Trilobiten

Steinkern.de Archivschatz des 1. Quartals 2024: Die Präparation eines kleinen "Riesen-Phacopiden" – Pedinopariops (Hypsipariops) vagabundus STRUVE

Steinkern.de Archivschatz des 1. Quartals 2024 (redaktionelle Meldung):

Für den Steinkern.de Archivschatz des 1. Quartals 2024 fiel die Wahl auf den am 20. Juli 2011 veröffentlichten Artikel "Die Präparation eines kleinen "Riesen-Phacopiden" – Pedinopariops (Hypsipariops) vagabundus STRUVE" von Jens Koppka. Die Präparationsleistung des Autors beeindruckt heute wie damals. Jens Koppka ist übrigens dem Devon und den Trilobiten treu geblieben und leitet heute das Naturkundemuseum Gerolstein. Das Museum hat natürlich über Devon-Fossilien hinaus auch so manch anderes zu bieten.

Übrigens, liebe Mitglieder und Besucher der Website, in diesem Jahr feiert Steinkern.de sein 20-jähriges Bestehen. Dies bietet Anlass auch auf Erreichtes zurückzublicken, ohne sich jedoch darauf auszuruhen: Unsere Homepage umfasst mittlerweile über 1400 redaktionelle Artikel, die Galerie über 12.700 Fotos und das Forum rangiert bei über 330.000 Beiträgen. Steinkern.de ist somit die wohl größte frei verfügbare „Schatztruhe“ für Fossiliensammler im deutschsprachigen Raum und täglich kommen neue Themen und Beiträge hinzu. Die Rubrik „Archivschatz des Quartals“ ist als Ermunterung zu verstehen, keinesfalls nur die neuen Berichte zu beachten, sondern auch frühere Artikel zu würdigen und zu studieren, denn nicht wenige davon sind und bleiben zeitlos aktuell.

 

 
 
Einleitende Worte:

Ende Juni 2011, es war wieder soweit, die größte Mineralien- und Fossilienmesse Europas in St. Marie aux Mines im Elsaß öffnete ihre Pforten und auch ich war nun zum dritten Mal mit dabei. Es ist schon ein Erlebnis auf dieser Messe zu sein, da sie größtenteils als eine Freiluftveranstaltung mit vielen Verkaufszelten mitten in einem malerischen französischen Bergbaustädchen stattfindet. Jedenfalls hat diese Messe ein einmaliges Flair, aber sie wird auch gerne von vielen marokkanischen Fossilienhändlern besucht und ist daher gerade für Trilobitensammler besonders spannend. Denn man bekommt reichlich Trilobiten zu sehen, manchmal sogar auch völlig Neues, wenn mal wieder neue Trilobitenlagen entdeckt worden sind. Mit etwas Glück gibt es aber auch unpräpariertes Material. Dieses interessiert mich besonders, da ich es irgendwie nicht mag, mir fertig präparierte Trilobiten zu kaufen, also suche ich lieber nach interessanten „Rohlingen“. Ich sammle und präpariere Trilobiten eben am liebsten selber, da weiß man was man hat und bekommt durch die eigene Arbeit auch zu nicht selbst gefundenen Stücken einen engen Bezug. Momentan lebe ich in der Schweiz und da ist das Trilobitensammeln aus geologischen Gründen leider unmöglich und mal schnell ein paar Trilobiten suchen, wie ich es früher in Norddeutschland machen konnte, tja, die Zeit ist erst mal vorbei.
Aber glücklicherweise gibt es ja fleißige Berber, die wochenlang am Stück in der marokkanischen Steinwüste nach Trilobiten graben, um den Markt mit frischen Trilobiten zu versorgen. In den 80er und 90er Jahren war es nicht allzu schwer Rohlinge zu bekommen, aber in den letzten Jahren ist es leider immer komplizierter geworden. Die Marokkaner machen inzwischen vieles selber und auch die Funde sind nicht mehr so üppig, wie es früher an den unberührten Fundorten der Fall war. Im Maider-Becken bei Alnif kann man inzwischen die abgegrabenen Trilobiten-führenden Horizonte über mehrere 10er Kilometer entlang des Jbel Issoumour verfolgen und man hat so ein paar sehr schöne Leithorizonte geschaffen, wie z.B. die „Couche Rouge“ aus dem Pragium, im Oberems dann die Psychopyge-Couche oder auch die beiden Drotops-Horizonte aus dem Eifel-Givet-Grenzbereich.


Der Kauf:


Ich hatte Glück dieses Jahr in St. Marie, ich war der Erste der die noch ungeöffneten Rohling-Pakete öffnen durfte. Alle Stücke waren säuberlich mit Zeitungspapier verpackt und mit Klebefolie umwickelt. Die einzelnen Scherben waren passgenau zusammengebaut und dann mit Paketband fixiert worden. Sogar Beschriftungen zum Inhalt gab es, allerdings offenbarte die Schreibweise, dass der Schreiber viele der Gattungen in Lautsprache aufgeschrieben hat, also nicht unbedingt in ordentlicher Rechtschreibung. Aber mit etwas Übung weiß man, dass hinter Fakops wohl irgendein Phacops (oder Barrandeops, Austerops u.a.) steckt, hinter Metakantina entweder eine echte Metacanthina aus dem Pragium oder aber wahrscheinlicher ein Hollardops aus dem Oberems. Solcherart Details darf man dann selber durch einen prüfenden Blick auf den Stein und den Querschnitt herausbekommen. Weitere Infos gibt es nicht, denn der Händler wußte es selber nicht. Er hoffte nur, dass er auch wirklich bekommen hat, was er beim Rohlingverkäufer in Marokko bestellt hat. Diesmal war alles gut, sogar besser als erwartet. Gute Rohlinge, fast immer mit allen dazugehörigen Scherben und die Beschriftung entsprach sogar +/- auch dem tatsächlichen Inhalt, wobei Querschnitte zu interpretieren schon fast eine eigene Wissenschaft ist. Und so kam ich dann auch in den Besitz meiner ersten beiden Riesen-Phacopiden, denn es gab ihrer 6. Leider reichte mein Budget nicht, um alle Riesenphacopen (alle waren als Drotops beschriftet) zu erwerben, aber ich habe mir 2 ausgesucht, von denen ich hoffte, dass sie gut werden würden. Der Kauf war nicht billig, aber wenn man weiß, dass die Marokkaner für das Finden eines einzigen guten Drotops-Rohlings mehrere Tage Arbeit leisten müssen, denke ich, dass auch die inzwischen geforderten Preise von 150-200 € pro Rohling gerechtfertigt sind. Zudem war mir ja klar, dass ein Drotops mit so einem glatten Pygidium kein echter Drotops sein kann, sondern wohl eher zu dem selteneren Pedinopariops (Hypsipariops) vagabundus STRUVE, 1990 gehören dürfte. So war es dann auch und ich zog nach 2 Besuchen, etwas Feilscherei und mit 20kg Extragepäck (= 13 neuerworbene Rohlinge) davon, darunter neben dem „Hypsi“ auch noch ein Drotops armatus STRUVE, 1995, doch das ist eine andere Geschichte. Es ist eine Kuriosität beim Kaufen von Rohlingen, dass diese mitunter teurer sind, als die „geschlachteten“ - äh, marokkanischen - Motorradspeichen-Präparate, aber es steckt ja auch noch ein perfekter Trilobit im Stein, der gut und teuer werden kann – so die Marokkaner-Logik. Generell ziehen die Rohlingpreise seit Jahren an, da, wie mir Andreas Rückert versichert hat, die Lebenshaltungskosten in Marokko steigen. Vor allem die Kosten für Lebensmittel sind explodiert und damit gehen eben auch höhere Lohnkosten für die Trilobitensucher einher.


Der Rohling:

Der Rohling bestand aus 4 Scherben, 2 Brüche gingen auf der linken Seite durch den Trilobiten, beim ersten wurden die Pleurenenden zum Teil etwas beschädigt, der 2. Bruch (s. Abb. 1) läuft etwa 1 cm parallel zum ersten und schneidet die linke Freiwange mit Auge (s. Abb. 2), die Pleuren und die linke Seite des Pygidiums an. Daher konnte man sehen, dass es sich um einen ziemlich großen und leider auch halb eingerollten Riesen-Phacopen handelt. Dass es nicht Drotops megalomanicus ist, war schnell klar, da durch einen weiteren Hieb des Finders, die rechte Seite des Pygidiums (Abb. 3) entschalt wurde. Hypsipariops vagabundus hat keine stark ausgebildeten Knoten oder gar Stachel auf dem Schwanzschild und war daher leicht zu erkennen. Die fehlende Schale befindet sich in der 4. Scherbe (Abb. 4) und muss dann später aufgeklebt und wieder aufpräpariert werden.

 
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Abb. 1: Hier der Trilobit Hypsipariops im Querschnitt, man sieht klar, dass dieses Exemplar halb eingerollt eingebettet wurde. Zudem ist ein deutlicher Farbunterschied im Gestein zu erkennen, was anfangs wie eine Gradierung aussah, hat sich dann im Laufe der Präparation als Folge der Verwitterung des ursprünglich komplett grauschwarzen Kalkes herausgestellt. Die braune Partie bedeutet also: Oben (Hangendseite).

 
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Abb. 2: Vergrößerung der Kopfpartie, leider etwas unscharf sind das Auge (1,4 cm lang, entlang der Bruchlinie gemessen) und die im Bruch bräunlich-grüne Farbe der Schale zu sehen. Rostbraune Flecken in der Matrix sind verwitterter Pyrit (nun Limonit).
 
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Abb. 3: Der Steinkern des Pygidiums, dieses ist 2,5 cm hoch, womit klar ist, dass es sich hier um keinen kleinen Phacopen handelt, nur ist Pedinopariops (Hypsipariops) vagabundus im direkten Vergleich mit Drotops ein paar Zentimeter kleiner, praktisch der kleinste Riesen-Phacops.

 
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Abb. 4: Der Gegendruck des Schwanzschildes mit der Schale, diese wird später wieder aufgeklebt und von der Oberseite freigelegt (Transferpräparation).


Die Präparation:

Ich habe mit dem Freilegen am Hauptstück begonnen, was trotz seiner Größe ganz gut unter das Binokular passte. Am Anfang sollte man besonders vorsichtig präparieren, um zu sehen, wie die Trennung ist und gegebenenfalls verschiedene Pneumatikstichel ausprobieren. Hier habe ich vorwiegend mit dem HW 60 und 70 gearbeitet. Die 1. Klebung erfolgte mit Sekundenkleber, geht zwar schnell, aber ist eigentlich nicht besonders günstig, da es später Probleme mit der Stabilität der Klebung geben kann. Insbesondere wenn man noch was nachträglich mit dem Hammer formatieren muss. Bei diesem Stück geht der Bruch aber senkrecht zur Schale und somit sollte es keine Probleme beim Freilegen (z.B. Zersplittern schräg angerissener Schalenteile) geben (s. Abb. 5). Will man dagegen Schalenteile aufpräparieren, dann braucht man eine stabile Epoxidharz-Klebung.

 
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Abb. 5: Die erste Scherbe ist aufgeklebt, vorher habe ich schon etwas oberhalb der Klebung die ersten 4 Pleuren freigelegt, somit ein Fenster geschaffen. Dieses Bild zeigt dann die Situation etwas 2h nach dem Kleben, wo die Fortsetzung der Pleuren ohne Probleme präpariert werden konnte. Der Arbeitsbereich ist nicht gerade groß und das Bild soll die Perspektive beim Mikroskopieren und Präparieren anschaulich machen.

 
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Abb. 6: Noch mehr Pleuren (wo Schale aufpräpariert werden muss) und etwas von der Freiwange sind zu sehen. In den braunen Bereichen war eine sehr gute Trennung und daher ein gutes Vorrankommen beim Präparieren möglich. Der Rotstich im Bild erklärt sich durch die späte Stunde (Nacht) und das verwendete Kunstlicht.

Aufgrund der guten Trennung im Bereich der aufgeklebten Scherbe geht es gut vorwärts (s. Abb. 6) und besonders die mit vielen Poren versehene aber ansonsten glatte Freiwange (s. Abb. 7) lässt sich wunderbar freilegen. Grund ist wahrscheinlich die Verwitterung im Bereich des braun verfärbten Kalkes, aber auch erfolgte Scherkräfte durch den Bruch mögen sich günstig ausgewirkt haben.

 
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Abb. 7: Die linke Freiwange, deutlich sind die vielen Poren erkennbar, die die Schale senkrecht durchziehen.

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Abb. 8: Einige Stunden hat dann der nächste Präparationsschritt gedauert, die vielen Facetten des Komplexauges wollen jedes einzeln freigelegt werden.
 
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Abb. 9: Detail des Wangen-Randes, hier sind Terrassenlinien und ebenfalls Poren vorhanden. Warum sie dort zu finden sind, ist mir funktionsmorphologisch bislang  noch nicht klar. Eine sehr dünne kalzitverheilte Kluft zieht sich im linken Bilddrittel kaum sichtbar durch die Wange und auch nach hinten durch den Trilobiten.
Die poröse Oberfläche (s. Abb. 8-9) ist jedenfalls interessant, denn nicht jeder Phacope besitzt sie. Aber man findet sie in ähnlicher Ausbildung sowohl bei Drotops und Eldredgeops, als auch bei der vorliegenden Art. Eine nahe Verwandtschaft ist wahrscheinlich, auch weil die genannten Gattungen zusammen mit P. (Hypsipariops) eine Gruppe bilden, die ein spezielles Auge besitzen, das sich etwas von dem normal üblichen schizocroalen Komplexauge unterscheidet.
Jedenfalls war nach dem Freilegen der Wange nun der Weg zum Auge frei, aber die vielen Linsen zu präparieren bedurfte einiges an Konzentration und den Wechsel beim HW 70 zur langen, dünnen Spitze. Das Trilobitenauge vom „Drotops-Typ“ besteht aus 18 vertikalen Linsen-Reihen (mit in unserem Fall maximal 6 Linsen pro Reihe, bei P. (Hypsipariops) africanus (BURTON & ELDREGE) sind es auch bei gleich großen Exemplaren max. 5 Linsen), die jeweils alle durch eine wallartige Erhöhung geschützt werden und die Zwischenräume der Linsen komplett ausfüllen. Jeder dieser sechseckigen Erhöhungen, auch Sclera (s. Abb. 10) genannt, sitzen wiederum an den Berührungspunkten zur nächsten „Wabe“ kleine Tuberkel auf, insgesamt 6 pro Sklera. Daher versteht sich hoffentlich, dass die Präparation dieser Details nicht ganz ohne ist. Man kann die Qualität der Präparation eines Drotops ganz leicht mit einem Blick in die Augen einschätzen. Sind die einzelnen Linsen gut zu sehen, dann ist sie vermutlich gut oder es war zumindest eine gute Trennung vorhanden, sind aber grobe Präparationsspuren oder gar von oben herunterreichende tiefe Rillen zu sehen, dann ist sie mies und das Präparat nicht allzu viel wert.

 
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Abb. 10: Stark vergrößerte Aufnahme des fertig präparierten schizocroalen Komplexauges, hier mal der einfachheitshalber „Drotops-Auge“ genannt. Gut sind die tief eingesenkten Linsen zu sehen, umgeben von Wülsten (Sclera) die 6 Tuberkel tragen. Teilweise sind die Linsen aber noch von Sedimentresten verdeckt, hier bietet sich zum Finish noch etwas Sandstrahlen mit weichem Strahlmittel an. (Momentan steht mir aber kein brauchbarer Sandstrahler zur Verfügung).
 
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Abb. 11: Großaufnahme vom tuberkulierten Augendeckel, die Klebenaht ist ebenfalls sichtbar.
 
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Abb. 12: Langsam kommt der Trilobit zum Vorschein, schon knapp 8 Stunden Präparationszeit unter dem Binokolar sind vergangen.

Nachdem die Facetten freigelegt sind, geht es dann weiter über den Augendeckel (s. Abb. 11) zur Glabella. Auch hier ist die Trennung des Gesteins noch gut. In der Seitenansicht kann man nun schon erahnen, wie der Trilobit später in etwa aussehen wird (s. Abb. 12). Auf der Glabella sind viele Tuberkel bzw. kleine Knoten freizulegen (s. Abb. 13). Diese Knoten sind abgerundet und nicht immer gleich gestaltet, auch sind sie nicht richtig symmetrisch angeordnet, so dass man nie weiß, wann und wo genau der nächste kommt. STRUVE (1990) hat in seiner Beschreibung der Art auf den Unterschied zu Drotops hingewiesen. Diese haben spitz zulaufende Tuberkel, während sich die Glabella des „Vagabundus“ sich eher wie ein Kopfsteinpflaster anfühlt (s. a. RÜCKERT & RESCH 2010). Die Schale ist leider nicht allzu hart, kleinste Berührungen mit dem Stichel hinterlassen Spuren. Leider wird die Trennung weiter zur rechten Seite hin schlechter, die Farbe der Schale ändert sich und auch das Gestein wird dunkler (s. Abb. 14). Wie schon erwähnt haben wir es mit einem Verwitterungseffekt zu tun. Die Verwitterung oxidiert den Kalk, feindispers verteilter Pyrit wird limonitisiert, das Gefüge dadurch etwas aufgelockert. Je weniger verwittert der Kalk, umso dunkler seine Farbe, aber auch umso stärker haftet das Gestein auf der Schale. So was nennt man im Fachjargon „Kleben“, problematisch wird zudem, dass es nicht mehr den schönen Farbunterschied zwischen brauner Schale und etwas dunklerem Kalk gibt, je weiter rechts ich komme, umso schlechter wird der Kontrast. Daher wird die Präparation deutlich anspruchsvoller, denn man muss darauf achten nicht unversehens die Kontaktfläche zu verpassen und direkt auf der Schale zu arbeiten. Trotz großer Vorsicht bei der Präparation war die Schale auf der rechten Freiwange so fest mit dem Gestein verbunden, dass die Trennung unter der obersten Schalenschicht (eine schwarze Kutikula) erfolgte. Daher sind die feinen Oberflächendetails auf der rechten Seite leider deutlich weniger gut herausgekommen (s. Abb. 15).
 
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Abb. 13: Knapp die Hälfte der Glabella liegt nun frei, jeder Tuberkel muss mühsam mit der dünnen Nadel des HW 70 freigelegt werden, Vorsicht ist geboten, da die Schale weich ist und eine dünne dunkle Patina besitzt, die ich doch gerne erhalten möchte.

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Abb. 14: Die Ansicht von vorn, der Farbwechsel zwischen braun rechts und dunkelgrau links ist gut zu sehen, ebenso dass die Matrix auf der rechten Trilobitenseite (hier links) klebt, also sich nur schwierig von der Schale lösen lässt. Das mögen Präparatoren überhaupt nicht.

 
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Abb. 15: Im direkten Vergleich, die beiden Wangenecken, links war die Präparation aufgrund guter Trennung einfach, rechts eher schwierig, da das Gestein „geklebt“ hat. Nur in der äußeren Ecke ist die Schale glatt mit Poren erhalten, beim Rest der Wange verlief die Trennung unter der obersten Schalenschicht, bei der es sich wahrscheinlich um die sogenannte Prismenschicht handelt.

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Abb. 16: Hier mal wieder ein Zwischenstand, über 12 Stunden Arbeit stecken bislang darin. Die Größe des Trilobiten wird durch den Vergleich mit meiner Hand deutlich.

Für die Präparation „klebender“ Stellen muss man sich Zeit nehmen, ansonsten erfolgen unschöne Beschädigungen. Wenn nichts mehr geht an Trennung, dann hilft oft nur der HW 60 mit heruntergedrehtem Druck, dann bekommt er auf einmal ganz andere Eigenschaften, er zertrümmert dann schonender und oft trennt es tatsächlich, wo vorher mit dem HW 70 nichts mehr ging. Trotzdem größte Konzentration ist nötig, ansonsten landet man tiefe „Treffer“. Wenn man merkt, dass die Konzentration verloren geht, dann sollte man abbrechen oder einfachere Bereiche machen. So also auch ich, habe dann bei den Pleuren weitergemacht, wo bessere Trennung vorherrscht. Hier macht es dann auf einmal wieder Spaß und der Trilobit nimmt langsam Formen an (s. Abb. 16). Die vorsichtige Präparation erlaubt es dann auch sicher zu sein, dass taxonomisch interessante Merkmale erhalten bleiben. Gerade bei den Mediantuberkeln des kleinen Zwischenringes (Lobus über dem Nackenring) handelt es sich um 3 kleine Knoten (s. Abb. 17), die leicht beschädigt werden können.

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Abb. 17: Taxonomisch interessant sind die 3 Mediantuberkel auf dem „Zwischenring“, es gibt Exemplare von Pedinopariops (Hypsiopariops) die nur einen Tuberkel an dieser Stelle aufweisen und es stellt sich die Frage ob es sich um eine Variation oder ein Artmerkmal handelt?

Bei meinem Exemplar sind es drei, aber z. B. beim Pedinopariops (H.) africanus (BURTON & ELDRIDGE, 1974), einer ähnlich alten Art aus dem Unter-Givet der Westsahara und Mauretanien ist es nur ein Tuberkel, auch sind bei dieser Art die Knoten weniger zahlreich, dafür grösser und die Augen um eine horizontale Reihe kleiner. Allerdings ist diese Form in den letzten Jahrzehnten übersehen worden, aber sie geistert zumindest als Phacops rana africanus noch gelegentlich als Bestimmung für verschiedene Drotops-Arten durch das Internet, ohne dass sich jemand mal die Mühe gemacht hat zu schauen, worum es sich dabei in Wirklichkeit handelt. Es ist ohne Zweifel ein Pedinopariops (Hypsipariops) und somit möglicherweise ein älteres Synonym von Pedinopariops (H.) vagabundus, veermutlich ist es aber eine eigenständige Art, aber mehr Informationen zur Variationsbreite und stratigraphischen Verbreitung beider Formen sind notwendig um dies entscheiden zu können.

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Abb. 18: Der Kopf liegt nun frei und die Präparation geht nun weiter in Richtung des Hinterendes. Pleure für Pleure wird freigelegt, die rechte Seite macht immer noch Probleme, aber die Trennung ist besser als an der Freiwange. Unterschiedlich Farbtöne in den beiden Bilder erklären sich durch Tageslicht (links) und normale Glühbirne am Abend (rechts), Kunstlicht ergibt gerne mal Falschfarben, die aber auch schick aussehen können.

Die Präparation geht weiter, nachdem der schwierigste Teil mit dem Cranidium hinter mir liegt, ist es jetzt bei den Pleuren etwas einfacher. Trotzdem geht es nicht so schnell voran wie man sich es wünscht, doch dafür sieht das Präparat auch in noch nicht fertigen Zustand schon mal sehr ordentlich aus (Abb. 18). Allerdings müssen nun noch die 2 fehlenden Scherben aufgeklebt werden. Da hier mehr Klebkraft erforderlich ist und ich zudem ein paar fehlende Schalenteile aus dem Gegendruck der Pleuren abgiessen möchte, verwende ich ein dünnflüssiges Epoxidharz. Nach dem Aushärten geht es dann am nächsten Abend weiter (Abb. 19, 20).

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Abb. 19: Auf dem Bild links ist die aufgeklebte Scherbe mit dem Gegendruck und fehlenden Schalenteilen der Pleurenenden links zu sehen. Da etwas Schale fehlt, soll das Kunstharz fehlende Teile ersetzen. Transfer und ein paar Quadratmillimeter abgegossene Schale sind ein paar Stunden später entfernt. Die Freilegung des Pygidiums wird allerdings noch eine Weile dauern.

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Abb. 20: Das Pygidium ist halbseitig freigelegt. Auch hier wieder eher miese Trennung. Man sieht hier wie die feine Klebenaht mitten durch die Spindel verläuft. Weiter unten habe ich dann schon etwas für die Gestaltung des Sockels getan, der ja später wie eine Säule den Trilobiten tragen soll.

Beim 3. Thoraxsegment (vom Pygidium aus gezählt) gab es dann auf der Spindel noch ein Problem. Beim Präparieren stieß ich leider auf ein Loch bzw. nur noch Limonitmulm, wo eigentlich hätte Schale sein sollen. Hier ist offensichtlich ein größeres Pyritaggregat ausgeblüht und die freiwerdende Säure hat dann leider ein paar Quadratmillimeter Schale gelöst. Dabei ist die Schale fast 2mm dick. Als ich das Loch bemerkte, konnte ich dann gleich mehrmals dünnflüssigen Sekundenkleber einfüllen, der dann den Hohlraum ausfüllte. Ein Glück, da der Hohlraum grösser war, wie ich später bemerkte, da es in der Nähe dann ebenfalls ein kleines Loch gab. Aber der Kleber hatte den Hohlraum glücklicherweise ausgefüllt und umgebenden mürben Kalk gehärtet, so dass beim Sticheln dann keine gesunden Schalenpartien eingebrochen sind.

Für das Pygidium war wieder eine Menge Konzentration nötig und es zog sich dann über 2 Abende hin, bis ich es endlich freigelegt hatte. Partiell gab es nämlich lokal eine Kalzitkruste über der eigentlichen Schale, wahrscheinlich war synsedimentär der Kalk gerissen und später wieder mit Kalzit verheilt. Auf die Trennung hat sich das allerdings nicht positiv ausgewirkt. Es wundert mich nicht, dass der Schlag zum Nachschauen, den der marokkanische Finder gemacht hat, dazu führte, dass die Schale im Gegendruck hängen blieb. Bei guter Trennung wäre das nicht passiert. Kann mir gut vorstellen, dass dieser Marokkaner den Rohling lieber so verkauft hat, als ihn selber zu präparieren. Die schwierigen Stücke landen daher gerne mal in Europa, so dass wir uns damit rumärgern dürfen.

Finish und Matrixgestaltung:

Zum Schluss geht es natürlich darum möglichst alles an Sediment in Vertiefungen, Zwischenräumen und sonst wie Störendes zu entfernen. Dabei ist die lange dünne Spitze des HW 70 hilfreich, aber auch der HW 1 ist für die Feinarbeit praktisch, gelegentlich brauche ich auch den Nadelhalter mit einer scharf geschliffenen Nähnadel. Da aber der Kalk sehr hat war, hat sich die Nadel schnell abgenutzt, ebenso wie die HW-70 Nadel, die ich auch ein paarmal wieder angeschliffen habe. Für die Matrix habe ich diesmal eine spezielle Methode gewählt. Die meisten Marokkopräparate kennt man ja mit einer feinsäuberlich weiß gestichelten Oberfläche, aber da mich der Farbwechsel im Gestein bei diesem Stück interessiert und der Sockel ja auch ständig angefasst werden wird und so die weiße Oberfläche schnell speckig wird, musste was anderes her. Schleifen wäre auch eine Idee, aber es hätte zu künstlich ausgesehen. Also habe ich den anfangs fast vierkantigen Block eine Standfläche mit einem 100g-Hammer geschlagen und dann die Seiten abgerundet. Hier muss man besonders auf Bereiche mit Klebefugen aufpassen, da sie nicht immer so springen, wie der gesunde Stein. Nachdem die Matrix also mehr rundlich war und der Trilobit von allen Seiten gut sichtbar, habe ich dann die Oberfläche mit dem groben HW-60-Aufsatz geglättet und dann das gute Stück in heißem Wasser mit Shampoo und einer Badebürste mehrfach abgeschrubbt. Dadurch ließen sich schon die meisten weißen Kalkpartikel entfernen und der Stein sah natürlicher aus. Da ich gerade Salzsäure im Einsatz habe, da habe ich einfach mal die frisch geglätteten Matrixbereiche mit verdünnter Salzsäure aufgetragen mit einer Zahnbürste benetzt. Dass hat dann ordentlich gebrodelt und gedampft. Nachdem die Reaktion abgeklungen war, kam das Stück gleich wieder ins Wasserbad und wurde nochmals geschrubbt. So sollten alle Säurereste entfernt worden sein. Wichtig war natürlich dass keine Säure auf die Schale gelangt, darum habe ich für die sensiblen Bereiche einen Pinsel zum Auftragen der Säure genutzt. Denke das Ergebnis ist recht interessant geworden und die Matrix fühlt sich seltsam an, da zum Teil grobe Stichelspuren vorhanden waren, die dem Stein ein raues „Anfassgefühl“ verleihen. Die Schale habe ich dann nicht mit Fluat oder Rember bestrichen, sondern nur etwas Haarschaum aufgetragen. Dieser verleiht auch etwas Glanz und dunkelt eventuell vorhandene Sedimentreste ab, der Kontrast der Schale wird besser. Vorteil, wenns nicht gefällt, ist es wieder abwaschbar.
Den fertigen Trilobiten möchte ich nun zum Abschluss noch mit ein paar verschiedenen Ansichten vorstellen (s. Abb. 21-27).

Verwendete Werkzeuge:

100g Hammer
HW 1
HW 70
Präpariernadel
Proxon-Schleifer

Zeitaufwand: ca. 30 Stunden

Größenangaben:
Breite Cranidium: 5,5 cm, Länge (Höhe): 3 cm
Länge des von oben oder Seite sichtbaren Körpers (eingerollt) ist 7 cm
Höhe des Pygidiums ist 2,5 cm
Misst man den Thorax in Einzelschritten summiert sich seine Länge ausgestreckt auf ca. 7 cm.
Macht also eine Gesamtlänge von 2,5 + 7 + 3 cm also zusammen 12,5 cm

Herkunft:
 Die genaue Herkunft ist momentan noch unsicher. Aber er stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Maider-Becken, vielleicht aus der Gegend des Mrakib, eventuell aber auch vom Jbel Oufatene oder weiter südlich von Zireg (von dort sind ähnliche wisky-braune Drotops-Funde bekannt und begehrt), wo momentan viel gegraben wird. Auch vom Jbel Issoumour sind Funde bekannt, doch gilt diese Fundstelle als erloschen. Wo genau aber das Stück herstammt, ist eben aufgrund fehlender Infos vom Händler momentan nicht sicher zu ermitteln und muss bei Gelegenheit vor Ort nachrecherchiert werden. Die Matrix ist ja recht charakteristisch.

Stratigraphie:
Der Vagabundus-Horizont soll sich etwa 50m über den beiden Drotops-Lagen befinden. Das genaue Alter ist umstritten, doch ist es wahrscheinlich Unteres Givet (Mitteldevon), untere Bou Dib Formation, SE-Marokko.

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Abb. 21: Das fertige Präparat in schräger Seitenansicht. Gut sind die unterschiedlichen Verfärbungen der Schale als Folge der Verwitterung zu erkennen.

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Abb. 22: Der Blick von vorn.

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Abb. 23: Frontalansicht: „Schau mir in die Augen“.

 
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Abb. 24: Noch mal richtig herum und den Kopf in voller Schönheit abgelichtet. ;-)


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Abb. 25: Die rechte, eher schwierig zu präparierende Seite, letztendlich doch gut geworden.

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Abb. 26: Die linke Seite, nun auch die fertigen Pleuren zu sehen.

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Abb. 27: Das Pygidium, rechts mit einer kleinen Fehlstelle, die durch Kunststoff ersetzt ist. Auf der Matrix ist unten rechts Pyrit zu sehen (die glänzenden Punkte).


Literatur:


BURTON, C.J. & ELDREDGE, N. (1974): Two new subspecies of Phacops rana (Trilobita) from the Middle Devonian of north-west Africa. – Palaeontology, 17: 349-363, London.

RÜCKERT, A. & RESCH, U. (2010): Ein Klassiker der Trilobitenwelt: Die marokkanischen Riesen – „Phacopiden“, Der Steinkern, Heft 5: 6-13, Bielefeld.

STRUVE (1990): Paläozoologie III (1986-1990). - [Forschungsbericht] Cour. Forsch.-Inst. Senckenberg, 127: 251-279, Abb. 1-9; Frankfurt am Main

STRUVE (1995): Beiträge zur Kenntnis der Phacopina (Trilobita), 18: Die Riesen-Phacopiden aus dem Maïder, SE-marokkanische Prä-Sahara. - Senckenbergiana lethaia, 75 (1/2): 77-129, 43 Abb., 11 Taf., Frankfurt am Main.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Jens Koppka 2011, für Steinkern.de, alle Rechte beim Autor.