Zu Besuch im Solnhofener Bürgermeister-Müller-Museum

Wer zum Fossilien sammeln ins Altmühltal fährt, sollte sich dabei nicht auf den Besuch der Besuchersteinbrüche beschränken, sondern unbedingt auch ausreichend Zeit zum Aufsuchen der lokalen Museen einplanen. Das Anschauen der Museen dient neben der Information über die Materie "Solnhofener Plattenkalk" auch der Inspiration fürs Sammeln. Eigentlich sollte man im Zusammenhang mit dem Solnhofener Plattenkalk besser von "Suchen" als von "Sammeln" sprechen, denn tatsächlich verdanken die Plattenkalke des Altmühltals ihre paläontologische Bedeutung weniger einer besonders hohen Dichte von Fossilien, sondern vielmehr der außergewöhnlich guten Erhaltung und der hohen Biodiversität der – mit Ausnahme weniger Vertreter und bestimmter Fundorte und Schichten – nicht gerade häufigen Funde. Nur die historische und bis heute andauernde manuelle Abbautätigkeit der Steinbrecher und die systematische Suche durch viele Privatsammler und einige Händler sowie die Durchführung von wissenschaftlichen Ausgrabungen durch Museen und Institute ermöglichten es, einen umfassenden – sicherlich aber noch längst nicht abschließenden - Überblick über die Fossilführung der Solnhofener Plattenkalke zu gewinnen. Dieser wurde von ARRATIA et al. (2015) in dem opulenten Werk "Solnhofen – Ein Fenster in die Jurazeit" jüngst eindrucksvoll dokumentiert. Die Ablagerungen der Plattenkalkwannen im Gebiet um Solnhofen und Eichstätt repräsentieren einen Lebensraum im Oberjura, rund 150 Millionen Jahre vor unserer Zeit, den man sich als tropische Insel- und Lagunenlandschaft vorstellen kann.
 
Es gibt mehrere regionale Museen, die Exponate aus den Solnhofener Plattenkalken präsentieren: das Maxberg-Museum Gunzenhausen, das Museum auf der Willibaldsburg in Eichstätt, das Privatmuseum Bergér auf dem Harthof bei Eichstätt und das Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen.

 

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Abb. 1: Ein großes Banner und ein Dinosaurier vor dem Eingangsbereich machen das Bürgermeister-Müller-Museum im Ortsbild von Solnhofen unübersehbar.

 

In diesem Beitrag soll über das Bürgermeister-Müller-Museum berichtet werden, hat es doch in den vergangenen Jahren unter Leitung von Dr. Martin Röper dank innovativer Konzepte eine rasante Entwicklung genommen. Die Entstehungszelle des Museums ist die vormalige Privatsammlung des früheren Solnhofener Bürgermeisters Friedrich Müller, die 1954 von ihm begründet wurde und seit 1968 der Öffentlichkeit zugänglich ist. Seither hat sich viel getan. Ein großer Schritt hin zu einem modernen Museumskonzept, war die Einrichtung des "Paläozoos", der erst 2015 eröffnet wurde. Über das Ausstellungskonzept berichteten RÖPER & SATZINGER (2016)  im Solnhofen-Spezialheft der Steinkern-Zeitschrift ausführlich. Zum Erfolgsrezept des Museums zählt u. a. auch die Einbeziehung zahlreicher öffentlicher und privater Leihgeber, so beschreiben RÖPER & SATZINGER (2016) das Museum als internationalen Treffpunkt, wo Menschen, die in der Materie der Solnhofener Fossilien leben, ihre ideelle Heimat finden können. Der Beitrag von Händlern und Sammlern zum Kulturleben wird anerkannt und diese danken es auf ihre Weise, nämlich mit Beteiligung an der Museumsausstellung in Gestalt von exzellenten Sammlungsstücken.

Ende Mai 2017 hatte ich im Rahmen einer Exkursion in den Frankenjura und das Altmühltal die Gelegenheit das Solnhofener Museum zu besichtigen. Zuletzt war ich im Kindesalter dort gewesen und so war für mich die Ausstellung – abgesehen davon, dass sie sich noch im selben Gebäude befand und ein eher kleiner Teil der Exponate auch damals schon ausgestellt gewesen war, vollkommen neu. Die farbliche Gestaltung der Räume erfolgt passend zu den jeweils präsentierten Tieren und Pflanzen. Auch ist die Ausleuchtung der Exponate gekonnt auf die jeweiligen Bedürfnisse (z. B. Streiflicht) abgestimmt und jedes Fossil gut in Szene gesetzt. Mir hat der Raum mit den Fischen besonders imponiert, natürlich aber auch der Ikonenraum, in dem u. a. zwei Urvögel, der Paintener Raubdinosaurier und Flugsaurier präsentiert werden. Diesen herausragenden Fossilien wird jeweils der ihnen gebührende Raum in einzelnen Vitrinen und Schaukästen geboten, so dass sich der Besucher ganz auf das exklusive Einzelexponat konzentrieren kann. Bei allen Ausstellungsstücken des Museums handelt es sich um Originale. Jedes Stück ist gut leserlich in gleichbleibendem Stil beschriftet. Es werden Informationen zur Tiergruppe, zur Gattung oder Spezies sowie deren Erstbeschreiber und zum Lebensraum gegeben. Immer wieder finden sich passend zu den in der Umgebung ausgestellten Exponaten übersichtliche Tafeln mit gut verständlichen Erläuterungen zu den präsentierten Fossilgruppen.
Neben dem Raum Solnhofen / Eichstätt ist in jüngerer Zeit auch eine beachtliche Vielzahl von Fossilien aus den östlicher gelegenenen Plattenkalken-Gebieten um Kelheim und Painten in die Schausammlung integriert worden. Diese stammen z.T. aus museumseigenen Grabungen. Was der Besucher beim Rundgang nicht sieht: das Museum Solnhofen verfügt neben der Schausammlung auch über eine umfangreiche Lehrsammlung, die künftig u. a. Schulklassen, interessierten Bürgern und Hobby-Paläontologen ermöglichen soll, Fossilien selbst in die Hand zu nehmen und vor Ort im Museum zu studieren.
Der Präparationsstandard der ausgestellten Plattenkalk-Fossilien ist ausgesprochen gut. Dies hängt auch damit zusammen, dass viele Exemplare erst in jüngerer Zeit und nach heutigen Standards und mit den jetzt verfügbaren modernen Präparationsmethoden präpariert wurden. Insgesamt hat das Auge daher viel Freude beim Betrachten der Exponate. Es wird dabei auch nicht langweilig, dafür sorgt neben den Fossilien auch die dynamische Gestaltung des Gesteinsuntergrunds, auf dem diese liegen. Wurden früher die meisten Plattenkalkfossilien einheitlich auf Kachelformat mit zentriert ausgerichtetem Fossil zurecht formatiert, so ist man am Bürgermeister-Müller-Museum schon vor Jahren dazu übergangen, ganz bewusst auf die Individualität naturgebrochenen Gesteins zu setzen.
Die empfindlichen Exponate werden notwendigerweise hinter Glas gezeigt, jedoch kommt man dennoch überall sehr dicht mit dem Auge an die Objekte heran, so dass man die vielfältigen Details genießen kann.
Nicht zu vergessen, bei aller Begeisterung über die paläontologischen Exponate, ist die das Ambiente abrundende informative Ausstellung im Obergeschoss des Museums, die dem Solnhofener Plattenkalk, der damit untrennbar verknüpften Erfindung der Lithografie sowie dem Ort Solnhofen mit seinen Steinbrüchen und Fossilien gewidmet ist. In diesem Bereich werden auch die alljährlichen Sonderausstellungen präsentiert. Das ganze Museum ist übrigens barriefrei zugänglich.

Nachfolgend möchte ich aus der Vielfalt hunderter Exponate einen kleinen Teil illustrieren. Ich habe hunderte Fotos gemacht, mich am Ende aber bewusst für eine kleine Auswahl entschieden, um einem eigenen Besuch vor Ort nicht zuviel vorwegzunehmen.

 

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Abb. 2: Rhabdocidaris orbignyana mit Stachelkranz – ein echter Hingucker. Dieser große Seeigel bewohnte steinige Weichböden der Flachwasserplattform am Rand der Brunner Lagune. Rhabdocidariden sind z. B. auch in Schwammrifffaunen des Frankenjuras zu finden. Dort sind zwar die Coronen körperlich erhalten, um die Bestachelung in situ zu überliefern, fehlten dort jedoch – anders als in den Plattenkalken – die konservatorischen Voraussetzungen.

 

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Abb. 3: Meereskrokodil aus Painten, eines der im Museum mit dem "Top 10 – Stempel" versehenen Exponate.

 

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Abb. 4: Welcher (Hobby-)Paläontologe gerät beim Betrachten eines solchen "Fischschwarms" nicht ins Schwärmen?

 

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Abb. 5: Dieser Knochenfisch  aus dem westlichen Eichstätter Subarchipel könnte einer der Jäger ...

 

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Abb. 6: ... der weit verbreiteten "Sprotte" Leptolepides sprattiformis gewesen sein, die 2016 zum Fossil des Jahres der Paläontologischen Gesellschaft gekürt wurde. Ein "Fischleinflinz" dieser Größe ist schon außergewöhnlich, während jeder selbst einzelne Fische dieser Spezies im Plattenkalk eines des Besuchersteinbrüche finden kann.

 

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Abb. 7: Nahaufnahme eines Seesterns der Gattung Riedaster von der Typuslokalität, dem Rieder Seesternbioptop im Kelheimer Meeresbecken. Dies ist übrigens ein Ausschnitt einer großartigen Platte mit 7 (in Worten sieben!) Exemplaren der Art Riedaster reicheli.

 

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Abb. 8: Fiederqualle aus dem Mündungsbereich des Pfalzpainter Kanals. Die detailgetreue fossile Erhaltung eines solchen Nesseltiers ist nur an Konservatlagerstätten wie den Solnhofener Plattenkalken denkbar.

 

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Abb. 9: Unter den Insekten sind bei Fossiliensammlern Libellen besonders beliebt, die im Bildbeispiel stellvertretend für die im Museum ebenfalls gezeigten Wasserläufer, Netzflügler und Käfer stehen. Insekten sind in den inselnahen Ablagerungen der Plattenkalkwannen meist keine ausgesprochenen Raritäten, können aber aufgrund ihrer oft geringen Größe, beim Platten spalten leicht übersehen werden.

 

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Abb. 10: Pflanzenfossilien findet man vor allem in den Aufschlüssen der östlichen Plattenkalke. Das Bürgermeister-Müller-Museum ist durch seine eigenen Grabungen in diesen Bereichen gut sortiert und kann dementsprechend schöne paläobotanische Schaustücke präsentieren. Das Foto zeigt Farnwedel.

 

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Abb. 11: Der Raubdinosaurier aus Painten (Holotypus von Sciurumimus alberdoerferi) ragt unter den Neuzugängen der letzten Jahre im Museum hervor. Im Beschreibungstext heißt es, dass (Stand 2014 - und das ist vermutlich auch heute noch up to date) nur drei Raubdinosaurier aus dem Plattenkalk bekannt sind. Alle drei stammen aus den östlichen Plattenkalkvorkommen im Bereich der Schamhauptener und Paintener Lagune.

 

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Abb. 12: Kurzschwanzflugsaurier der Gattung Pterodactylus aus Painten.

 

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Abb. 13: Holotyp von Wellnhoferia grandis, Original des 6. "Archaeopteryx". Die Abgrenzung von Wellnhoferia und Archaeopteryx ist in der Fachliteratur umstritten, da sie hauptsächlich auf Merkmalen des Fußskeletts basiert. Von denjenigen, die eine Zugehörigkeit des 6. Urvogel-Exemplars zu Archaeopteryx annehmen, wird argumentiert, es könnte sich bei der Abweichung um eine individuelle Besonderheit (Pathologie) des Individuums handeln, da ähnliche Veränderungen des Fußskeletts auch in der rezenten Tierwelt bei gleichartigen Tieren beobachtet werden können (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wellnhoferia ).

 

Wiederkehrende Besuche des Bürgermeister-Müller-Museums lohnen sich nicht nur, weil man bei einem einzelnen Besuch gar nicht jedem Exponat die ihm gebührende Aufmerksamkeit schenken kann und somit beim nächstes Mal wieder viel Neues entdecken wird, sondern auch aufgrund der regelmäßig stattfindenden Wechselausstellungen. Die gegenwärtige Sonderschau "Internationale Fossilien: Von der Schnecke zum Saurier – Eine paläontologische Reise" läuft noch bis zum 5. November 2017. Auch hier gelang es Museumsleiter Dr. Martin Röper durch seine gute internationale Vernetzung wunderschöne und seltene Exponate von Museen, Institutionen und privaten Sammlungen als Leihgaben zu gewinnen. Einzelheiten hierzu sind dem Flyer zur Sonderausstellung (http://www.solnhofen.de/export/download.php?id=1278) zu entnehmen. Nachfolgend zeige ich einige Einblicke in die Sonderschau als "Appetithappen", auch hier wiederum ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen – es lohnt sich nämlich wirklich sehr selbst hinzufahren!

 

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Abb. 14: Sonderschauvitrinen mit internationalen Fossilien. Die vorderen Vitrinen zeigen Sammlungsstücke aus der Alpinen Trias, die von Horst Ruschak zusammengetragen und präpariert wurden. Neben der Formenvielfalt und guten Erhaltung bestechen die Exponate durch ihre wunderschöne Farbgebung.

 

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Abb. 15: Stufe aus der Alpinen Trias, weitere Angaben sind dem Beschreibungstext auf dem beigefügten Zettel zu entnehmen.

 

 

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Abb. 16: Gezeigt wird auch eine Vitrine mit Seeigeln und Korallen aus Nattheim. Die exquisit erhaltenen Stücke wurden von Karl-Heinz Veit (✝) gesammelt.

 

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Abb. 17: Mein eigener kleiner Beitrag zur Sonderschau der internationalen Fossilien – einige meiner schönsten Funde von mehreren Exkursionen in den Unterjura von Dorset. Falls jemandem etwas bekannt vorkommt, spricht das für ein gutes "Fossilgedächtnis", denn einige dieser Stücke habe ich bereits in Berichten auf Steinkern.de vorgestellt.

 

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Abb. 18: Fossilien aus dem Pliozän der Toskana.

 

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Abb. 19: Tetrapodophis amplectus, eine Schlange aus der Unterkreide Brasiliens in einer der Sonderschauvitrinen. Jede Vitrine bzw. mehrere Vitrinen nebeneinander beinhalten jeweils zu einem Themenkomplex zusammengeschlossene Fossilien mit entsprechender Erläuterung. Insgesamt wurde, wie schon in der Dauerausstellung, auch hierbei wieder großer Wert auf die Ästhetik der Exponate gelegt, sodass nicht nur Fachbesucher angesprochen werden.

 

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Abb. 20: Was man mit Solnhofener Plattenkalk und anderen regionalen Gesteinen noch so alles anfangen kann, zeigt diese Vitrine.

 

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Abb. 21: Wolfgang Lindner hat Oberjura-Ammoniten bzw. die sie umgebende Gesteinsmatrix auf besondere Art und Weise in Szene gesetzt und kurios anmutende Skulpturen erschaffen.

 

Ausblick
Die Kombination von Museumsbesuchen und eigener Suchtätigkeit in den Besuchersteinbrüchen, ermöglicht die Durchführung spannender Sammelurlaube im landschaftlich reizvollen Altmühltal. Zudem sind Unterkünfte und Verpflegung in dieser Region preiswert zu bekommen. Nachdem ich Anfang 2016 das von den Brüdern G. & M. Berndt herausgegebene Heft 24 der Steinkern-Zeitschrift verlegen durfte, wollte ich den Solnhofener Plattenkalk auch einmal aus eigener Anschauung kennenlernen. Über die Ergebnisse meines "Selbstversuchs im Plattenkalk", werde ich demnächst an anderer Stelle berichten.


Öffnungszeiten / Anreise
Aktuelle Informationen zu den Öffnungszeiten des Museums entnehmen Sie bitte http://www.solnhofen.de/index.php?id=0,84.

Die Anschrift des Museums lautet: Museum Solnhofen, Bahnhofstr. 8, 91807 Solnhofen

 

Dank
Mein herzlicher Dank für den freundlichem Empfang im Museum Solnhofen gilt dem Ersten Bürgermeister des Ortes Solnhofen Herrn Manfred Schneider und dem wissenschaftlichen Leiter des Museums Herrn Dr. Martin Röper. Ihnen danke ich darüber hinaus auch für die Möglichkeit zum Fotografieren im Museum und die freundliche Erlaubnis eine Auswahl von Fotos auf Steinkern.de veröffentlichen zu dürfen.

 

Literatur:

Arratia, G. et. al. (Hrsg.) (2015): Solnhofen - Ein Fenster in die Jurazeit 1 + 2 - Gesamtausgabe,
München.

Röper, M. & Satzinger, K. (2016): Der neue "Paläozoo" im Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen, in: Der Steinkern, Heft 24, S. 24-29.