Was ist erlaubt beim Ergänzen?

Wer ein schönes Fossil findet, bei dem leider irgendwo ein Eck fehlt, verspürt nicht selten den Wunsch nach Vollkommenheit. Doch, wann geht retuschierende Präparation in marokkanische Schnitzkunst über und wann trägt ein ausgebessertes Stück zurecht die Bezeichnung Fälschung? Anhand zweier Ammoniten möchte ich meine persönliche und selbstverständlich rein subjektive Schmerzgrenze aufzeigen.

Beim ersten Ammoniten handelt es sich um einen rund 32 Zentimeter großen Orthosphinctes (Lithacosphinctes) evolutus aus dem untersten Malm Gamma 1 von Hartmannshof. Das Stück war durch eine Sprengung grausam aus dem Schichtverband gerissen worden, wobei ein Teil der Außenwindung (siehe graue Fläche) im Steinechaos der Halde nicht mehr aufzufinden war. Aus etlichen Teilen zusammengesetzt, habe ich mich aus zwei Gründen doch an die langwierige Präparationsarbeit gemacht: Der Ammonit ist ausnahmsweise einmal kaum verdrückt und mit dem Endmundsaum überliefert. Bei der Präparation zeigte sich zudem noch, dass die innersten Windungen nur mangelhaft erhalten sind (siehe grauer Kreis). 

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Ich habe die innersten Windungen mit dem Stichel nachgefahren und leicht geglättet. Noch vorhandene Rippenfragmente habe ich dabei stehen gelassen. Ganz wurde auf das Schnitzen von Rippen verzichtet. Selbst bei genauer Kenntnis der Morphologie bekommt man die Anzahl und mögliche Feinheiten, wie etwa Einschnürungen, bei Vertretern der Perisphinctiden nie hundertprozentig hin. Dagegen bereitete das Ausbessern der lädierten Außenwindung keine Probleme. Da die Basis und damit die Anzahl der Rippen noch klar ersichtlich war, musste ich den Außenbereich nur annähernd angleichen. Als Füllmasse diente mir gewöhnlicher Holzleim (Ponal), den ich mit äußerst fein gesiebtem Steinmehl zu einer derart festen Masse angerührt hatte, dass die Oberfläche keinen Glanz mehr aufwies. Um die genaue Farbe hinzubekommen, rühre ich vorher einige Probemischungen auf ein Zeitungspapier und schaue mir den Farbton nach dem Trocknen - da ist er deutlich dunkler!- an. Die Verbindung Ponal-Gestein ist übrigens optimal, der fertige Ammonit kann hinterher inklusive der ergänzten Stellen mit einem Steinpflegemittel eingelassen werden.

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Auch die Nummer 2 kommt aus Hartmannshof. Das Stück ist leicht gedrückt, aber ebenfalls mit Endmundsaum überliefert und rund 32 Zentimeter groß. Die inneren Windungen sind nur mäßig erhalten. Ich habe mich aber in diesem Fall jeglicher Verschönerungsaktionen enthalten, weil es sich um keinen gewöhnlichen Lithacosphinctes evolutus, sondern möglicherweise um einen wesentlich selteneren Vertreter der Gattung Subdiscosphinctes handeln könnte. Auch dieser Ammonit hatte eine brachiale Sprengung nicht unbeschadet überstanden (siehe graue Fläche).

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Da dieser Bereich zwischen dem Büschelrippenstadium (Anfang des letzten Umgangs) und dem Stadium mit den einfachen Wulstrippen lag und nahezu skulpturlos gewesen zu sein schien, konnte ich diese Fläche ohne schlechten Gewissens mit Ponal und Steinmehl an die Umgebung angleichen.

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Mein Fazit: Ergänzungen sind dort sinnvoll und wissenschaftlich unbedenklich, wo ich nicht Gefahr laufe, Rippen an Stellen zu setzen, wo vorher keine waren, oder Rippenspaltungen zu kreiren, die das Tier zu Lebzeiten nicht hatte. Bei der Farbgebung versuche ich eine möglichst genaue Angleichung an das Original. Deutlich sichtbare farbliche Abstufungen machen Wissenschaftler und Sammler, die noch am Üben sind ;-). Beim Präparieren ist es legitim, die Windungen auch dann noch ein Stück nach innen zu päparieren, wenn keine Rippen mehr zu sehen sind. Viele Malm-Ammoniten haben irgendwo einen "Aussetzer" - Bei dem ersten Stück sieht man einen solchen am Beginn der zweiten Windung -  und laufen dann aber munter weiter. Wenn man allerdings definitv feststellt, dass nach innen nichts mehr kommt, sollte man aufhören. Wer jetzt hier in Versuchung gerät, Rippen zu sticheln, kann gleich einen Aufnahmeantrag an die Arietenschnitzergilde Schwäbische Alb e.V. stellen.

Sammlung, Fotos und Copyright Victor Schlampp für steinkern.de