreter dieser Familie an. Auch Strenoceraten, Oppelien, Strigoceraten und Spiroceraten waren neben diversen Perisphincten häufiger zu finden.Einem französischen Sammlerkollegen gelang der Fund eines ca. 23 cm langen Spiroceras ?sauzeanum. Den hielten wir zuerst (es schaute anfangs nur die Wohnkammer raus) für einen Belemniten. Dann war die Freude natürlich um so grösser! Mein bester Fund in diese Richtung war ein über 32cm langer Spiroceras ?orbignyi. Allein für den hat sich das Ganze gelohnt!
Gastropodenfunde gab es hier vornehmlich durch diverse Vertreter der Pleurotomariidae. Auch Pseudomelania, Pictavia, etc. waren öfter anzutreffen.
Da wir hauptsächlich Schnecken sammeln, sind bisher auch so gut wie keine Ammoniten präpariert. Wenn das geschehen ist, werden diese noch einmal gesondert an dieser Stelle oder aber in der Galerie vorgestellt.

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 ca. 23cm langer Spiroceras ?sauzeanum in sitú
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Spiroceras ?orbignyi ca. 32cm

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Detailansicht des Spiros

Die Schnecken der Garantianenschicht werden abschließend gemeinsam mit denen der Parkinsonizone gezeigt.
Zu Letzterer: Vertreter der Familie, die dieser Schicht ihren Namen gibt, waren dann auch am häufigsten anzutreffen. Die Größten erreichten bis über 30 cm. Mein wohl bester Fund aus dieser Schicht war das schon weiter oben erwähnte Puzzle mit einer 28cm großen Parkinsonia, auf der die ca. 9cm große Pleurotomaria ?armata sitzt, usw. Da ich so große Teile besonders liebe (grrr), steht die Präparation erst einmal wie ein Berg vor mir.
In dieser Schicht waren neben diversen Vertretern der Cadomiten auch Oxyceriten, Perisphincten etc. vertreten. Gastropoden: siehe Garantianenschicht.
In allen drei Schichten fehlten natürlich auch Belemniten nicht. Inkohltes Holz war ab und an anzutreffen. Es gab Schwämme, selten Echiniden. Vereinzelt fanden sich kleine (bis ca. 2,5cm) Solitärkorallen.
Anmerken möchte ich zu den maximalen Größenangaben und der Fundhäufigkeit der einzelnen Spezies, dass diese sich auf die Stücke beziehen, die andere Sammler und ich in den mir zur Verfügung stehenden acht Sammlungstagen gemacht haben. So kann die Bewertung eines anderen Sammlers durchaus anders ausfallen. Auch ich habe bspw. in einer "Sammelsession" sieben Strigoceraten gefunden, während einer anderen keinen einzigen...
Nun zu den Schnecken:

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Pleurotomaria cf. tuberculosa DEFRANCE ca. 6cm
Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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 Pyrgotrochus cf. elongatus ca. 4,2cm
 Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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Pyrgotrochus cf. mutabilis var. coelata DESL. ca. 4cm
Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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Pleurotomaria cf. armarta 4,7cm u. Obornella cf. granulata D'ORBIGNY
ca. 2,5cm
Fund, Präp. u. Sammlung: Ralf Botzenhardt

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 Pleurotomaria cf. thiarella DESLONGCHAMPS 1949 ca. 3,8cm

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Pyrgotrochus cf. conoidea DESHAYES in D'ORBIGNY 1855  ca 6,8cm

Wie Eingangs erwähnt: Aufschlüsse dieser Art sind zeitlich sehr begrenzt. Wo gestern des Sammlers Paradies war, steht morgen ein Gebäude und nur die gemachten Funde und Fotos halten wehmütig die Erinnerung an eine tolle Baustelle wach, die man ausnahmsweise mal nicht verschlafen hat. Dennoch: gebaut wird immer wieder in dieser Gegend. Da heißt es, am Ball zu bleiben. Denn wer weiß: vielleicht entsteht auch in Zukunft mal wieder eine Aufschlusssituation, die das Potential hat, Sammlerträume zu materialisieren.
Zum Schluss möchte ich mich vor allem bei meinem Freund Ralf Botzenhardt, aber auch bei meinen Sammelfreunden Wolfgang Fischer, Uli Kohl und Anderen für die schöne Zeit bedanken.
Auch gilt mein Dank einem mir namentlich leider nicht bekannten französischen Baggerfahrer, bei dem ich wohl durch meine Bemühungen, einen großen Block aus der Halde zu zerren, Mitleid erweckt haben muss. Der beförderte mir dann auch noch einige andere Ungetümer ans Licht, bei denen aus einem dann bei strömenden Regen der grosse Spiro rausschaute...

Liebe Grüsse   Paul


Literatur:
WINKLER, Paul (2008), Évrecy - ein Sammlertraum, in: Der Steinkern - Heft 1, S. 33-39.