Sonstige Bundesländer

Fossilien aus dem oberharzer Unter-Karbon

Große Teile des nordwestlichen Harzes bestehen aus Kieselschiefern, Tonschiefern und Grauwacken unterkarbonischen Alters. Man spricht von der Kulm-Fazies; im Gegensatz zum Kohlenkalk, der andernorts das Unter-Karbon repräsentiert. Die Kulm-Sedimente werden allgemein als Ablagerungen in einem sauerstoff- und nährstoffarmen Binnenmeer gedeutet.

Die Grauwacke wurde im vorigen Jahrhundert in zahlreichen, kleinen Steinbrüchen gewonnen; wie hier in der Nähe der Gaststätte „Untere Innerste“ südwestlich von Clausthal.

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Abb. 1: Grauwacke-Steinbruch

Die Sedimente wurden im Zuge der variskischen Gebirgsbildung intensiv verfaltet, teilweise senkrecht gestellt. In den Sedimenten sind gelegentlich Strömung- und Rutschmarken zu erkennen. Das folgende Bild zeigt Rutschmarken, die höchst wahrscheinlich durch einen untermeerischen Geröllstrom verursacht wurden. Wir blicken von unten auf die Sedimentschichten.

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Abb. 2: Geröllstrom-Spur

Ein Leitfossil ist die in Tonschiefern überlieferte Muschel Posidonia becheri. Das hier gezeigte Exemplar hat 2 cm Größe. Ihr Vorkommen beweist, dass mindestens zeitweise die Oberfläche des Meeresbodens mit Sauerstoff versorgt war.

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Abb. 3: Posidonia becheri

Das folgende Fossil deutet der Verfasser als Abdruck eines Kiesel-Schwamms. Die Mulde scheint durch den Schwammkörper verursacht; die Erhebung in der Mitte der Mulde könnte die Sediment-Ausfüllung der zentralen Ausström-Öffung darstellen.

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Abb. 4: Kieselschwamm Abdruck

Die folgende Detail-Aufnahme erinnert stark an die Oberfläche von Kieselschwamm-Fossilien z. B. aus dem Devon.

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Abb. 5: Kieselschwamm Detail

Trilobiten sind aus Kulm-Sedimenten bereits lange bekannt. Auch bei Clausthal treten sie auf, allerdings selten (nur ein Fund in acht Jahren).

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Abb. 6: Trilobit

In den Tonschiefern sind gelegentlich Grab- oder Wohngänge unbekannter Tiere überliefert. Das bedeutet, dass auch zumindest zeitweise die oberste Bodenschicht des Kulm-Meeres mit Sauerstoff ausreichend für höhere Lebewesen versorgt war.

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Abb. 7: Gang

Die folgenden Fossilien sind, zumindest in der Umgebung von Clausthal, ziemlich selten. Ein Vergleich mit anderen Kulm-Fundstellen wäre vielleicht interessant.

Das folgende Bild zeigt ein Bruckstück eines Kopffüßers, ca. 2 cm lang, evtl. eines Goniatites striatus. Eine biostratigraphische Gliederung der Kulm-Sedimete mit Hilfe von Goniatiten ist üblich.

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Abb. 8: Ammonit

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Abb. 9: Hier Reste einer kleinen Seelilie. Der Durchmesser der Stielglieder beträgt 1 mm Handelte es sich hier um ein Jungtier? Oder um den Vertreter einer kleinwüchsigen Art? Oder um den Vertreter einer sog. Kümmer-Fauna? Letzteres bedeutet, dass diese Tiere normalerweise größer wurden; aber dieses Individuum blieb klein infolge widriger Lebensumstände, wie etwa Nahrungs- oder Sauerstoffmangel. Das ist schwer zu entscheiden. Stellen wir die Frage zunächst zurück.

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Abb. 9: Jetzt ein gerader Nautilus. Beim Vergleich mit ähnlichen Fossilien, z. B. aus dem Devon des Harzes, fällt auch hier die Zierlichkeit des 2 cm langen Fossils auf. Auch in diesem Fall gibt es hierfür mehrere Erklärungsmöglichkeiten. Angesichts der kleinen Seelilie ist der Verfasser der Ansicht, dass es sich hier, wie auch bei der Seelilie, um Vertreter einer Kümmer-Fauna handelt.

In den Grauwacken, nur selten in den Tonschiefern, des Harzes treten auch Pflanzenfossilien auf. Es handelt sich meist um Landpflanze-Reste. Sie werden als Reste der Vegetation gedeutet, die die sog. Mitteldeutsche Schwelle damals begrünt hat. Diese begann sich im Unter-Karbon, bereits im Zuge der variskischen Gebirgsbildung, zum Gebirge zu erheben.
Dies führte auch zur Ablagerung von grobem Sandstein mit reichlich Gesteinsbruchstücken, der späteren Grauwacke, statt der Tonschiefer. Diese Fossilien sind bei weitem nicht so gut erhalten und schön, wie z. B. die filigranen Abdrücke im Hangenden von Kohleflözen. Es gibt auch nur wenig Literatur dazu. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, möchte der Verfasser sie einmal vorstellen.

Inkohlte „Blätter“, wie das folgende, sind relativ selten. Dem Verfasser gelang nie der Nachweis irgendwelcher Aderung oder ein sonstiger Hinweis auf Wasser- oder Saftleitungsgefäße. Deshalb nimmt der Verfasser an, dass es sich um den Rest eines Seetangs handelt.

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Abb. 10: Tang

Im Folgenden eindeutige Landpflanzen.

Die Ausfüllungen des zentralen Hohlraums des Stammes von Schachtelhalmgewächsen, den Calamiten, sind relativ häufig zu finden in den Grauwacken des Oberharzes. Teilweise sind sie noch mit einer dünnen Rinde aus kohliger Substanz überzogen. Es handelte sich dabei sicherlich um baumartige Gewächse. Die Durchmesser der Fossilien betragen bis zu 3 cm.

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Abb. 11: Calamites1

Das folgende Bild zeigt ein eher durchschnittliches Exemplar von 1 cm Durchmesser.

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Abb. 12: Calamites

Reste von Farnen, und zwar die verfestigten Ausfüllungen des zentralen Hohlraums der Blätter, sind deutlich seltener. Beim mittleren Exemplar sind deutlich die Ansatzstellen für die einzelnen Blattfiedern zu erkennen.

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Abb. 13: Farn-Blattachsen

Reste von Bärlappen sind selten.

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Abb. 14: Bärlapp

Die Abnahme der Häufigkeit der Fossilien von Schachtelhalmen über Farne zu Bärlappen fällt zusammen mit der abnehmenden Bedürftigkeit nach Wasser. Wahrscheinlich standen die Schachtelhalme nahe an den Ufern der Süßgewässer der Mitteldeutschen Schwelle; die Farne weiter weg; die Bärlappe ganz abseits. Alle drei Pflanzengruppen waren jedoch Sporenpflanzen, die zur Vermehrung zwingend auf flüssiges Wasser am Boden angewiesen sind.

Bei dem folgenden, „bohnenartigen“ Rest von 2 mm Länge vermutet der Verfasser, dass es sich um einen inkohlten Samen handelt. Samen-Pflanzen sind seit dem Ober-Devon bekannt. (Samen-Farne und Nadelbäume). Über die dazugehörige Pflanze werden wir wohl niemals etwas erfahren.

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Abb. 15: Samen

Die Fossilien aus den Oberharzer Kulm-Sedimenten geben einen Einblick in die Lebewelt in der Nähe des Äquators zur Unter-Karbon-Zeit, vor ca. 320 Mio. Jahren. Der Sedimentationsraum der Kulm-Sedimente lag sicherlich südlich des 30. nördlichen Breitengrades, also südlich der geographischen Breite von Marokko; wahrscheinlich in Äquatornähe; evtl. auf der Südhalbkugel der Erde.

Das Kulmmeer war ein lebenswidriges, aber kein absolut lebensfeindliches Binnenmeer, in dem etliche Tierklassen, wie Muscheln, Schwämme, Trilobiten, Kopffüßer lebten (laut Literatur wurden auch, extrem selten, Fischreste gefunden). Im Zuge der variskischen Gebirgsbildung kam es zur Ablagerung von Grauwacken, aus denen keine Tierfossilien überliefert sind; was bei dem grobkörnigen Gestein aber auch kaum zu erwarten ist. Die reichlichen Reste von Sporenpflanzen, insbesondere von Calamiten, aber auch Farnen und Bärlappen, legen nahe, sich die Mitteldeutsche Schwelle als grün bewachsen vorzustellen. Möglicherweise waren auch die Hänge mit frühen Samenpflanzen mehr oder weniger bedeckt. Das Surren, Summen und Zirpen von Insekten mag die Luft erfüllt haben. - Der empfindsame Mensch würde den Gesang der Vögel vermisst haben; und die Schönheit und den Duft der Blüten der bedecktsamigen Pflanzen.

Glück Auf aus Goslar

Georg Graf