Trilobiten

Marokkanische Altpräparate devonischer Trilobiten und was man noch daraus machen kann

Wenn man sich länger mit einem Themengebiet beschäftigt, kennt man sich zwangsläufig ein bisschen aus. So lässt sich bei Angeboten eher beurteilen, ob es sich um „altes Gold“ handelt, also um Material, das von Haus aus rar ist, das es kaum noch oder nicht mehr gibt, oder eher um B-Ware mit wenig Potenzial. Ich behaupte nicht, mich mit marokkanischen Trilobiten besonders gut auszukennen, aber 2016 tauchten bei Ebay drei devonische Stücke auf, die mir viel versprechend erschienen. Nachdem ich mir dem Verkäufer einig war, kamen die drei erworbenen Steine sehr schnell bei mir an.

Es handelt sich um „Schlachtware“, also um Trilobiten, die in Marokko mit einfachen Mitteln präpariert wurden. Oft wurden sie mit Stahlnägeln und selbstgebauten Hämmern (beispielsweise aus Motorradkolben) aus dem Gestein heraus „geschlachtet“. Neues Marokko-Material sieht meistens ganz anders aus. „Treffer“ des Fossils sind bei der damaligen Arbeitstechnik unvermeidbar gewesen, dafür handelt es sich aber meist um frühe Funde einer Lokalität. Dies bietet oft den Vorteil, dass die Steine aufgrund der oberflächennahen Lagerung einen hervorragenden Grad der Anwitterung aufweisen. Somit besteht zuweilen eine exzellente Trennung zwischen Stein und Fossil. Um diese optimal nutzen zu können, ist allerdings im Normalfall Druckluftpräparierwerkzeug nötig, dass bei der Erstpräparation in Marokko noch nicht zur Verfügung stand..

Allerdings hat man bei derartigen Erwerbungen auch oft mit reparierten Stellen und Restaurationen an Fossil und Gestein zu kämpfen. Diese sind bisweilen kaum zu erkennen – schon gar nicht anhand von Fotos beim Online-Einkauf. An den Steinen, deren Überarbeitung hier vorgestellt werden soll, waren auch Restaurationen vorgenommen worden.

Nachfolgend möchte ich der Reihe nach die Überarbeitung der Altpräparationen einer Psychopyge, eines Dicranurus und schließlich eines Kayserops beschreiben.

 

Beispiel 1: Psychopyge elegans vom Jbel Issimour

Der vorliegende Trilobit ist nicht groß, immerhin kann Psychopyge die 15 cm-Marke erreichen. Dafür war aber schon auf den eher schlechten Bildern im Ebay-Angebot gut zu erkennen, dass beide Wangen echt sind. Denn ähnlich wie etwa auch Ceratarges schmeißt Psychopyge gerne auch mal eine Wange so weit weg, dass sie nicht mehr auffindbar ist.
Das Fossil liegt leicht im „Hohlkreuz“. Auch das ist gut, denn Psychopyge liegt sonst gerne zusammengeklappt vor. Das ist angesichts der langen Wangenstacheln nicht so schön, lässt den Stein unvorteilhaft aussehen. Stellt man die Wangen frei, macht es das Objekt sehr fragil.
Wie befürchtet und erwartet sind Teile des Trilobiten „abrasiert“, mit anderen Worten: die kleinen Stacheln auf den Pleuren und auf der Spindel sind weg. Aufgrund ihrer geringen Größe fällt es kaum auf.

 

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Abb. 1

 

Zunächst wird dem Stein am Bandschleifer eine Standfläche verschafft, dann die Matrix um den Kopf des Trilobiten geglättet. Dies ist notwendig, um für das nachfolgende Umformatieren des Steins eine bessere Übersicht zu erhalten.

 

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Abb. 2

 

Nachdem das Erscheinungsbild des Steins deutlich gefälliger geworden ist, geht es daran, die Pleurenspitzen freizulegen. Es ist erstaunlich und erfreulich zugleich, was dabei noch alles zum Vorschein kommt.

 

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Abb. 3

 

Im nächsten Arbeitsschritt werden die Flächen des Spots noch einmal überarbeitet und geglättet. Dabei wird beim unvollständigen 2. Pygidialstachel aus kosmetischen Gründen ein Steg in entsprechender Länge stehen gelassen.

 

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Abb. 4

 

Nun wird das Nackenhorn, in dem ebenfalls ein Stückchen fehlt, repariert. Das passiert auch noch an zwei Stellen in den Pleuren. Nachdem alles fest ist, wird das Gestein unter dem Nackenhorn auf einen schmalen Steg reduziert.

 

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Abb. 5

 

Jetzt noch eine Fixierung mit Zaponlack und die Psychopyge präsentiert sich völlig anders als zuvor.

 

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Abb. 6

 

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Abb. 7

 

Die Körperlänge der Psychopyge unter Einschluss der „Nase“ beträgt ca. 7 cm.

 


 

Beispiel 2: Dicranurus monstrosus aus Atchana

Es handelt sich um ein mittelgroßes Individuum, das in leicht nach vorne geneigter Haltung eingebettet wurde. Das Tier ist vollständig. Auch Dicranurus "schmeißt gerne mal eine Wange so in die Weltgeschichte", dass man sie nicht wiederfindet.
Das vorliegende Individuum erscheint leicht disartikuliert. Der Grund hierfür war ein weiterer Trilobit in diesem Stein, eine Crotalocephalina, die wohl einer geordneten Einbettung im Wege war. Leider ist dieser Trilobit dem Vorpräparator zum Opfer gefallen und unrettbar zerstört. Er lag auf der rechten Seite zwischen den ersten beiden langen Stacheln des Dicranurus.
Die Folgen des Gedrängels in dem kleinen Stein bestehen für den Dicranurus im Bruch des vierten Thoraxsegments und einer leichten Rotation der nachfolgenden Segmente gegen den Uhrzeigersinn, was dem Stück etwas mehr Dynamik verleiht.

 

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Abb. 8

 

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Abb. 9

 

Auch bei diesem Stein wird mit dem Schaffen einer Standfläche begonnen. Damit man auch in einer höheren Ausstellungsposition etwas von dem Trilobiten sieht, wird die Standfläche so angelegt, dass das Fossil in Schräglage ausgestellt werden kann. In diesem Zuge wird auch die nunmehr in die Höhe ragende Seite des Steins reduziert.
Bei den Schleifarbeiten wird deutlich, dass der Erstpräparator hinten an den Stachelenden den Stein verlängert hat, damit das Fossil schön mittig liegt. Durch die Nagelspuren war das vorher perfekt kaschiert und nicht erkennbar gewesen.

 

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Abb. 10

 

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Abb. 11

 

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Abb. 12

 

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Abb. 13

 

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Abb. 14

 

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Abb. 15

 

Jetzt geht es daran, das Fossil selbst besser in Szene zu setzen. Der Stein wird vorsichtig Stück um Stück reduziert, das Fossil langsam aber sicher mit einem Spot versehen.

 

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Abb. 16

 

Dabei kann am Kopf noch eine ganze Menge herausgeholt werden, unter anderem auch die Augen. Leider fliegt zwischendurch die Hälfte des rechten Wangenstachels durch die Gegend und muss wieder eingebaut werden.

 

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Abb. 17

 

Beim weiteren Formatieren mit dem kleinen Hammer bricht der Stein an einer nicht gewollten Linie. Mit Sekundenkleber lässt sich aber auch das ganz gut wieder richten.

 

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Abb. 18

 

Am Bandschleifer wird nun noch einmal nachgeschliffen. Und jetzt geht es dem Fossil erst so richtig zu Leibe. Stachel für Stachel wird nachgearbeitet und die dazwischen liegenden Flächen geglättet.

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Abb. 19

 

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Abb. 23

 

Nun ist das „Geweih“ an der Reihe. Die Hörner werden Stück für Stück ausgebaut, um sie später freigestellt wieder aufzumontieren.

 

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Abb. 24


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Abb. 25

 

Und schon stehen die letzten Arbeitsgänge an: Das Versäubern des Spots, das Aufmontieren der Hörner und das Versiegeln des gesamten Trilobiten mit Zaponlack.

Jetzt präsentiert sich der ästhetische Trilobit auf einem Stein, der auf dem Bandschleifer zwei Stellflächen bekommen hat und dessen Schauseite sich mit einer Kombination aus natubeschlagenen Bereichen und einer modellierten Fläche präsentiert – das sieht schon deutlich besser aus als die genagelte Halbschale.

 

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Abb. 26


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Abb. 27

 

Die Spannweite zwischen den Wangenspitzen des Dicranurus beträgt ca. 7,5 cm.

 


Beispiel 3: Kayserops megaspina von Bou Lachraal

Der dritte Trilobit ist fast vollständig eingerollt und sieht auf den ersten Blick ebenfalls recht gut aus. Bou Lachraal liefert in der Regel recht kleine Steine. So ist das Risiko stets hoch, dass ein Trilobit, gerade wenn er lange Stacheln hat, nicht vollständig in den Stein passt. Dieser Kayserops megaspina ist relativ groß, lassen wir uns überraschen.

 

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Abb. 28

 

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Abb. 29

 

Die Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Beim Schleifen der Standfläche wird klar, dass eine Menge Kleber darin steckt. Der Stein ist vermutlich auch nicht so richtig original - das ist eben das Risiko bei diesen genagelten Altpräparaten.

 

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Abb. 30: Die im Schliffbild besonders hellen Bereiche wurden ausgebessert.

 

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Abb. 31

 

Nun aber „ran an den Speck“! Ich beginne mit dem Ausbau der linken Wange. Dann wird auf der Seite mal nach dem Kleber geschaut - Löcher tauchen auf.

 

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Abb. 32

 

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Abb. 33

 

Nach und nach, der Stein wird dabei immer kleiner, kommt man auf den originalen Kern und es offenbart sich, was echt ist und wo nachgeholfen wurde.

 

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Abb. 36

 

Das was sich als original erweist, gilt es nun in Szene zu setzen. Die Buckelpisten werden verschliffen und dann gestichelt. Aus den Stacheln versuche ich noch so viel wie möglich herauszuholen. Dabei fliegt die rechte Wange zwei Mal. Das lässt sich aber verlustfrei reparieren.

 

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Abb. 37

 

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Abb. 38

 

Verschliffen, nachgestichelt und die Wange wieder aufmontiert sieht das Stück nun so aus, dass man mit dem Eregbnis eigentlich gut leben kann.

 

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Abb. 39

 

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Abb. 40

 

Jedoch gefällt mir der Präsentationswinkel noch nicht so richtig. Da muss noch einmal der Bandschleifer ´ran. Außerdem hätte ich die Stacheln am Pygidium gerne vollständig. So fällt der Entschluss zu einer Restauration. Die Wange wird erneut abgenommen und es geht mit dem Bandschleifer zu Werke. Dann wird ein geeigneter Träger für die zu modellierenden Stacheln gesucht.

 

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Abb. 41

 

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Abb. 42

 

Unter dem Mikroskop werden die Ergänzungen der Stacheln auf die richtige Länge gebracht und im Anschluss angesetzt. Nun ist das Hantieren schon so eine Sache und prompt passiert auch ein Malheur einige rekonstruierte Stacheln brechen wieder ab. Man muss sich eben erst wieder daran gewöhnen mit solchen „Igeln“ zu hantieren.

 

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Abb. 43

 

Als alle Stacheln wieder geflickt und die Übergänge versäubert sind, geht es an die Wangen. Die rechte Wange ist kein Problem, da fehlt nur eine Spitze. Bei der linken Wange ist etwa ein Drittel zu ergänzen.
Um die richtigen Radien zu schaffen, wird der Stummel von der linken Seite temporär auf der richtigen Höhe auf die rechte Wange geklebt. Dann werden die Radien auf den Träger übertragen und im Anschluss die Wange aufgebaut nun noch Ablängen und dann zusammensetzen.

 

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Abb. 44

 

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Abb. 45: Zu Vergleichszwecken wurde der abgebrochene linke Wangenstachel temporär an den vollständigen rechten Stachel gehalten (fürs Foto kurz mit Sekundenkleber montiert).

 

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Abb. 46

 

Im nächsten Arbeitsgang werden die Restaurationen mit Wasserfarben farblich angeglichen und das Fossil abschließend versiegelt.

 

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Abb. 47

 

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Abb. 48

 

Am Ende liegt ein Kayserops megaspina vor, den man kaum mehr mit dem ursprünglichen Stein in Verbindung bringen würde. Aus dem klassischen marokkanischen Altpräparat ist ein attraktives Sammlungsstück geworden.

 

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Abb. 49

 

Die Körperlänge des Kayserops incl. Stacheln beträgt ca 10 cm. Zwischen den Spitzen der Wangen bringt es der Trilobit auf eine Spannweite von 8 cm.

 


 

Alle drei hier vorgestellten Arbeiten wurden mit Druckluftstichel, Nadeln, Skalpell, Mikrobohrmaschine sowie Hammer und Meißel ausgeführt. Der Zeitaufwand lag insgesamt bei etwa 20 Stunden.

 

Udo Resch für Steinkern.de, alle Rechte beim Autor.

 

 

 

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