Kurioses und Humor

Neue Theorien zur Fortbewegungsmethode von Ammoniten

Ein gar nicht mal so neuer Fund eines Aspidoceras aus Brunn wurde kürzlich veröffentlicht und lieferte überraschende Erkenntnisse. Seilacher & Co zeigen in ihrer Arbeit auf, dass Ammoniten vermutlich vorwärts geschwommen sind. Also mit dem Kopf voran und nicht - wie bisher angenommen - via Rückstoßprinzip.


Diese Erkenntnis wurde dank hervorragend überlieferter und zu Lebzeiten des Ammoniten angesiedelter Entenmuscheln Pollicipes pollicipes, welche zur besseren Nahrungsaufnahme zur Strömung hingerichtet anwachsen, gewonnen. Eine regelrecht revolutionäre Entdeckung!

Steinkern.de möchte hier nun den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Arbeiten wiedergeben. Dafür möchten wir uns herzlich bei Prof. Dr. L. Inke der Universität Berlin, sowie Dr. S. Trick der Universität Stuttgart bedanken, die uns via Mail Rede und Antwort standen!

"Wie weitreichend dieser Fund des Aspidoceras flatulentius (Martin), die Ammonitenforschung verändert, konnte man sich zu Anfang gar nicht vorstellen", schrieb Inke gleich zu Beginn seiner Mail. Neben den Entenmuscheln sorgten hervorragend überlieferte Conellen für Aufsehen. "Conellen sind schon seit den ersten Funden dieser Art ein heiß diskutiertes Thema" sagte uns Trick via Email. "Fehlinterpretationen gab es schon reichlich. Sie wurden früher als Aufwüchse gedeutet - z.B. Seepocken oder Napfschnecken. Dass dies falsch war, wurde dann recht schnell erkannt. Bis zuletzt war man sich sicher, dass die Conellen Bestandteile der Ammonitenschale selbst sind und die gängige Auffassung war, dass sie grundsätzlich Umwandlungsprodukte ursprünglich aragonitischer Sphärolithsektoren sind."


Taramelliceras cf. compsum mit Conellen aus dem Malm Gamma 3, Sammlung Nico Küter.

Der neue Fund des Aspidocreas flatulentius zeigte jedoch, dass diese Annahme so nicht gehalten werden konnte. Teile der Conellen fehlten nämlich und die Fehlstellen gaben den Blick frei auf den Innenraum des auskristalisierten Phragmokons. "Die Conellen durchstießen folglich die Schale und auffällig ist auch, dass Conellen bisher nur am Phragmokon zu finden sind." Für Prof. Dr. L. Inke gibt es nur eine logische Erklärung. "Bringen wir die beiden Erkenntnisse - Ausrichtung der Entenmuscheln und Conellen-Öffnungen - nun zusammen so ergibt sich die Möglichkeit, dass die Conellenöffnungen als eine Art Antriebsdüse fungierten und die erhaltenen Conellen eine Art Steuerungseinheit für den Antrieb waren, sie sich also je nach Bedarf öffneten und schlossen.". Diese gewagte These lies Inke sogleich im Institut für Strömungsforschung Berlin untersuchen. Mit überraschendem Ergebnis.

Die Lage der Conellen ermöglicht einen hervorragenden Antrieb in strömungsidealer Position.  Die Wohnkammer der Ammoniten war seinen Berechnungen nach leicht angehoben: "Mündung und Nabel mit einer Linie verbunden standen etwa in einem Winkel von 15° zum Meeresgrund.", so Inke.


Ungefähre Schwimmhaltung von Ammoniten bei einer Fortbewegung von links nach rechts.Ataxioceras sp. Malm Gamma 1 oben, Sammlung Andreas Martin

So ausgerichtet konnten sich die Ammoniten mit dem geringsten Wiederstand im Wasser fortbewegen. Doch wie schnell? Und woher kam die Schubkraft? Auch hierauf hat Inke die Antworten: "Das Phragmokon von Ammoniten war kräftiger gebaut, als man es bisher annahm. Wir waren zugegeben etwas betriebsblind... Schließlich finden wir Ammoniten, deren Phragmokon perfekt erhalten ist, obwohl es als Hohlraum vorliegt. Diese Körper mussten also dem enormen Sedimentationdruck trotzen und blieben erhalten, während die von Sediment verfüllte Wohnkammer nur als Abdruck vorliegt und klassisch "platt" ist". Die neue Theorie zur Fortbewegung geht davon aus, dass Ammoniten im Phragmokon einen enormen Überdruck herstellen konnten. Trick sagte dazu: "Wir gehen derzeit von etwa 15bar über dem Wasseraussendruck aus". Dieser Druck konnte durch die schlagartige Öffnung einiger der Conellen geregelt entweichen und ermöglichte so ein rasches Fliehen vor den Feinden, die zudem durch die Blasenbildung der entweichenden Gase verschreckt und irritiert wurden. "Dank dieser Funde ist es uns nun möglich die Lebensweise der Ammoniten zu rekonstruieren. Endlich haben wir es geschafft Licht in eine der letzten dunklen Ecken der Paläontologie zu bringen" so Dr. S. Trick. Aktuell wird untersucht, wie der Ammonitenkörper ausgesehen haben könnte. "Bisher sind keine detailierten Wichteilfunde von Ammoniten bekannt, man hat nie die gesuchten Fangarme gefunden, sondern immer nur recht difuse Abdrücke. Wir gehen daher derzeit davon aus, dass diese Fangarme gar nicht existiert haben. Zur Fortbewegung waren sie schließlich nicht mehr nötig und die Nahrungsaufnahme kann auch auf anderem Weg erfolgen". Zudem sei jetzt klar, weshalb Weichteilreste so selten erhalten sind, obwohl bspw. in den Sonlnhofener Plattenkalken ideale Bedingungen für eine solche Überlieferung herrschten. Das Ammonitentier sei nach dem Ableben aufgrund des Überdrucks regelrecht aus dem Gehäuse katapultiert worden, erklärt Inke, und sei damit in den meisten Fällen Aasfressern zum Opfer gefallen.

Wie der Ammonit die erforderlichen Gasmengen produziert hat, ist allerdings noch ungeklärt. Dort sind sich die Wissenschaftler noch nicht einig: S. Trick: "Inkes Theorie die Gase entsprüngen dem Verdauungstrakt sind geradezu lächerlich.". Es bleibt spannend...

Derzeit befindet sich der Aspidoceras flatulentius noch in Untersuchung, weshalb wir hier noch keine Bilder zeigen können. Selbstverständlich liefern wir diese aber nach. Dieses Thema ist einfach zu spannend.