Trilobiten

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 11. Teil: Präparation eines Dicranurus aus Atchana

Auch der vorliegende Trilobit der Gattung Dicranurus entstammt einer „Leichen-Kiste“. Der scheinbare Fehler aufgrund dessen er darin gelandet ist: die rechte Wange ist um ca 1,5 mm verrutscht. Nun, mir ist das recht egal. Haben ist besser als brauchen, also übernehme ich das Stück gerne vom Vorbesitzer.

Der Stein besteht aus einigen Stücken, die aber sofort zusammengefasst werden können, so dass erst einmal vier Teile übrig bleiben.

 

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Abb. 1 und 2: Der Pfeil zeigt auf eine Vergrößerung der Glabella-Hörner.

 

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Abb. 3: Probehalber zusammen gepuzzelte Scherben.

 

Begonnen wird mit den Kopfhörnern. Man muss sich schließlich möglichst frühzeitig orientieren verschaffen, wie das Fossil eigentlich im Gestein liegt. Die Trennung ist recht gut und im Verlaufe der Präparation wird eine Menge Material zu bewegen sein, denn der Trilobit verläuft dicht unter der basalen Bruchlinie.

 

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Abb. 4: Kopfhörner.

 

Das alles mit dem Stichel? Nee! Stattdessen kommen erst einmal kleine Hämmerchen zum Einsatz. Gezieltes Beschlagen spart eine Menge Zeit, mal abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise ohnehin die schöneren Steine ergibt, also Steine mit natürlich aussehenden Bruchkanten, die keine Stichelspuren aufweisen.

 

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Abb. 5

 

Eine Anprobe kann nicht schaden. Es sieht so weit alles gut aus. Die Fugen sind schön schmal. Dabei ist es immer eine frickelige Sache bei vielen Brüchen, die teilweise auch noch über Eck verlaufen. Passt die erste Fuge nicht, potenziert sich der Fehler mit jeder weiteren Klebung.

 

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Abb. 6: Anprobe.

 

Wieder kommen die Hämmerchen zum Einsatz. Dann werden die Stacheln der rechten Flanke weiter freigelegt, die im unteren Block liegen. Es folgt eine weitere Zwischenprobe.

 

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Abb. 7

 

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Abb. 8: Erneute Anprobe.

 

Es passt immer noch sehr gut. Nun werden auch die noch fehlenden Steine mal mit angehalten. Es kann direkt angezeichnet werden, was vorab schon mal weg kann.

 

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Abb. 9

 

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Abb. 10

 

Dabei fällt auf, dass zwei Stacheln ins Leere laufen (Abb. 11). Das war doch vorher noch nicht so? Mist, nicht aufgepasst!
Jetzt zeigt sich der Vorteil des Beschlagens gegenüber der Säge. Mülleimer auf, den Gesteinsschutt auf einem Tisch ausgebreitet und dann werden die Teile gesucht.
Zwei Scherben sind es, die nach recht geringem Zeitaufwand wiedergefunden werden können.

 

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Abb. 11

 

Die beiden Stacheln passen nicht so ganz in das Gesamtbild, an der Stelle wo sie sich befanden, hatte ich nicht mit ihnen gerechnet. Nun werden sie angebuddelt. Sie laufen irgendwie deutlich aus der Richtung. Kein gutes Omen. Und dann wurde bei der Präparation beinahe auch noch ein weiterer Stachel „gekillt“.

 

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Abb. 12

 

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Abb. 13

 

So geht es dann nach vorne und wieder nach hinten und wieder nach vorne und zurück, bis so viel vom Trilobiten freiliegt, dass man nichts mehr machen kann, ohne dass der Stein bricht. Inzwischen ist klar geworden, dass es kein perfektes Stück ist. Mehrere Pleuren sind gebrochen, was aufgrund der verstellten Stacheln eigentlich auch schon zu vermuten war. Ursache ist vermutlich ein zerfledderter Trilobit der Familie Phacopidae, der dicht über dem Dicranurus gelegen hatte (und der im Zuge der Präparation zur Strafe pulverisiert wurde). Komplett ist der Dicranurus aber – immerhin. Sonst fehlt oft genug eine Wange oder am Ende gar das Pygidium.

 

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Abb. 14-16

 

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Abb. 17

 

Jetzt werden die beiden in der Tonne wieder gefundenen Scherben aufgeklebt. Und es wird von unten her verklebt, um Kleisterspuren auf der Außenseite des Steins zu vermeiden.

 

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Abb. 18

 

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Abb. 19

 

Im nächsten Gang wird der Stein, an dem die ganze Zeit gearbeitet wurde, auf seinen Unterbau geklebt.

 

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Abb. 20

 

Danach werden die beiden verbliebenen Steine angepasst und noch etwas umformatiert.

 

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Abb. 21

 

Weiter geht es auf dem Hauptstein: Stege werden weggenommen, Übergänge geschaffen, Stacheln weiter freigelegt. Die rechte Körperseite liegt nahezu ideal, die linke, na ja. Die letzte Pleure hat auf der linken Seite einen verkürzten Stachel. Eine Pathologie, vermutlich häutungsbedingt.

 

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Abb. 22

 

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Abb. 23

 

Es steht die letzte Anprobe der beiden noch fehlenden Steine an, dann wird verklebt.

 

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Abb. 24-26

 

Weiter geht es am Objekt. Die langen Stacheln werden nach und nach bis in die Spitzen freigelegt.

 

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Abb. 27-29

 

Wider Erwarten stellt sich der Trilobit immer attraktiver dar, trotz oder vielleicht gerade wegen der gebrochenen Pleuren. Eine große Rolle beim Gesamteindruck spielt auch die gefällige Optik der umgebenden Gesteinsmatrix mit ihren weitgehend naturbelassenen Rändern.

 

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Abb. 30

 

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Abb. 31

 

Wieder am Objekt arbeitend, verliert der Stein weiter an Masse und das Fossil kommt zunehmend besser zur Geltung. Auch die noch offenen Krater im Stein werden zusehends kleiner (rote Markierungen in Abb. 32).

 

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Abb. 32

 

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Abb. 33

 

Jetzt geht es am Kopf weiter. Die Glabella erweist sich als „zickig“. Hier ist der Raum eng und es gibt tote Winkel. Also gilt es erneut Platz zu schaffen durch vorsichtiges Beschlagen. Manchmal braucht man dabei auch ein Quäntchen Glück. Vor dem Kopf bricht der Stein beinahe ideal. Dabei stellt sich heraus, dass der phacopide Trilobit vor dem Kopf des Dicranurus komplett gewesen wäre. Leider nicht darstellbar und es sind dann auch zu viele Teile gewesen.

 

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Abb. 34

 

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Abb. 35

 

Vorsichtig geht es weiter an den Wangen und den Augen des Dicranurus. Dann wird wieder vorsichtig beschlagen.

 

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Abb. 36

 

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Abb. 37

 

Aus dieser Perspektive sieht der Trilobit gar nicht so schlimm aus:

 

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Abb. 38

 

Aus den nachfolgenden Perspektiven hingegen sieht man die „Ausreißer“ mehr als deutlich. Mal sehen, vielleicht kann man dies am Ende doch noch „richten“

 

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Abb. 39

 

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Abb. 40

 

Weiter geht es am Kopf. Eine kniffelige Angelegenheit, da der Spot um das Fossil nicht mehr weiter vergrößert werden soll.

 

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Abb. 41

 

Es ist auch insgesamt Zeit an die generelle Matrixgestaltung zu denken. Bevor die Feinarbeit Sinn macht, werden zuerst noch vorhandene Löcher aufgefüllt.

 

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Abb. 42

 

Dann wird die Kontur gestaltet und abermals vorsichtig beschlagen. Nicht immer läuft es so, wie man es sich vorstellt. Mehrfach mussten Teile des Trilobiten gesucht und wieder aufgeklebt werden.

 

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Abb. 43

 

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Abb. 44

 

Dann wird die Fläche homogenisiert, also geglättet und in einem fließenden Verlauf gestaltet. Dabei geht es mir darum zu sehen, wie das Stück wirkt, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen abzuwägen.

 

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Abb. 45

 

Nun geht es am Kopf weiter. Da kommt man aber nicht richtig heran. Also kommt der Hammer zum Einsatz. Die Scherbe platzt goldrichtig ab.

 

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Abb. 46

 

Jetzt kann wesentlich besser weiter gearbeitet werden und man kommt bis an den Glabella-Saum und auch an die hinteren Bögen der Wangen heran. Man sieht, welch wichtige Rolle der Winkel des Stichels zum Fossil bei der Freilegung spielt.

 

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Abb. 47

 

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Abb. 48

 

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Abb. 49

 

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Abb. 50

 

Im nächsten Schritt geht es an die Kopfhörner. Diese werden vorsichtig gelöst und in einem Stück abgenommen.

 

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Abb. 51

 

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Abb. 52: Glabella-Horn.

 

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Abb. 53: Kopfschild ohne Kopfhörner.

 

Danach wird das restliche anhaftende Gestein von der Oberseite des Fossils entfernt. Auch bekommt der Spot seine endgültige Form, nachdem die zuletzt vor dem Kopf entfernte Scherbe wieder angebracht wurde.

 

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Abb. 54

 

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Abb. 55

 

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Abb. 56

 

Dann wird die gesamte Fläche geebnet und zwischen den Einzelteilen des Trilobiten noch etwas aufgeräumt und versäubert.

 

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Abb. 57

 

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Abb. 58

 

Anschließend können die Kopfhörner wieder aufmontiert werden. Danach wird das Stück mit Zaponlack eingelassen. Gestrahlt wird es irgendwann mal, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.

 

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Abb. 59

 

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Abb. 60

 

Am Ende steht ein etwas zerfledderter Dicranurus zu Buche, der aber insgesamt doch recht ansehnlich geworden ist. Mit einer Länge von ca. 7,5 cm ist er schon recht groß, aber noch lange kein Riese.
Man hätte noch die zerbrochenen Pleuren mit den hochragenden Stacheln korrigieren können. Da der Trilobit aber auch so sehr gut aussieht und weit mehr manipulierte Dicranuren herumschwirren als die Welt braucht, wurde auf dieses „Enhancement“ verzichtet (vgl. Der Fall Dicranurus).

 

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Abb. 61

 

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Abb. 62

 

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Abb. 63

 

 

Eckdaten zum Fossil:
Dicranurus monstrosus (Barrande 1852)
Länge: 7,5 cm
Fundort: Atchana, Maider Region, Marokko
Stratigraphie: Unteres Devon, Pragium, Ihandar Formation, ca. 412 Mio Jahre


Udo Resch für Steinkern.de

 

 

Bisher erschienene Berichte der Serie: „Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten:

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 1. Teil: Ceratarges ziregensis

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 2. Teil: Ceratarges ziregensis Nr. 2

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 3. Teil: Ceratarges ziregensis Nr. 3

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 4. Teil: Koneprusia

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 5. Teil: Ceratarges sp.

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 6. Teil: Ceratarges sp.

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 7. Teil: Walliserops trifurcatus

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 8. Teil: Walliserops trifurcatus Nr. 2

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 9. Teil: Psychopyge sp. mit extrem kurzer „Nase“

„Eine Kiste voller Leichen“ - Präparation marokkanischer Trilobiten, 10. Teil: Präparation eines Ceratonurus

 

Ein weiterer Bericht zum Thema Dicranurus auf Steinkern.de:

Der Fall Dicranurus - Wie man scheibchenweise die Wahrheit ans Licht bekommt