Evolution eines Kugelfisches: Vom Börsenleichling zum attraktiven Sammlungsstück

Ich möchte in diesem Beitrag einen Vertreter der Gattung Gyrodus, vermutlich der Art hexagonus zugehörig,  aus den Solnhofener Plattenkalken vorstellen, den ich von einem Händler erwerben konnte und der zu Beginn alles andere als vielversprechend war. Interessant war lediglich die Lokalität, der er entstammte.
Was dann mit dem Stück passiert, mag mancher ablehnen, ist aber durchaus gängige Praxis in der ausstellenden Paläontologie. Man denke nur an die großen Dinosaurier, oder die montierten Köpfe großer Panzerfische in vielen Instituten dieser Welt.

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Abb. 1: Urzustand

Der auf Abb. 1 gezeigte Urzustand zeigt deutlich, dass hier viel gearbeitet wurde. Konturen wurden mit einer mir nicht bekannten Spachtelmasse, die an talgige Glimmerschiefer erinnert da in ihr Muskovit-ähnliche Flittern enthalten sind, lieblos aufgebaut. Es wurden diese „Restaurationen“ reichlichst mit Farbe kaschiert.
Die Anatomie sieht noch recht gut aus, der Körper weitestgehend im Verbund. Das „Spitzmaul" rührt von dem leicht verrutschten Unterkiefer her, unterhalb des Kopfes in Richtung der Körperhöhle finden sich Mazerationen, ein quasi allgegenwärtiges Problem bei Fischen dieser Gattung. Im vorderen Bauchbereich schlecht vertuschte Klebenähte, die darauf hindeuten, dass hier möglicherweise gebastelt, sprich etwas eingesetzt wurde das nicht zum Tier gehört. Dann sind noch Stufen im Fossil zu erwähnen, die von schlechten Verklebungen herrühren.
In Schulnoten könnte man das Stück nur aufgrund der Lokalität als eine freundliche Fünf bezeichnen. Immerhin kein totaler Durchfaller.

Zustandssuche
Es galt nun festzustellen, was sich in diesem abgespeckten Designerfossil wirklich verbirgt. Vorsichtige Löseversuche an der Farbe mit Nitroverdünnung brachten nur unbefriedigende Ergebnisse, also musste man dann doch auf den eisigen Balkon bei leichtem Schneetreiben und dem Braten mit Aceton zu Leibe rücken. Da tat sich dann auch so einiges! Die Farbe ließ sich gut entfernen und auch der Spachtelkram löste sich auf. Eine freudige Überraschung, die anfangs vermutete Einsetzarbeit stellt sich als so zum Fisch gehörig heraus, was so wirklich nicht zu vermuten war. Auch zeigt sich nach und nach das ehemals schwer überpinselte Schuppenkleid im vorderen Körperhöhlenbereich, zwar nur als Negativ, dafür aber recht ordentlich artikuliert. Im Kopf tauchen an der richtigen Stelle hintere Oberkieferzähne auf, die vorher nicht zu sehen waren. Der vordere Kieferknochen samt zugehöriger Zähne bleibt vorerst verschollen. Schade ist, dass die Flossen durch das Entlacken deutlich an Farbe verlieren. Man kann eben nicht alles haben. Die Stufen im Fossil, hier ist vor Allem der vordere Rücken zu nennen, stammen wie anfangs vermutet von einer miserablen Verklebung. Offensichtlich war der Fisch auf mindestens drei Ebenen verspalten. Die vorliegende Platte bestand ursprünglich aus zehn oder mehr Teilen, was sich anhand der Brüche feststellen lässt. Vermutlich wurde der Fisch auf zwei Seiten (Positiv und Negativ) präpariert. In der Zeit aus der er stammen dürfte, wir reden hier von den 60er oder frühen 70er Jahren, war das durchaus üblich. Heutzutage wird glücklicherweise fast alles durchpräpariert.
Die undefinierbaren Klebstoffe und Spachtelmassen, vermutlich wurden hier Uhu, Weißleime und verschiedene Karosseriespachtelmassen eingesetzt, sowie der vermutlich mitunter sehr dünnen Trägerschichten wurde davon abgesehen das ganze Stück aufzulösen.

Formfindung
Nun wurde damit begonnen die Kontur des Fisches zu betonen, ohne dabei die alte Präparation vollends zu vertuschen, denn es soll der Charakter eines alten Stückes durchaus erhalten bleiben. Dabei bricht die Matrix unmittelbar um den Fisch regelmäßig ein. Es handelt sich um eine Folge von falsch gewähltem Kleber, schlechter Verklebung und viel zu geringem aufgewandten Druck, um einen hohen Fugenschluss zu erreichen. Es blieben Hohlräume zurück, die nun mit Vorliebe unter dem Druckluftstichel implodieren. Das hat dann wieder einiges an Auffüllarbeiten zufolge, die mittels Spritze und langsamen aushärtenden, eingefärbten Epoxid-Harz erfolgten.
Im Kopf wird noch einiges an Spachtelmasse im Bereich des Schädeldaches entfernt. Auch hier finden sich darunter originale Knochen, die das Gesamtbild erfreulich abrunden. Es bleiben zwei auffallende Defizite. Der verrutschte Unterkiefer und der, durch die so verschobenen Proportionen, exponierte Mazerationsbereich unterhalb des Kopfes.

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Abb. 2: Der "entlackte" Gyrodus.

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Abb. 3: Begonnene Betonung der Kontur des Fisches.

Restauration
Eine Restauration des Stückes erscheint nicht zwingend notwendig, wird aber in Betracht gezogen um eine gefälligere Erscheinung des Stückes zu erzielen. Damit man beurteilen kann was man erreichen kann, wird diese zuvor am Rechner skizzenhaft simuliert. Die Prognose erscheint mehr als lohnenswert.

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Abb. 4

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Abb. 5:  Skizzierung zwecks Prognose im Hinblick auf den Effekt einer Restauration.

So wird denn der verrutschte Kiefer chirurgisch aus der Platte entfernt und an der richtigen Stelle wieder in das Stück eingefügt. Damit ist das unnatürlich anmutende und doch sehr störende Spitzmaul beseitigt. Das dabei  entstandene Loch vor dem Kopf wird in bewährter Manier aufgefüllt und kaschiert. Dann wird noch der Frontbereich des Oberkiefers vorsichtig formergänzt, wobei ein weiterer Zahn des Oberkiefers auftaucht, der das Bild zusätzlich abrundet.  
Abschließend  wird der Spot um den Fisch vervollständigt, der in möglichst gleichmäßigem Abstand der Körperform folgt. Dabei werden die alten zu groß geratenen Präparationsflächen stehengelassen, die das Fossil nach wie vor als ein altes Stück kennzeichnen. Der Spot fokussiert den Blick des Betrachters ohnehin auf das Objekt und lenkt damit von diesen Stellen ab. Über eine Koloration einiger Negativpartien ist noch nicht abschließend entschieden, aber vermutlich bleibt das Stück im dem gezeigten Zustand.

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Abb. 6: Das Ergebnis nach der Restauration. Für eine weitere Großaufnahme hier klicken.

Dokumentation
Der letzte Schritt, der noch getan werden muss ist die akkurate Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen. In der Datenbank werden neben dem aktuellen Bild auch die Vorher-Zustände verwahrt. Und da Bilder, gerade auch elektronisch verwaltete, mal verloren gehen können, wird im Rahmen der Inventarisierung auf der Rückseite des Stückes nicht nur die Sammlungsnummer, Gattung, Art und Fundort vermerkt, sondern auch das Maß der Restaurationen.

Letztendlich handelt es sich bei dem Stück um folgenden Fisch:
Gyrodus hexagonus
Größe: 21cm
Fundort: Zandt, Solnhofener Plattenkalke
Sammlung U. Resch